„Ich bin meine eigene Aktie“
Michaela Schaffrath trifft Entertainer Helge Schneider
Die Schauspielerin ist seit mehr als 20 Jahren mit dem eigensinnigen Charakterkopf befreundet. Nach Helge Schneiders Auftritt in der Glocke traf sie ihn im Hofgarten des Atlantic Grand Hotels zum Plausch über Leben, Karriere und Kritiker.
Jazzmusik, Kabarett, Improvisation und Klamauk: Seit mehr als 40 Jahren begeistert Helge Schneider das Publikum mit seiner Vielseitigkeit. Mit seiner neuen Platte „Torero“, die im März erschienen ist, bringt er sich zurück ins Musikgeschehen. Bis Mai 2024 tourt der Multi-Instrumentalist mit dem dazugehörigen Bühnenprogramm „Der letzte Torero – Big L. A. Show“ durch den deutschsprachigen Raum. Michaela Schaffrath ist seit mehr als 20 Jahren mit dem eigensinnigen Charakterkopf befreundet. Nach Helge Schneiders Auftritt in der Glocke traf sie ihn im Hofgarten des Atlantic Grand Hotels zum Plausch über Leben, Karriere und Kritiker.
Moin Helge, schön, dass du wieder in Bremen bist. Du hast gestern Abend vor ausverkauftem Haus in der Glocke gespielt. Wie lief es mit dem Bremer Publikum?
Toll, ich fand es große klasse. Der Saal ist wirklich sehr schön und hat eine langjährige Geschichte. Aber nicht nur das, er hat auch eine hervorragende Akustik, wenn Leute drin sind. Man hat ein Gefühl von einem perfekten Zusammenklang zwischen dem Publikum und der Bühne. Man ist mittendrin und das ist toll.
Es ist nicht das erste Mal, dass du hier bist. Du bist regelmäßig in unserer Stadt zu Gast und spielst meistens sogar an zwei Abenden. Wie nutzt du die Zeit zwischen den Auftritten?
Meistens gehe ich spazieren. Ich laufe rum, schaue mir die Gegend und die Häuser an. Mir gefällt Bremen, die direkte Lage an der Weser. Besonders gerne gehe ich auf den Marktplatz beziehungsweise den Kirchhof, wo es die Buden mit den leckeren Würstchen gibt.
Kurz nach deinem Auftritt hast du mir erzählt, dass du vorher keine Zeit für Sightseeing hattest, da du dich den ganzen Tag in der Glocke um den Soundcheck gekümmert hast. Man sollte meinen, dafür hast du deine Leute?
Nein, ich mache immer noch vieles selbst, zusammen mit unserem Gitarristen Sandro Giampietro. Ich hatte jahrelang Leute dafür, war aber nie so wirklich zufrieden. Da bin ich sehr eigensinnig, was den Ton angeht oder wie beziehungsweise wo unsere Mikros stehen. Außerdem ist es gut, wenn man autark ist. Wenn es geht, machen wir alles analog. Und manchmal ist halt irgendwo der Wurm drin. Dann kann der Soundcheck schon mal von 12 bis abends 19 Uhr dauern und es bleibt nur eine kurze Pause, bevor es auf die Bühne geht.
Von deinem Gitarristen Sandro habe ich erfahren, dass die Band während des Konzerts immer ganz nah an dir dranbleiben muss, weil du jedes Mal spontane Entscheidungen triffst, die von der Set-Liste abweichen.
Ja, ich lasse mich immer tragen von dem Gesamtgefühl und davon, wie das Publikum drauf ist. Dann leg ich auch gerne schon mal eine Schippe drauf.
Deine Tourneen haben besondere Namen wie „Die Wiederkehr des blaugrünen Smaragdkäfers“ oder „Lass knacken, Oppa“. Wie bist du auf „Der letzte Torero – Die Big L. A. Show“ gekommen?
„Big L. A. Show“ habe ich aufs Schlagzeugfell geschrieben und das sah irgendwie gut aus. Dann habe ich noch ein Saxofon, eine Trompete und ein paar Noten hinzugefügt und die Show einfach so genannt. Bei „L. A. Show“ denkt man an Hollywood und das passt zu meinem aktuellen Programm.
