Eine neue Leber für Nils
Bremerin Petra Hock setzt sich für das Thema Organspende ein / Erklärendenportal startet im März
Organspende, ja oder nein? Diese Frage steht oft erst dann im Raum, wenn persönliche Krankheiten oder Schicksalsschläge keinen Aufschub mehr dulden. Sich mit der eigenen Sterblichkeit zu befassen, fällt vielen Menschen schwer. Aktuelle Zahlen verdeutlichen dies: Derzeit warten etwa 8300 Bürger:innen in Deutschland und rund 70 in der Hansestadt Bremen auf eine lebensrettende Organspende, dem gegenüber stehen deutschlandweit jedoch nur 965 Menschen, denen vergangenes Jahr nach dem Tod Organe entnommen werden durften.
Dass das Schicksal unvermittelt zuschlägt, hat die Bremerin Petra Hock als junge Mutter erleben müssen. 2014 wird bei ihrem acht Wochen alten Sohn Nils eine schwere Leberzirrhose diagnostiziert, ausgelöst durch einen angeborenen Gendefekt. Erst einmal können die Ärzte aber nichts für ihn tun. Doch sein Zustand bessert sich und er bleibt stabil. “Damals war aber direkt klar, dass er irgendwann eine neue Leber braucht”, erzählt Hock.
Nils kommt deshalb bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Status “Inaktiv” auf die Liste der niederländischen Stiftung Eurotransplant, welche verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern ist.
Familie Hock versucht zunächst, das Leben so alltäglich wie möglich zu bestreiten. Doch 2016 erkrankt Nils an einem schweren Atemwegsinfekt und er wird mit akutem Organversagen ins Krankenhaus eingeliefert – nur eine neue Leber kann jetzt sein Leben retten. Eurotransplant setzt seinen Status auf “Aktiv”.
Und Nils hat großes Glück: Nach sechs bangen Wochen kommt endlich der ersehnte Anruf. Er erhält die Leber eines verstorbenen Kindes, damit ist sein Leben gerettet. Vier Wochen nach der Operation ist er bereits wieder zu Hause bei seinen Eltern und seiner Schwester, ihm geht es gut. “Ich hatte zwischendurch Zweifel, ob ich jetzt glücklich sein darf, dass andere Eltern ihr Kind verloren haben. Aber wir sind dankbar, dass Nils lebt”, sagt Hock.
Schon vor der Geburt ihres Sohnes habe sie selbst eine Organspendeausweis gehabt und sich darüber informiert. Hock findet die sogenannte Widerspruchslösung sinnvoll, derzufolge Menschen wie zum Beispiel in Spanien und in den Niederlanden aktiv der Organspende widersprechen müssen. Das Hauptproblem sieht sie jedoch in der mangelnden Information. “Aus eigener Erfahrung im Laufe der vergangenen Jahre weiß ich: Über Organspende wird viel zu wenig gesprochen”, sagt sie.
Vergangenes Jahr ließ sie sich deshalb ein besonderes Tattoo stechen – zum einen, um sich damit als potenzielle Organspenderin gleich erkennbar, zum anderen, um Betrachtende zum Gespräch anzuregen. Die Idee stammt vom Verein Junge Helden, mehr als 400 Tattoostudios in Deutschland, Österreich und der Schweiz machen bereits bei der Aktion mit.
Dass Unwissenheit über das Thema ein großes Problem sei, bestätigt auch die Organspendebeauftragte für Bremen und Bremerhaven, Sonja Schäfer: “Die häufigste Sorge ist, dass man nicht mehr entsprechend behandelt wird, sobald man seine Zustimmung zur Organspende gibt.” Dabei ist das höchste Ziel aller medizinischen Maßnahmen im Falle eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung, das Leben der Patient:innen zu retten. Zudem sei der Ablauf einer Organspende strengen Richtlinien der Bundesärztekammer unterworfen, zwei Fachärzt:innen müssten unabhängig voneinander den Tod feststellen. “Keine andere medizinische Diagnostik setzt eine so hohe Qualifikation voraus”, betont Schäfer.
Für die Ethikerin liegt der Schlüssel zur Aufklärung in Schulen, in Hausarztpraxen und vor allem bei den Transplantationsbeauftragten in den Kliniken, die die Patient:innen und Angehörigen für das Thema sensibilisieren und zur Seite stehen.
Doch ganz gleich, ob sich jemand für oder auch bewusst gegen eine Organspende entscheidet: Es gibt kein richtig oder falsch. “Wichtig ist, für sich überhaupt persönlich eine Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren.” Andernfalls müssen die Angehörigen in dieser Ausnahmesituation und unter Trauer auch noch bestimmen, ob die verstorbene Person Organe spendet. „Oft ist es dann ein Nein“, weiß Schäfer.
Ab dem 18. März können alle Bürger:innen ab 16 Jahren ihre Erklärung zur Organspende online abgeben. Allerdings: Zu ihrer Authentifizierung benötigen sie den elektronischen Identitätsnachweis, die sogenannte “eID-Funktion” ihres Personalausweises – “und die haben bislang nur rund zehn Prozent aller Deutschen”, bedauert Schäfer. Ein Organspendeausweis sei deshalb immer noch die beste Lösung.
Weitere Infos im Web unter www.organspende-register.de und unter www.organspende-info.de sowie zum Tattoo unter www.junge-helden.org.