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Foto: Adobe Stock
30. August 2023

Neue Akademie für Manuelle Medizin am RehaZentrum Bremen

Röntgen, CT, Ultraschall und MRT: Wenn es um medizinische Diagnosen geht, spielen bildgebende Verfahren eine wichtige und wesentliche Rolle. Doch die sogenannte Gerätediagnostik ist nicht das einzige Handwerk, das Ärzten zur Verfügung steht. Dr. Götz Dimanski ist ein großer Befürworter der Manuellen Medizin. Am RehaZentrum Bremen hat er eine Akademie gegründet, an der er ab 2024 sein Wissen und Können in dieser Therapieform an angehende Ärzte weitergeben möchte. Im Interview erklärt er, welche Vorzüge die Manuelle Medizin bietet, was genau es damit auf sich hat und warum sowohl Patienten als auch Mediziner von ihr profitieren.

Röntgen, CT, Ultraschall und MRT: Wenn es um medizinische Diagnosen geht, spielen bildgebende Verfahren eine wichtige und wesentliche Rolle. Doch die sogenannte Gerätediagnostik ist nicht das einzige Handwerk, das Ärzten zur Verfügung steht. Dr. Götz Dimanski ist ein großer Befürworter der Manuellen Medizin. Am RehaZentrum Bremen hat er eine Akademie gegründet, an der er ab 2024 sein Wissen und Können in dieser Therapieform an angehende Ärzte weitergeben möchte. Im Interview erklärt er, welche Vorzüge die Manuelle Medizin bietet, was genau es damit auf sich hat und warum sowohl Patienten als auch Mediziner von ihr profitieren.

Herr Dr. Dimanski, Sie haben kürzlich die Akademie für Manuelle Medizin gegründet und damit ein Weiterbildungsangebot geschaffen. Vor welchem Hintergrund kam die Idee dazu auf?

Tatsächlich war das ganz profan. In meiner Praxis suchen mich immer wieder Patienten auf, die Beschwerden am Bewegungsapparat haben. Vor einiger Zeit wurde mir außerdem die Frage gestellt, die jeder Mediziner im Laufe seines Berufslebens irgendwann das erste Mal hört: „Wie lange machen sie denn noch?“ Das hat mich zum Nachdenken angeregt, vor allem über meine zukünftige Arbeitsweise und das, was ich irgendwann in den Ruhestand mitnehmen werde: nämlich das Handwerk der Manuellen Diagnostik und Therapie.

Was genau versteht man unter Manueller Medizin?

Der Begriff leitet sich von „manus“ ab, dem lateinischen Wort für Hand. Es geht also um die Hand des Arztes am Patienten und darum, sich dem Patienten genau zu widmen und sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Gibt es etwa Schwellungen, Atrophien oder Auffälligkeiten auf der Haut? Das können alles Indikatoren für gewisse Krankheitsbilder sein. Zuhören, hinsehen, anfassen und bewegen: Das ist Manuelle Medizin und beim Erkennen und Behandeln von Bewegungs- und Funktionsstörungen unerlässlich. An unserer Akademie werden wir uns zukünftig der Manuellen Medizin nach Dr. James Cyriax widmen. Er hat die Therapieform in den 50er- und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in London entwickelt.

Wie verbreitet ist die Manuelle Medizin als Handwerk in den Arztpraxen?

