„Offen bleiben für die Magie des Augenblicks“
Im Gespräch mit Pop- und Soulsänger Kelvin Jones
Kelvin Jones ist ein erfolgreicher Musiker, der durch das Internet bekannt wurde: Ein Freund postete seinen Song „Call You Home“ auf dem Portal Reddit, wo dieser binnen 24 Stunden über eine Million Mal aufgerufen wurde. Über Nacht folgten ihm Unmengen an Follower:innen und große internationale Plattenfirmen wollten Jones unter Vertrag nehmen. Im Oktober kommt der 28-jährige Pop- und Soulsänger nach Bremen. Wir sprachen mit ihm über seine besondere Art der Tourvorbereitung, das Reisen um die Welt und Musikeinflüsse.
Die Herbsttour zu Ihrem aktuellen Album „This Too Shall Last“ steht kurz bevor. Wie bereiten Sie sich vor?
Ich habe mir im Vorfeld die Shows vieler anderer Künstler:innen auf YouTube angeschaut. Das sah nach viel Arbeit aus und ich wollte einfach nur Musik spielen. Also habe ich mit meiner Band beschlossen, keine feststehende Setlist auf der Tour zu haben. Ich wollte die Abende abwarten und nicht immer das Gleiche spielen. So bleiben wir offen für die Magie des Augenblicks. Wenn die Leute im Publikum ein wenig betrunken sind, dann spielen wir schnelle, tanzbare Songs, und wenn sie ruhiger sein sollten, dann spielen wir Akustik (lacht). Auch Fehler dürfen passieren, aber man muss den Mut dazu haben.
Das neue Album hat einen ganz anderen Stil als das vorherige. Wie kam es zu dieser Wandlung?
Ich habe vor sechs Jahren eine Show gespielt und jemand meinte zu mir, dass er meine Shows liebt, vor allem meinen Stil als Singer-Songwriter. Zwei Monate später schrieb ich den Song „Only Thing We Know“ für die Band Alle Farben. Das war ein anderer Stil, mehr elektrisch und mit einem DJ zusammen. Ich hatte zuerst Angst, meine Art zu verändern, aber es hat tatsächlich sehr viel Spaß gemacht, diesen Song dann live zu spielen – alle haben getanzt. Da dachte ich: Diese Klangfarbe will ich als festen Bestandteil meiner Konzerte. Ich mag es, zu experimentieren. In einem Song habe ich sogar eine Sprachnachricht meiner Mutter an meinen Vater eingearbeitet, als kleines Geschenk an meinen Vater.
Sie sind in Simbabwe geboren, wohnen derzeit in London und Berlin: Hat dies Ihre Musik beeinflusst?
Absolut. Ich habe zwar im vergangenen Jahr viel Zeit in Berlin verbracht, war aber nie mehr als zehn Tage an einem Ort. Vor Kurzem saß ich abends in einer Bar und meine Gedanken gingen auf Weltreise. Spontan habe ich einen Flug nach Lagos, Nigeria, gebucht, kannte dort niemanden und wollte einfach die Menschen und ihre Musik kennenlernen. Musik ist essenziell in dem Leben der Nigerianer. Das Lebensgefühl der dort lebenden Menschen und ihre intensive Art zu Feiern habe ich mit zurückgebracht und lasse beides in meine Shows mit einfließen. Afrobeats werden auch ein Teil meines nächsten Albums sein. Weltweit gewinnt diese Art Musik immer mehr Fans, nur in Deutschland noch nicht so sehr.
Was glauben Sie, warum das so ist?
Es gibt meiner Meinung nach zwei Gründe: Wir haben in Deutschland keine große schwarze Community und die Verantwortlichen beim Radio bevorzugen die altbekannte Radiomusik, da passen Afrobeats nicht. Vielleicht braucht es einfach Zeit, um diese Musik lieben zu lernen. Junge Menschen sind eher für neue Genres aufgeschlossen und ich hoffe, ich kann Menschen damit in Zukunft auch begeistern.
Sie sind mit Nico Santos befreundet, der aus Bremen kommt. Haben Sie dadurch einen Bezug zur Hansestadt?
Ich war im letzten Jahr einmal im Schnoor, das war sehr schön und gemütlich und ich bin sogar in den verworrenen Gassen verloren gegangen (lacht). Diesmal möchte ich mehr Zeit investieren und die Stadt besser kennenlernen.
Das Interview führte Kristina Wiede
Mittwoch, 11. Oktober, Aladin Music Hall, 19 Uhr