Du hast ja sogar eine Showtreppe auf der Bühne, angeblich von Karel Gott, die du ihm auf der Autobahnraststätte abgekauft hast. Und die neuen Songs haben englische Titel.
Stimmt, aber ich singe natürlich auf Deutsch. Die englischen Titel sind einfach nur atmosphärisch. Gleichzeitig beinhaltet das auch eine gewisse Kritik an der heutigen Zeit. Mittlerweile kommt ja alles aus Amerika und unsere Kinder und Enkelkinder sitzen den ganzen Tag am Handy und singen englisch. Selbst einige deutsche Rapper rappen auf Englisch. Wenn ich meinen Kompositionen einen englischen Titel verpasse, der überhaupt nicht zu dem Lied passt, will ich konterkarieren. Heutzutage wird so vieles adaptiert, damit man dazugehört. Die Kinder haben unheimlichen Druck was Klamotten, Schuhe oder Handys angeht. Und dann müssen sie auch noch viel zu lange in der Schule sitzen. Eine halbe Stunde Unterricht am Tag müsste doch reichen und danach noch einen schönen „Dick & Doof“-Film in der Aula gucken.
Mir fällt gerade eine witzige Textzeile aus deinem Song „Garten- zaun“ ein, die da lautet: „Das ganze Geld mit Quatsch verdient.“ Würdest du sagen, das trifft auf deine Karriere zu?
Na ja, das ist natürlich etwas überzogen. Das hört sich so an, als wäre ich Millionär. Im Grunde genommen ist es so gemeint, wie die Leute denken: Der Kerl verdient mit Quatsch Geld. Das stimmt aber nicht. Ich verdiene mein Geld mit meiner Arbeit und die ist hart. Dazu kommt noch, dass mich Geld nie interessiert hat.
Also spielt Geld für dich keine Rolle?
Hat es von Anfang an nicht. Als ich mit 14 Jahren meinen ersten Job am Fließband angefangen habe, gab es 2,07 Mark oder so. Da dachte ich schon, das ist aber viel Geld, und das hat sich bis heute nicht geändert. Obwohl ich jetzt ganz gut verdiene, habe ich keine Ambitionen, das Geld für mich zu behalten. Das investiere ich lieber in Musikinstrumente. Ich bin kein Typ, der sein Geld anlegt. Das hasse ich. Ständig werde ich von den Bankern gefragt, ob ich mein Geld in Aktien anlegen möchte. Meine Antwort darauf lautet: Ich bin meine eigene Aktie. Und das ist auch gut so.
Du bist nicht nur ein begnadeter Jazzmusiker, sondern auch Kabarettist, Schriftsteller, Regisseur und Schauspieler. Gibt es ein Talent, auf das du besonders stolz bist?
Nun ja, da muss ich mal überlegen. Also Saxofon spielen ist auf jeden Fall ganz weit vorne.
Die Kritiker sind dir nicht immer wohlgesonnen. Wie gehst du damit um?
Das ist mir völlig Banane, das lasse ich nicht so an mich ran. Aber berechtigte Kritik habe ich immer höher bewertet als Lobhudeleien. Wenn zum Beispiel jemand geschrieben hat: „Sein Klavierspiel war eher mager“, bin ich der Sache auf den Grund gegangen und habe festgestellt, dass der Flügel nicht richtig gestimmt war. Ich bin nicht böse darüber, wenn jemand sowas schreibt, sondern ich nehme einfach beim nächsten Mal einen besseren Flügel mit.
Du wirst im August 68 Jahre alt. Hast du vor, bis ans Lebensende in die Tasten zu hauen?
Ja, habe ich. Ich bekomme zwar schon Rente, aber davon kann ich meine Miete nicht bezahlen.
Würdest du denn nicht mehr arbeiten, wenn du es nicht müsstest?
Doch, natürlich würde ich arbeiten. Ohne Arbeit kann ich mir mein Leben nicht vorstellen. Für mich gibt es diese Grenze mit der Rente nicht. Ich hatte ja den Vorzug, nicht zur Schule zu müssen, weil ich einfach nicht hingegangen bin. Und deshalb arbeite ich jetzt halt weiter (lacht).