Wenn Arbeit krank macht
Über psychische Belastungen am Arbeitsplatz
Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Arbeitnehmende Krankheitssymptome zeigen? Martina Werlich von der Arbeitnehmerkammer erklärt im Interview, welche Alarmsignale zum Handeln auffordern sollten.
Burnout, Mobbing, Bossing – obwohl diese modernen Begrifflichkeiten seit einigen Jahren häufig zu hören und zu lesen sind, beschreiben sie ein altbekanntes Problem: Es gibt Fälle, in denen Arbeit krank macht. Grund dafür sind verschiedene psychische Belastungsfaktoren, die ebenso vielfältig sein können wie die Symptome und Beschwerden, mit denen sich Arbeitnehmende konfrontiert sehen. Martina Werlich ist Leiterin der Geschäftsstelle Bremen-Nord der Arbeitnehmerkammer. Im Interview spricht sie über den Unterschied zwischen Stress und psychischer Belastung, über körperliche Alarmsignale und sie zeigt auf, wo und wie sich Betroffene Unterstützung holen können.
Wo hört normaler Stress auf und wo fängt psychische Belastung an?
Stress ist etwas, das jeder und jede am Arbeitsplatz schon einmal erlebt hat. Auch wenn er so negativ behaftet ist, ist es eigentlich erst einmal ein wertneutraler Begriff. Unter „Stress“ ist im Wesentlichen die eigene subjektive Reaktion auf bestimmte äußere Reize zu verstehen. Das ist erst einmal nichts Schlechtes, denn wenn wir diese äußeren Reize, die auch Stressoren genannt werden, nicht hätten, wären wir als Menschen gar nicht überlebensfähig. Beispielsweise schrecken wir auf, wenn wir unerwartet einen lauten Knall hören, wir erschrecken uns und müssen prüfen, ob dieser Knall, der erstmal Stress auslöst, gefährlich sein könnte, um dann entsprechend zu reagieren. Eine kurzzeitige Stresssituation kann also auch von Vorteil sein, weil sie uns fordert. Bedrohlich wird es immer dann, wenn das subjektive Stresslevel konstant hoch ist und kein Ventil findet. Das ist der Punkt, an dem sich meiner Ansicht nach die psychische Belastung einstellt.
Gibt es psychische Belastungen, die besonders verbreitet sind?
Da gibt es einige Beispiele, etwa zu hoher Zeitdruck, zunehmende Arbeitsverdichtung, eine unklare Aufgabenverteilung, Konkurrenz unter Kollegen, ungelöste Konflikte im Team, Über- und Unterforderung sowie fehlende Wertschätzung und Unterstützung. Auch widersprüchliche Anweisungen und das Gefühl, dauerhaft erreichbar sein zu müssen, können sich negativ auf die Psyche auswirken.
Gibt es körperliche Alarmsignale?
Ja, psychische Belastungen zeigen sich oft vor allem in Form von körperlichen Symptomen. Beispielhaft sind Rückenschmerzen, aber auch Kopfschmerzen, ein geschwächtes Immunsystem, Blutdruck – und Magen-Darm-Beschwerden können damit einhergehen. Weitere Alarmsignale sind Müdigkeit und Nervosität, Schlafstörungen oder auch eine ständige Niedergeschlagenheit und konstante Anspannung.
Inwieweit haben Arbeitgebende dafür zu sorgen, psychische Belastungen von ihren Mitarbeitenden abzuwenden?
Das Arbeitsschutzgesetz dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Darin sind Grundsätze und konkrete Maßnahmen festgehalten, die Arbeitgebende rechtlich dazu verpflichten, die Arbeit sozial verträglich und sicher zu gestalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die sogenannte Gefährdungsanalyse. Nach dem Arbeitsschutzgesetz ist jeder Betrieb dazu verpflichtet, eine solche Beurteilung seiner Arbeitsplätze durchzuführen.
Was können Arbeitnehmende tun, die erkennen, dass sie sich durch ihre Arbeit psychisch stark belastet sehen?
Dabei muss man unterscheiden, ob es sich um ein Unternehmen handelt, in dem ein Betriebs- oder Personalrat existiert, oder nicht. Im ersten Fall haben es Betroffene insofern einfacher, da sie etwa erfragen können, ob es konkrete Betriebsvereinbaren gibt oder sie Maßnahmen anregen können, wie die genannte Durchführung einer Gefährdungsanalyse. Wenn Arbeitnehmende diese Möglichkeit nicht haben, sollten sie auf jeden Fall das Gespräch suchen und sich austauschen, etwa mit Freund:innen und Familienmitgliedern. Auch Hausärzt:innen und Therapeut:innen können wertvolle Ansprechpartner sein. Natürlich kann man sich auch an uns wenden und einen Termin für eine Individualberatung machen. Wir sind zwar keine Therapeuten und beurteilen Situationen aus der juristischen Perspektive. Aber wir können eine Hilfestellung bieten, Wege aufzeigen und nehmen uns für die Betroffenen Zeit.