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#Bremer Köpfe
22. September 2022

Die Autoscooter-Chefin

Bettina Robrahn-Böker: Schaustellerin mit Leib und Seele

Ob der Duft von gebrannten Mandeln, hell erleuchtete Buden oder rasante Karussells: Was für Volksfestbesuchende echte Highlights sind, ist für Schaustellerinnen und Schausteller Normalität – so auch für Bettina Robrahn-Böker. Mit dem Autoscooter „Top In“ betreibt die 51-Jährige in dritter Generation ein Fahrgeschäft, das regelmäßig Platz auf regionalen Volksfesten findet. Für den Schaustellerberuf, sagt sie, würde sie sich immer wieder aufs Neue entscheiden.

Ob der Duft von gebrannten Mandeln, hell erleuchtete Buden oder rasante Karussells: Was für Volksfestbesuchende echte Highlights sind, ist für Schaustellerinnen und Schausteller Normalität – so auch für Bettina Robrahn-Böker. Mit dem Autoscooter „Top In“ betreibt die 51-Jährige in dritter Generation ein Fahrgeschäft, das regelmäßig Platz auf regionalen Volksfesten findet. Für den Schaustellerberuf, sagt sie, würde sie sich immer wieder aufs Neue entscheiden.

„Noch einmal bitte!“ Fein säuberlich und akkurat gestapelt platziert ein kleiner Junge sein Kleingeld auf dem Verkaufstresen vor Bettina Robrahn-Böker. Sie muss schmunzeln, als sie die Münzen an sich nimmt und ihm im Gegenzug einen blauen Chip reicht. Es scheint nicht das erste Mal zu sein, dass das Kind an diesem Dienstagmittag ihr Kassenhäuschen auf dem „Kramermarkt“ in Delmenhorst aufsucht. „Zu dieser Uhrzeit ist in der Regel noch nicht viel los“, sagt sie und zeigt in Richtung der aneinandergereihten Scooter ihres Fahrgeschäftes. Für Langeweile ist in ihrem Arbeitsalltag jedoch wenig Zeit. Bettina Robrahn-Böker ist Schaustellerin. Als Inhaberin der nach ihrem Vater benannten Firma Werner Robrahn ist sie mit dem Autoscooter „Top In“ von Mitte März bis Ende November auf Volksfesten präsent.

Vertreterin einer Bremer Tradition

Der Name Robrahn ist in Bremen renommiert. Als Rudolf und Luise Robrahn die Zusage erhielten, ihren Autoscooter auf dem ersten Bremer Freimarkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges ausstellen zu dürfen, zog es die Familie mit ihren vier Kindern in die Hansestadt. Die Robrahns wurden in Bremen sesshaft und erweiterten ihr Unternehmen im Laufe der Zeit um weitere Fahrgeschäfte. „Nach dem Tod meines Großvaters machte sich jedes der Kinder mit einem der Fahrgeschäfte selbstständig“, erzählt Bettina Robrahn-Böker. „Mein Vater Werner Robrahn, als jüngster Bruder, führte die bestehende Firma Robrahn mit dem Autoscooter gemeinsam mit meiner Großmutter Luise weiter.“ 1996 stieg Robrahn-Böker gemeinsam mit ihrem Mann in das Familienunternehmen ein. 2002 folgte für ihre Eltern der Weg in den Ruhestand und für sie schließlich die Firmenübernahme in dritter Generation. Das Fahrgeschäft, das heute als „Top In“ bekannt ist, ist der mittlerweile sechste Autoscooter in der Familiengeschichte und seit vielen Jahren auf Volksfesten wie dem Freimarkt zu finden. „2019 haben wir noch einmal tief in den Geldbeutel gegriffen und eine Generalüberholung durchgeführt“, sagt die Eigentümerin. Was den Autoscooter für sie besonders auszeichne, sei das breit gefächerte Publikum, das darin fährt. „Bei uns fahren alle Generationen“, sagt sie, „Erwachsene, Jugendliche, aber auch das Enkelkind mit dem Großvater.“ Zum Preis von einem Fahrchip könne am „Top In“ jeder einmal Kavalier spielen, soll es Firmengründer Werner Robrahn einst gesagt haben. „Bei uns wird nicht pro Fahrgast gezahlt, sondern pro Fahrzeug“, erklärt es Robrahn-Böker.

Kein vorprogrammierter Weg

Dass die heute 51-Jährige einmal selbst das Leben einer Vollblutschaustellerin führen würde, war ihr früh klar. „Ich bin als Schaustellerkind mit dem Beruf groß geworden und habe ihn von Anfang an geliebt.“ Dass der Weg ins Schaugewerbe für jene mit dem Namen Robrahn vorprogrammiert sei, verneint sie jedoch. „Ich hatte seinerzeit die Wahl, meine Eltern haben mir keinen Druck gemacht“, erzählt sie. Im Gegenteil: Während die jetzige Unternehmerin damals am liebsten nach der Realschule abgegangen wäre, um sich verstärkt im Familienbetrieb zu engagieren, war es ihrem Vater wichtig, dass seine Tochter auch die Berufswelt fernab der Schaustellerei kennenlernt. Robrahn-Böker: „Ich habe nach dem Abitur eine Ausbildung in einer Bank gemacht und sechs Jahre in diesem Bereich gearbeitet. Das hat mir rückblickend gutgetan.“
Für die besondere Atmosphäre auf Volksfesten ist die Schaustellerin übrigens auch nach vielen Jahren im Geschäft keinesfalls betriebsblind. „Der Zauber ist noch da“, sagt sie, „wenn auch in anderer Form.“ So habe jedes Event seine eigenen Reize und Highlight.

Blick zurück auf die Schaustellerkindheit

Doch das Leben zwischen Karussells und Zuckerwatte birgt auch Herausforderungen. „Die größte Schwierigkeit, die unser Beruf mit sich bringt, ist die Beschulung unserer Kinder“, sagt die Mutter von drei Töchtern. Eine Problematik, die Bettina Robrahn-Böker nicht nur aus der Perspektive der Erziehungsberechtigten kennt. „Als meine Schwester und ich klein waren, haben unsere Eltern auch Großachterbahnen betrieben und waren damit deutschlandweit unterwegs“, erinnert sie sich. „Wir haben sie teilweise mehrere Wochen nicht gesehen.“ Die Unterstützung von Pflegeeltern ermöglichte den Schwestern zugleich ein geregeltes Leben in Bremen, wo sie ihre Schullaufbahn absolvieren und sich einen Freundeskreis fernab des Schaustellerlebens aufbauen konnten.

Rückblickend sagt Robrahn-Böker über diese Zeit: „Ich war früh selbstständig und bin vermutlich schnell erwachsen geworden.“ Sie selbst greift heute für die Betreuung ihrer jüngsten, neunjährigen Tochter regelmäßig auf ein Netzwerk aus Freunden und Familienmitgliedern zurück. Zudem sagt sie: „Wir sind mit dem Autoscooter ausschließlich regional unterwegs. Im Notfall bin ich also innerhalb weniger Stunden zu Hause.“
Ob ihre Kinder, von denen zwei momentan studieren, einmal in die unternehmerischen Fußstapfen ihrer Eltern treten wollen, ist unklar. „Wir stellen das unseren Töchtern frei“, macht Robrahn-Böker klar. Lediglich ihre Jüngste sei sich ihrer Sache – zumindest aktuell – sehr sicher. „Für sie ist klar, dass sie einmal Chefin am Autoscooter wird“, erzählt die Schaustellerin lachend. Ein guter Anlass, um in zehn Jahren noch einmal nachzuhaken.

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