Lars Eidinger rezitiert Bertolt Brechts „Hauspostille“
Dunkle Poesie in der Glocke
Der Charakterdarsteller Lars Eidinger hat ein besonderes Verhältnis zu Bertolt Brecht. Nachdem er den bedeutenden Dramatiker und Lyriker bereits in Joachim Langs Spielfilm „Brechts Dreigroschenfilm“ verkörperte, nimmt er sich jetzt Brechts Gedichtsammlung „Hauspostille“ lesend, singend und spielend zur Brust.
Die „Hauspostille“ ist eine Anspielung auf fromme Predigtsammlungen: „Bittgänge“, „Chroniken“ und „kleine Tagzeiten der Abgestorbenen“ – so lauten beispielsweise einige der Kapitelüberschriften. Gefallene werden in den Texten gefeiert, Abgründiges ans Licht gezerrt, es ist dunkle Poesie über rohe Gewalt: „Von Sonne krank und ganz von Regen zerfressen / Geraubten Lorbeer im zerrauften Haar/ Hat er seine ganze Jugend, nur nicht seine Träume vergessen/ Lange das Dach, nie den Himmel, der drüber war“.
Die „Hauspostille“ ist laut Eidinger aber auch Punk. Ein wilder Brecht arbeitet sich darin an den Rändern des Asozialen ab. Er feiert die Verfluchten und säuft mit den Geächteten. Seine dunkle Poesie weidet sich an der schaurigen Schönheit des Morbiden – ein Vorbild für Ikonen der Popkultur wie Iggy Pop, Nick Cave oder Tim Burton. Mordlust, Gier und rohe Gewalt, kurz alles Abgründige, Schmutzige, das die brave Elterngeneration verschämt hinter blütenweißen Gardinen versteckt, wird tabulos ans Licht gezerrt. Scheinheiligkeit wird lustvoll entlarvt. Lars Eidinger hat als Schauspieler ein Faible für Figuren, die etwas zu verbergen haben. Er nimmt einen tiefen Atemzug vom wilden Brecht und bringt dessen Lyrik auf die Bühne.
Hans-Jörn Brandenburg, der unter anderem bei Helmut Lachenmann in Hannover studierte und später für Frank Castorf, George Tabori und Robert Wilson Bühnenmusiken schrieb, begleitet Eidinger bei seinen Auftritten musikalisch, stilsicher wie kreativ mit der ganzen Palette der Tonfarben seiner Instrumente.
Donnerstag, 19. Dezember, 20 Uhr, Die Glocke