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Dirk Böhling. Foto: FR
#Kolumne – Baby Boomer Böhling
26. September 2022

„… was soll’s, ich liebe das Leben …“

In seiner Kolumne gesteht uns Dirk Böhling, dass er in seiner Kindheit beim Fußballspielen nicht der Beste war. Eine Lieblingsregel vom "Bolzer" hat er trotzdem.

In seiner Kolumne gesteht uns Dirk Böhling, dass er in seiner Kindheit beim Fußballspielen nicht der Beste war. Eine Lieblingsregel vom "Bolzer" hat er trotzdem.

F6– ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre.F6 war die Kombination, die ich in der Lieblingskneipe meiner Eltern immer in der Jukebox für sie drücken musste. Ja, ich war tatsächlich ein kleiner Jukebox-Hero und weil ich von meiner Mutter meistens ganze fünf Mark in die Hand gedrückt bekam, um Musik zu machen, waren es noch ein paar Titel mehr, die zur Disposition standen. D9 zum Beispiel, G4 und E8 und natürlich immer wieder auch H1.
Während wir dann mit der ganzen Familie in besagter Kneipe ein Schnitzel aßen, wusste ich immer schon vorher, welches Lied als nächstes aus der Musikbox kommen würde und machte – schon damals – die entsprechenden Ansagen im Dieter-Thomas-Heck-Stil. Es waren nämlich fast ausnahmslos deutsche Schlager, die auf der Wunschliste meiner Mutter standen und da war sie in der Mitte der Siebzigerjahre nicht die Einzige. Bei der Tastenkombination D9 hechelte Michael Holm „Tränen lügen nicht“ in die Kneipe, bei G4 besang Udo Jürgens das „Ehrenwerte Haus“, auf E8 folgte „Teddybär 1-4“ von Jonny Hill und H1 hatte zur Folge, dass die Tresenmannschaft aus voller Kehle „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ grölte … Ja ich hatte keine leichte Kindheit.

Der Höhepunkt dieser kleinen Hitparaden war aber unanfechtbar F6. Nicht nur meine Mutter bekam bei diesem Titel verlässlich feuchte Augen und schaute mit einer Mischung aus sehnsuchtsvollem Hundeblick und leicht debilem Lächeln in die unendlichen Weiten der Schankstube. Niemals werde ich diese Verzückung vergessen, die der Schlager „Ich liebe das Leben“ in ihr auslöste. Gesungen wurde der Song übrigens von Vicky Leandros, die bei der Intonierung desselben genauso aus der Wäsche guckte, wie meine Mutter – nur ohne Schnitzel. Auch wenn ich diese Reaktion als Kind nicht verstanden habe, so wurde mir in diesen Momenten doch klar, welche emotionale Kraft Musik haben kann. Und ich bekam hier gerade einen kleinen Vorgeschmack auf viele Musiktitel, die mich in meinem Leben noch (be-)rühren sollten.
Auch deshalb habe ich mir dann später in den Achtzigerjahren etwas Geld mit einer – wie man es damals gerne nannte – „rollenden Diskothek“ verdient. Die gute alte F6 ist mir in meinem Leben übrigens immer mal wieder begegnet – zuletzt in einem Festzelt auf dem Bremer Freimarkt.
Dort rief der Discjockey zum finalen Song vor dem Kehraus mit Publikumswechsel auf, bat die feierselige Menge, sich nun unterzuhaken und die große Mitsing- und Mitschunkel-Arie zu starten und spielte, natürlich: „Ich liebe das Leben“! Ich stand da und bekam schon nach den ersten Takten leicht wässrige Augen.Dass ich dazu mit einer Mischung aus sehnsuchtsvollem Hundeblick und leicht debilem Lächeln in die unendlichen Weiten des Festzeltes schaute und mir auch noch ein leises „Hörst du das, Mama?“ über die Lippen schlüpfte, hat aber keiner gemerkt. Hoffentlich.

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