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4. Dezember 2024

50 Jahre MUMMENSCHANZ

Wortlose Kunst: Gründungsmitglied Floriana Frassetto über den Erfolg der Theatergruppe

Seit der Gründung 1972 in Paris steht das Projekt kulturübergreifend und sprachlich unabhängig für zeitgenössisches Maskentheater. In diesem Jahr begibt sich die Schweizer Formation unter dem Motto „50 Years“ auf große Jubiläumstournee, die sie auch ins Bremer Metropol Theater führt. Wir sprachen mit Gründungsmitglied Floriana Frassetto über den Erfolg der wortlosen Kunst.

Seit der Gründung 1972 in Paris steht das Projekt kulturübergreifend und sprachlich unabhängig für zeitgenössisches Maskentheater. In diesem Jahr begibt sich die Schweizer Formation unter dem Motto „50 Years“ auf große Jubiläumstournee, die sie auch ins Bremer Metropol Theater führt. Wir sprachen mit Gründungsmitglied Floriana Frassetto über den Erfolg der wortlosen Kunst.

Seit 50 Jahren begeistert MUMMENSCHANZ die Theaterwelt und das Publikum rund um den Erdball. Seit der Gründung 1972 in Paris steht das Projekt kulturübergreifend und sprachlich unabhängig für zeitgenössisches Maskentheater. Allein mit Masken und fantasievollen Figuren vor schwarzem Hintergrund, eroberten die drei Gründer:innen Floriana Frassetto, Andres Bossard und Bernie Schürch die Theaterbühnen, gastierten am Broadway und prägten nachhaltig die Kulturszene. Das Besondere: „Mummenschanz“ setzt ganz auf die stille Kunst und verzichtet sowohl auf Dialoge als auch auf Musik. In diesem Jahr begibt sich die Schweizer Formation unter dem Motto „50 Years“ auf große Jubiläumstournee. Anlässlich der Auftritte im Bremer Metropol Theater sprachen wir im Vorfeld mit Floriana Frassetto, die dem Projekt als einziges der drei Gründungsmitglieder erhalten geblieben ist, über den Erfolg von MUMMENSCHANZ die Chance der wortlosen Kunst und über bekannte Figuren.

Eine „Mummenschanze“ aus Leidenschaft: Floriana Frassetto.

Frau Frassetto, die wenigsten Menschen können von sich behaupten etwas seit 50 Jahren zu tun. Hätten Sie jemals gedacht, dass MUMMENSCHANZ auch fünf Jahrzehnte nach Gründung noch so großer Bestandteil Ihres Lebens sein würde?

Im Gegenteil, wir dachten, dass wir uns keine drei Wochen halten werden (lacht). Tja, und hier sind wir, oder besser gesagt, hier bin ich. Andres ist vor 30 Jahren verstorben und Bernie vor zwölf Jahren in den Ruhestand gegangen. Ich brenne nach wie vor für diese Arbeit, die mir einfach so viel gibt. Mein Eindruck ist, dass Menschen, gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Kommunikation und das Miteinander vor allem durch digitale Medien geprägt ist, etwas wie MUMMENSCHANZ gut gebrauchen können. Etwas, in dem es um pure Emotion und pure Spielfreude geht.

Wer an Theater denkt, denkt in der Regel an Dialoge, gesprochene Sprache, vielleicht auch an Musik. Wieso verzichten Sie mit MUMMENSCHANZ bewusst auf diese Dinge?

Wir wollten uns dadurch die größtmögliche Freiheit erhalten. Das Publikum sollte quasi unser Orchesterdirigent werden, während wir auf der Bühne die Instrumente verkörpern. Zuschauerinnen und Zuschauer geben uns in unseren Shows ihren ganz eigenen Rhythmus vor. Ich bezeichne diesen Rhythmus gerne als Musik der Stille, denn interessanterweise werde ich nach unseren Auftritten manchmal gefragt, welche Musik sie während der Aufführung gehört haben. Die Antwort ist: Es gibt keine Musik, es geht einzig und allein um die Vorstellungskraft.

