„Kein Kunstgenre ist vor mir sicher“
Bodo Wartke mit der klassischen Tragödie „König Ödipus“ in Delmenhorst
Die Bühne ist sein Zuhause und das Klavier seine bessere Hälfte: Mit Texten aus eigener Feder, Reimgesang und Humor überzeugt Bodo Wartke seit mehr als 25 Jahren sein Publikum. Dabei nähert sich der Klavierkabarettist mit rhythmischen Versen den Irrungen und Wirrungen des Alltags. Wir sprachen mit dem Künstler über seine zahlreichen Programme, die Rolle von Musik in aktuellen Zeiten und was er die kommenden Jahre geplant hat.
Derzeit sind Sie mit sechs verschiedenen Programmen unterwegs. Wie behält man da den Überblick?
Ich muss auf jeden Fall üben, um alles parat zu haben. Ich hatte das Glück, während der Pandemie viele Online-Konzerte zu spielen und habe dort die Menschen gefragt, welche Lieder sie gern hören wollen. Damit habe ich mein Repertoire frisch gehalten. Für Neues brauche ich aber Zeit. Ich bin manchmal selbst überrascht, wie viele Texte ich noch auswendig kann. Die habe ich scheinbar im Rückenmark abgespeichert (lacht).
In diesem Monat kommen Sie mit der klassischen Tragödie „König Ödipus“ nach Delmenhorst. Wieso fiel die Wahl auf diesen alten Stoff?
„König Ödipus“ ist ein Theaterstück, kein Klavierkabarett wie meine bisherigen Programme, aber ebenso reimintensiv und wortverspielt. Die Geschichte habe ich mir nicht ausgedacht, die ist 2500 Jahre alt. Ich wollte den alten Stoff leichter verständlich machen und den Leuten so präsentieren, wie ich ihn selbst gern gesehen hätte. Zu Schulzeiten dachte ich mir schon, wie spannend dieser Ödipus-Stoff ist, aber auch sehr komplex. Die Texte aus dem Altgriechischen sind anstrengend zu lesen und zu hören. Ich möchte selbst Spaß daran haben, nehme die Vorlage zwar sehr ernst, füge aber auch Komik, Wortwitz und viel Musik hinzu.
Das Ensemble bei Ihrer Inszenierung ist recht überschaubar …
Genau, denn ich spiele alle vierzehn Rollen selbst. Und eine Handpuppe ist dabei. Die Idee wurde aus der Not geboren: Früher wollte niemand bei dem Stück mitmachen, abgesehen von mir. Dann habe ich es einfach allein gemacht und alle Rollen übernommen. In meinem Online-Shop verkaufen wir auch DVDs von „König Ödipus“, meine Inszenierung wird mittlerweile im Deutschunterricht an Schulen gezeigt und nachgespielt.
Delmenhorst ist nur einen Steinwurf von Bremen entfernt. Haben Sie einen Bezug zu unserer Hansestadt?
Ich habe eine schöne Anekdote: Wir waren mit dem Programm „Swingende Notwendigkeit“ und großem Ensemble in Bremen. Da sang ich meinen Song „Liebeslied“, wie immer in mehreren Sprachen. Meine Kollegin Anita rief mich am Morgen des Auftritts an und war total heiser, da ging stimmlich gar nichts mehr. Sie hatte zum Glück die rettende Idee, an der Stelle, an der sie eine Strophe sonst auf Persisch sang, in Gebärdensprache zu performen. Das war ein magischer Moment, der auf ewig in meinem Gedächtnis bleiben wird.
Ihre Texte sind am Puls der Zeit und oft politisch. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Musiker in diesen Zeiten?
Ich kann mit Musik Dinge zur Sprache bringen und auch Erleichterung schaffen, damit man auf manches vielleicht anders schaut oder sich damit auseinandersetzt. Ich möchte den schlimmen Dingen eine schöne Form geben. Wenn es auch noch so deprimierende Themen sind, ich spreche sie auf besondere ästhetische Form an, in Reimform und auch witzig, denn Lachen ist erleichternd. Das Problem ist dann zwar nicht weg, aber man kann sich anders annähern. Letztendlich verschaffe ich mir damit auch selbst Erleichterung.
2021 feierten Sie Ihr 25-jähriges Bühnenbestehen. Was planen Sie für die kommenden 25 Jahre?
Ich arbeite an einem neuen Soloprogramm, das kommt Ende nächsten Jahres. Derzeit machen mir Zungenbrecher-Gedichte besonderen Spaß: Ich nehme bekannte Zungenbrecher und erweitere sie als Gedichte. Diese unterlege ich mit einem befreundeten Musiker mit Hip-Hop-Beats. Veröffentlicht werden diese Tracks dann über Social Media. Manche Hip-Hop-Fans meinen, ich alter Mann soll es lieber bleiben lassen und andere laden mich jetzt sogar zu Hip-Hop-Battles ein. Außerdem arbeite ich an einem Kindermusical über Jazz. Ich bin also noch lange nicht am Ende meiner Kreativität. Kein Kunstgenre ist vor mir sicher.
Samstag, 16. September, Delmenhorst (Kleines Haus), 20 Uhr