Für ein selbstbestimmtes Leben
Mehr als 600 Jugendliche mit Handicap machen eine Ausbildung auf dem „Nordic CAMPUS“
Das beim Sozialverband Deutschland angesiedelte Berufsbildungswerk Bremen heißt jetzt „Nordic CAMPUS“. Mit dessen Geschäftsführer Dr. Torben Möller sprachen wir darüber, wer dort in welcher Form eine Ausbildung absolvieren kann und wie es zur Umbenennung kam.
Warum die Umbenennung von Berufsbildungswerk in „Nordic CAMPUS“ ?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen geht unser Einzugsgebiet weit über die Grenzen Bremens hinaus, es reicht von Stade bis Hamburg über Friesland und Ostfriesland bis runter nach Osnabrück. Zudem gibt es eine Außenstelle in Bremerhaven, in der wir circa 50 Jugendliche betreuen. Wir ziehen junge Menschen aus dem gesamten Nordwesten an. Rund 70 Prozent unserer Auszubildenden an den Standorten Bremen und Bremerhaven kommen aus der Metropolregion Nordwest und darüber hinaus. Zum anderen stehen wir dafür, ein Ort der offenen Begegnung zu sein, an dem sich Inklusion frisch denken und erleben lässt. Als „Nordic CAMPUS“ bringen wir diese Qualität auch im Namen zum Ausdruck und stehen für Begegnung und Austausch – offen für alle und gut vernetzt mit unseren Kooperationspartnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser Campus-Charakter prägt uns. Und das wollten wir damit auch zum Ausdruck bringen. Direkt auf dem Campus gibt es zudem ein Internat, das Platz für bis zu 280 Jugendliche bietet. Wohnformen, Freizeitangebote und pädagogische Interventionen sind den jeweiligen Bedürfnissen und dem Förderungsbedarf der Auszubildenden und Maßnahmeteilnehmenden in den unterschiedlichen Lehrjahren und Lebenssituationen angepasst.
Was geschieht auf dem „Nordic CAMPUS“?
Unsere Aufgabe ist die Ausbildung von Menschen mit Handicap für den ersten Arbeitsmarkt. Dabei handelt es sich um psychisch und körperlich beeinträchtigte sowie benachteiligte junge Menschen.
Welche Ausbildungen können absolviert werden?
Wir bilden in mehr als 30 Berufen aus. Das reicht vom Bereich Informationstechnik und Büromanagement über diverse Bereiche aus dem Themengebiet Ernährung und Hauswirtschaft bis hin zu handwerklichen Berufen wie Tischler:in, Maler:in oder Zahntechnniker:in. Die Absolventinnen und Absolventen werden zum Abschluss alle von den zuständigen Kammern geprüft und wir versuchen sie im Anschluss in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Anschließend werden die Absolvent:innen noch bis zu einem Jahr von uns nachbetreut.
Wie viele Menschen machen bei Ihnen eine Ausbildung?
Wir haben derzeit etwas mehr als 600 Jugendliche auf dem Campus. Hinzu kommen noch 280 Mitarbeiter:innen. Jedes Jahr machen zwischen 120 und 130 Jugendliche ihren Abschluss bei uns.
Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen, die ihren Abschluss schaffen?
Unsere Abschlussquote liegt derzeit bei circirca 98 Prozent.
Wie kommen die Jugendlichen zu Ihnen?
Sie werden über die Arbeitsagentur an uns vermittelt. Es ist aber nicht mehr so wie früher, dass von der Agentur bestimmt wird, wer wohin geht. Heute können die Jugendlichen selbstbestimmt entscheiden, welchen Beruf sie erlernen möchten und in welches Berufsbildungswerk sie dazu gehen möchten. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass wir um die Jugendlichen werben müssen. Eine gute Philosophie, wie ich finde, weil es bedeutet, dass wir als Institution zu einer Kundentreue animiert werden, was wiederum den Jugendlichen zugutekommt. Wir machen das beispielsweise so, dass wir im Rahmen von Berufsinformationstagen über den „Nordic CAMPUS“ informieren – vor Ort und auf YouTube.
Wer kann konkret zu Ihnen kommen?
Die Jugendlichen müssen einen so genannten Reha-Status haben, um über die Arbeitsagentur an uns vermittelt werden zu können. Es muss also im Vorfeld ein Handicap festgestellt worden sein. Wir gucken dann aber auch noch einmal genau, ob es Sinn macht und was überhaupt infrage käme. Es gibt zum Beispiel Jugendliche, die noch gar nicht ausbildungsreif sind. Bevor sie starten, können wir sie in elf Monaten hier ausbildungsreif machen. Unterstützt von Sozialpädagog:innen, dem ärztlichen Fachdienst sowie Psycholog:innen gucken wir in dieser Zeit, wo die Fähigkeiten der Personen liegen und was die Jugendlichen machen können. Unser Ziel ist es, dass die Jugendlichen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung ein selbstbestimmtes Leben führen können. Wichtig ist dabei nicht nur das Erlernen des Berufes, sondern die Jugendlichen müssen lernen, auch ihr normales Leben gestalten zu können. Deshalb nennt man es bei uns auch rehapädagogische Ausbildung – es geht dabei auch darum, zu erlernen, wie man beispielsweise Handy- und Mietverträge abschließt.
Welche Bedeutung hat Inklusion bei Ihnen?
Wir leben hier praktisch Inklusion. Wir sind in der Lage, uns direkt den Bedürfnissen der Jugendlichen anzupassen. Ein Mensch mit Autismus braucht beispielsweise besondere Schutzräume, die wir schaffen. Bei körperlichen Behinderungen können wir die entsprechende Betreuung sowie die benötigten Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen. Wir gucken ganz genau, wer was braucht, um die Ausbildung zu absolvieren. Wir arbeiten sehr eng mit der Wirtschaft zusammen und wollen dies zukünftig auch mit den Universitäten und Hochschulen ausbauen. Davon versprechen wir uns, auch Studierende für das Thema Inklusion zu interessieren. In Kooperation mit dem BIBA, dem Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH – arbeitet der „Nordic CAMPUS“ an der Übertragung des Industrie-4.0-Gedankens in die Ausbildung. Zielsetzung dabei ist die fortlaufende Ausrichtung der Ausbildungsinhalte und Ausbildungsmethoden an den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen. Darauf bereiten wir unsere Auszubildenden vor und schaffen so die Voraussetzung für Inklusion in den Betrieben.
Nähere Infos: www.nordic-campus.de
Weihnachtsmarkt
Am Freitag, 2. Dezember (14 bis 18 Uhr) und Samstag, 3. Dezember (10 bis 15 Uhr). findet auf dem Nordic Campus ein Weihnachtsmarkt sowie ein „Tag der offenen Tür“ mit einem vielfältigen, gastronomischen Angebot, Show-Acts sowie dem Verkauf von weihnachtlichen Eigenprodukten statt.