Leider ist die Manuelle Therapie grundsätzlich unterrepräsentiert und innerhalb der Facharztausbildung der Orthopäden überhaupt nicht vorgesehen. Dabei ist das Interesse sehr groß. Orthopädische und unfallchirurgische Abteilungen in Bremen haben mir gespiegelt, dass ich mit meiner Idee eines entsprechenden Weiterbildungsangebots wortwörtlich offene Türen einrenne. Denn nicht alle Orthopäden und Unfallchirurgen, die in Kliniken ausgebildet werden, wollen nach ihrer Ausbildung weiterhin stationär und operativ tätig sein. Viele wollen anschließend in die Praxen gehen, in denen operative Maßnahmen nicht an der Tagesordnung sind. Im Ausbildungsplan der Weiterbildungsordnung fehlt die konservative Manuelle Therapieform. Chirurgie und Gerätediagnostik dagegen haben ihren erforderlichen festen Platz. Angehende Orthopäden lernen also etwa wie sie eine Bandscheibe operieren oder ein MRT-Bild auswerten. Wie aber zum Beispiel eine Halswirbelsäule oder ein Fuß manuell untersucht und behandelt werden können, das findet in der Weiterbildungsordnung keine Beachtung. Es gibt hier also ein strukturelles Defizit, das ganz natürlich darin begründet liegt, dass die Orthopädie aktuell ausschließlich als chirurgisches Fachgebiet gelehrt wird. Manuelle Untersuchungs- und Behandlungstechniken sind dabei kein Schwerpunkt.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Unterpräsenz der Manuellen Medizin?

Als Hauptproblem sehe ich da die mangelnde Klarheit und Präzision der Diagnostik. Ich habe in meiner Praxis immer wieder Patienten mit ungeklärten Schmerzen, die im Alltag erheblich leiden oder deswegen keinen Sport mehr machen können. Wenn die Bilddiagnostik dann nicht eindeutig zeigt, wo das Problem liegt, sorgt das natürlich sowohl bei den betroffenen Patienten als auch bei den Ärzten für Unzufriedenheit.

Welche Vorteile würden sich daraus ergeben, wenn Fachärzte und auch Allgemeinmediziner zukünftig fit auf dem Feld der manuellen Diagnostik sind?

Richtig angewendet führt die Manuelle Diagnostik definitiv auch zu weniger Fehlern in der Medizin. Ich hatte mal einen Patienten, der einige Zeit nach einem Fahrradsturz mit Schmerzen zu mir gekommen ist. Obwohl in der Notaufnahme ein CT gemacht wurde, musste ich feststellen, dass er eine Beckenfraktur hatte, die übersehen wurde. Solche Beispiele gibt es immer wieder. Manuelle Medizin soll dies verhindern helfen. Ungeklärte Schmerzursachen, Vermeidung unnötiger Operationen oder vielfältigster ungezielter Diagnostik, klare Prognosestellungen, gefahrlose Rückkehr an den Arbeitsplatz oder in den Sport nach Verletzungen oder Operationen, das alles sind Handlungsfelder einer wirksamen Manuellen Medizin.

Ist die Manuelle Medizin immer die bessere Alternative zur Gerätediagnostik?

Das kann man so nicht sagen, nein. Es ist hervorragend, dass es diese Gerätediagnostik gibt. Allerdings kommen Radiologen an ihre Grenzen, wenn sie nicht wissen, wonach sie etwa auf einem Bild suchen müssen. Gerade bei einem MRT hat man technisch so viele Einstellungsmöglichkeiten, dass es wichtig ist, die Fragestellung exakt zu formulieren. Hier wird die Rolle der Manuellen Diagnostik deutlich: Es geht darum, einzugrenzen und einzuordnen und Radiologen gezielte Hinweise auf die diagnostische Vermutung geben zu können. Und genau darin möchten wir schulen.

An wen richten Sie sich mit dem Weiterbildungsangebot?

An angehende Orthopäden, Neurologen und auch an Allgemeinmediziner. Gerade allgemeinmedizinische Praxen sind oft die erste Anlaufstelle für Patienten mit Beschwerden aller Art, 30 Prozent kommen aber wegen Beschwerden am Bewegungsapparat.

Dr. Götz Dimanski betreute 23 Jahre lang als Mannschaftsarzt Werder Bremens Fußballer, unter anderem während ihrer Teilnahme an Europapokalspielen und der Champions League. Heute führt er die Geschäfte des RehaZentrum Bremen und praktiziert dort als Chefarzt der Abteilung für Sportmedizin und Physiotherapie. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind die nicht-operative Diagnostik sowie die Therapie von Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungsapparates.

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