Zum Seitenanfang
Foto: Max Stascheit
#Gesundheit
26. Dezember 2024

„Ich freue mich jetzt schon auf nächsten Montag!“

Ausprobiert: Walking-Football in der Werder Halle / Spaß, Gesellschaft und Gesundheit stehen an oberster Stelle

Als ich mich mit ehemaligen Mitspielern darüber unterhalte, dass ich mich für unsere Serie „Ausprobiert“ für das Walking-Football-Training bei den „Oold Steerns“ von Werder Bremen angemeldet habe, ließ der Spott nicht lange auf sich warten ...

Als ich mich mit ehemaligen Mitspielern darüber unterhalte, dass ich mich für unsere Serie „Ausprobiert“ für das Walking-Football-Training bei den „Oold Steerns“ von Werder Bremen angemeldet habe, ließ der Spott nicht lange auf sich warten ...

Das dürfte dir und deiner Spielweise ja entgegenkommen“ und „Hast du die Sportart damals nicht selbst erfunden?“, musste ich mir anhören. Ich habe jahrelang Fußball gespielt, zuletzt als Trainer die Spiele meines Sohnes begleitet – der Ballsport spielt in meinem Leben seit jeher eine große Rolle. Zudem besitze ich seit langer Zeit eine Werder-Dauerkarte. Walking-Football, oder „Gehfußball“, kannte ich bis dato allerdings noch nicht. So schwer kann das ja nicht sein, wenn es vornehmlich die über 60-Jährigen spielen, dachte ich mir. Und mal wieder lag ich nicht ganz richtig.
Als ich die Halle an der Hemelinger Straße betrete, ist diese bereits gut gefüllt. Auf dem Spielfeld wird trainiert, eine Trillerpfeife ertönt – langsam geht hier aber niemand. Und schon werden wir von Trainer Kalle Christiansen begrüßt. Ob wir hier richtig beim Gehfußball sind, möchte ich wissen. „Gehfußball finde ich persönlich ein wenig unglücklich“, erklärt der Trainer. „Wir bewegen uns schon ein bisschen mehr als nur dem Ball hinterherzugehen.“ Das Gelächter der Anwesenden ist groß.

Walking-Football, oder Gehfußball, ist altersgerechtes und gesundheitsförderndes Fußballspielen. Ziel ist es, im Alter länger am aktiven Sport teilhaben zu können. Mögliche Spielorte sind Fußballfelder oder Hallen. Wem es aufgrund von Verletzungen oder aus Altersgründen nicht mehr möglich ist, klassischen Fußball zu spielen, für den ist Walking-Football eine gute Alternative. Die noch junge Sportart wurde 2011 vom FC Chesterfield Community Trust in Großbritannien initiiert und hat bis heute in zahlreichen Ländern Anhänger:innen gefunden. Im Oktober 2016 wurde Walking-Football über WERDER BEWEGT – LEBENSLANG in Kooperation mit dem „European Football for Development Network“ (EFDN) und dem „European Legends Programme Walking Football“ beim SV Werder Bremen ins Leben gerufen.
„Bei uns steht der Spaß an oberster Stelle. Außerdem die Gesundheit und soziale Komponente. Leistungssportler sind wir hier alle nicht, aber wir machen das Beste daraus und spielen einfach. Wir haben auch Mitspieler aus den Bereichen Krebs- oder Herzgruppen“, sagt Kalle Christiansen und reicht mir ein blaues Trikot. „Ganz ohne Schiedsrichter geht es aber auch nicht“, meint er. „Wir halten uns an die Regeln, auch wenn diese noch nicht überall einheitlich sind.“

Laufen oder Rennen ist untersagt

Ein einheitliches Regelwerk gibt derzeit nämlich noch nicht. In den einzelnen Ländern herrschen bislang verschiedene Herangehensweisen, eine Regelvereinheitlichung wird angestrebt. Die oberste Regel des Spiels ist jedoch überall gleich: Laufen oder Rennen ist untersagt, ob mit oder ohne Ball. Ein Fuß muss immer auf dem Boden sein. Zudem darf der Ball nicht über Hüfthöhe gespielt werden, Kopfbälle sind, ebenso wie Grätschen oder intensiver Körperkontakt, verboten. Ein klassisches Abseits gibt es nicht, dafür fliegende Wechsel. Ein weiterer Unterschied zum regulären Fußball: Die Tore sind lediglich drei Meter breit und einen Meter hoch. Die Spieldauer beträgt hierzulande 60 Minuten, gespielt wird in zehnminütigen Runden, dann wird gewechselt.

