Der Tod als Ausstellungsobjekt: Zu Besuch im Gubener Plastinarium
Der Tod als Ausstellungsobjekt: Zu Besuch im Gubener Plastinarium
„Der Tod gehört dazu. Er hat nichts Befremdliches für mich, nichts Erschreckendes – im Gegenteil: Er ist wichtiger Teil des Lebens“, sagt Rurik von Hagens und öffnet die Glastür zur Präparationsabteilung im Gubener Plastinarium. Im Rahmen einer Presseführung gibt er Einblicke hinter die Kulissen. In der aufwendig restaurierten ehemaligen Tuchmacherei entstehen seit Mitte der 2000er-Jahre mithilfe modernster Techniken anatomische Lehrpräparate, darunter Ganzkörper- und Teilplastinate, transparente Körperscheiben, einzelne Organe und Blutgefäßkonfigurationen.
In monatelanger Handarbeit hergestellt, ermöglichen die fertigen Kunststoffplastinate einen umfassenden Einblick in die Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers, erläutern Organfunktionen sowie zivilisationsbedingte Erkrankungen und ihre Entstehung. Alle Präparate stammen dabei von freiwilligen Spender:innen, die ihren toten Körper nach dem Ableben der medizinischen Forschung vermacht haben. Doch der Weg bis zu einem fertigen Plastinat ist lang – und beginnt, mit einem Umweg, stets im brandenburgischen Guben.
Die Reise der Toten
Rurik von Hagens, Geschäftsführer der von Hagens Plastination.
Wenn ein:e Körperspender:in verstirbt, wird die Leiche von Mitarbeitenden des Plastinariums abgeholt und in das Institut für Plastination nach Heidelberg überführt, wo ihm Formalin injiziert wird, um den Verwesungsprozess zu stoppen. Das Formalin tötet Bakterien und verändert die Eiweißstrukturen des Gewebes – der Körper verwest nicht mehr und die anatomische Präparation, also das Freilegen anatomischer Strukturen wie Organe, Muskeln, Sehnen und Nerven, kann beginnen.
Zurück also in den Gubener Präparationssaal, wo uns Rurik von Hagens an einen der zahlreichen metallenen Operationstische führt. Hier werden von einer Mitarbeitenden gerade Haut und Unterhautfettgewebe eines Frauenbeins abpräpariert – kein Anblick für zarte Gemüter, aber der erste Schritt des Plastinationsprozesses. „Neben anatomischen Kenntnissen ist für unsere Arbeit vor allem Geschick und jede Menge Geduld notwendig“, erzählt uns der 44-Jährige. „Um einen ganzen Körper fertigzustellen, beansprucht es mitunter immerhin bis zu 800 Arbeitsstunden.“
Eine lange Zeit – wir selbst beschleunigen den Prozess und schauen uns schon jetzt die nächsten Schritte an: In einer klimatisierten Halle werden die Körper in einem -25 Grad kalten Azetonbad von Wasser und löslichem Fett befreit, anschließend in ein Bad aus flüssigem Silikon gelegt und unter Vakuum gesetzt. Das Vakuum saugt das Azeton aus dem Präparat heraus und erzeugt einen Unterdruck im Gewebe, der das Silikon bis in die letzten Zellen des Präparats eindringen lässt. Nach mehreren Wochen wird das Präparat aus dem Silikonbad genommen. Da es in diesem Zustand noch flexibel ist, kann der Körper nun in die gewünschte Pose gebracht und mithilfe von Nadeln, Drähten und Klammern korrekt positioniert werden. In einem letzten Schritt wird das Präparat durch ein spezielles Gas gehärtet. Das Plastinat ist fertig – und nach einem Fotoshooting bereit, zu Forschungszwecken oder für die „Körperwelten“ um die ganze Welt geschickt zu werden.
Bremer Ausstellung bis August geöffnet
Seit April können sich Bremer:innen viele der in Guben hergestellten Plastinate selbst anschauen: Die Ausstellung „Am Puls der Zeit“ zeigt den menschlichen Körper in seinen vielen Facetten und seiner Verwundbarkeit angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. „Viele unserer Körperspender:innen entscheiden sich erst nach dem Besuch einer Ausstellung, sich ebenfalls registrieren zu lassen. Momentan haben wir insgesamt knapp 20.000 Spender:innen – und dazu jede Menge Leichen im Keller!“, verrät von Hagens.
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