Langsam wird die Puste knapp

Es ist so weit, ich soll aufs Spielfeld. Nach dem Anstoß folgt ein energetisches Match beider Teams, der Ball wird alles andere als langsam über den Hallenboden und durch die Luft geschossen. Enger Körperkontakt lässt sich nicht immer ausschließen, ich muss mich teilweise zurückhalten und bin dennoch schon ziemlich bald aus der Puste. Nach einigem Ballwechsel fällt das erste Tor – die Spielerkollegen, die auf dem Zuschauerrang auf ihr Einwechseln warten, jubeln. Als jemand nach einem misslungenen Schuss zu Boden fällt, wird das Match sofort unterbrochen, die anderen eilen hilfsbereit zur Seite. Kameradschaft wird beim Spielen großgeschrieben. Es fällt mir schwer, mich aufs bloße Gehen zu konzentrieren, als ich einen Ball weiterspielen will, ertönt ein Pfiff. Ungläubig gucke ich zum Schiedsrichter. „Du hast den Ball zu hoch gespielt!“ Auch das noch. Langsam wird die Puste immer knapper. Meine Mitspieler hingegen zeigen noch keinerlei Ermüdungserscheinungen. Ich führe das auf deren regelmäßiges Training zurück, wundere mich aber trotzdem. Wir gewinnen das Spiel 1:0 dank eines Tores unseres Ältesten: Eberhard ist 84, Kapitän der Truppe und denkt nicht ans Aufhören. Ich bin jedenfalls froh, dass das Spiel vorbei ist, und versuche erst einmal, wieder Luft zu bekommen.

„Die meisten sind von Anfang an dabei“, freut sich der Trainer. „Die Gesellschaft tut uns allen gut, wir halten zusammen.“ Der Gesundheitsaspekt steht bei den „Oold Steerns“ über allem. Mitspieler Kurt Brinkmann erzählt beispielsweise: „Ich habe eine künstliche Hüfte und konnte mich nicht gut bewegen. Nach dem ersten Training war das wie weggeblasen.“ Ein anderer Mitspieler spricht mich beim Verlassen der Halle an. Er leide seit Jahren an Parkinson, doch das Spielen habe ihm neuen Lebensmut gegeben, seine Gesundheit merklich verbessert. „Ich freue mich bereits jetzt auf den nächsten Montag“, erklärt er mit einem freudigen Glanz in den Augen.
Wie bereits erwähnt darf der Spaß bei den „alten Sternen“ natürlich nicht zu kurz kommen: „Unsere Auswärtsturniere und das gemeinsame Zusammensein sind wie eine große Klassenfahrt“, erklärt Hartmut Lührig. „Ob an Spielorten wie Bremen, Holland oder Mallorca – es geht um das Vergnügen und den Austausch. Ich möchte es nicht mehr missen.“ Fazit: Beim Walking-Football wird definitiv Sport getrieben, aber Spaß und Gesundheit stehen im Vordergrund. Eines ist klar: Ich komme wieder. Spätestens in acht Jahren, wenn ich 60 bin …

Walking-Football ist speziell für fußballbegeisterte Frauen und Männer ab 60 Jahren. Trainiert wird immer montags, in der Sommersaison (April bis September) von 14 bis 16 Uhr auf Platz 13 A und in der Wintersaison (Oktober bis März) von 13 bis 15 Uhr in der Werder Sporthalle Hemelinger Straße. Weitere Infos: www.werder.de

Weitere Beiträge