Die Erfolgsgeschichte von MUMMENSCHANZ basiert auf einigen Meilensteinen, aber auch herausfordernden Momenten und Zeiten. Welche Erlebnisse würden Sie rückblickend als ausschlaggebend für den Erfolg des Projektes benennen?

Definitiv als wir zum ersten Mal am Broadway spielen durften. In den ersten Wochen interessierte sich nahezu niemand für uns und wir füllten die Zuschauerplätze mit Freunden, Freunden der Freunde und mit den Cousinen und Cousins der Freunde von Freunden (lacht). Und als dann die positiven Kritiken erschienen, änderte sich das von einem Tag auf den anderen und wir spielten drei Jahre vor vollen Zuschauerreihen – typisch amerikanisch.

Floriana Frassetto gemeinsam mit ihren ehemaligen Kollegen Andres Bossard und Bernie Schürch.

Und wie fühlt es sich an, am Broadway aufzutreten?

Grundsätzlich trete ich überall gerne auf, auch in kleinen Städten. Der Broadway ist zu einer Money Machine geworden und zu einem sehr teuren Unterfangen. Wir sind auf den Ruf des Broadways Gott sei Dank nicht mehr angewiesen. Alles, was wir brauchen, ist ein gutes und aufgeschlossenes Publikum.

Und wie sieht so ein gutes Publikum aus?

Nun, als wir das letzte Mal am Broadway gespielt haben, saßen sehr viele Kinder im Publikum. Mir ist es jedoch wichtig zu sagen, dass wir für Kinder natürlich geeignet sind, uns aber nicht nur an sie richten. Wir haben viele Sketche und jeder erzählt eine eigene Geschichte, die bei jedem und jeder unterschiedlich ankommt. Ein Kind hat beispielsweise natürlich eine andere Vorstellungskraft als ein Familienvater. Ich sage immer, der ideale Zuschauer ist zwischen sechs und hundert Jahre alt (lacht).

Sie sind jetzt 72 Jahre alt und stehen immer noch regelmäßig selbst auf der Bühne.

Richtig, für mich ist das nach wie vor das Größte. Wissen Sie, Rechnungen zu bezahlen, Kostüme instand zu halten und auf harten Hotelkissen zu schlafen, das sind die ermüdenden Seiten dieses Lebens. Aber die Momente, in denen wir die Bühne betreten und in den Austausch mit unserem Publikum gehen, sind einfach wundervoll. Ich hoffe, ich kann noch zumindest zehn Jahre so weitermachen.

Also haben Sie nie ans Aufhören gedacht?

Nein, absolut nicht.

Im Laufe der Jahre habe Sie viele bekannte MUMMENSCHANZ- Figuren mitentwickelt. Wo und wie finden Sie Inspiration?

Überall. Es kann die Natur sein, wie etwa bei einem Spaziergang im Park, ein Bild im Museum, gute und schlechte Nachrichten, die uns tagtäglich erreichen, aber auch ein Traum. Entscheidend ist wachsam zu sein und mögliche Inspirationsquellen als solche zu erkennen.

Haben Sie eine Lieblingsfigur?

Nein, ich mag sie alle. An einem Abend gefällt mir der grüne Mund besonders gut, an einem anderen würde ich mich für die Röhren entscheiden. Ich kann sagen, dass ich eine echte Hassliebe zu allen Kostümen habe. Wenn ich sie wieder einmal reparieren muss, denke ich mir manchmal: Warum musstest du kaputtgehen? (lacht)

Worum geht es in der Jubiläumsshow, ist es ein Rückblick oder gibt es auch neue Elemente?

Sowohl als auch. Wir beginnen die Show mit neuen Sketchen, die wir in Coronazeiten gemeinsam entwickelt haben. Dann taucht auf der Bühne ein Boot auf, das in einen Sturm gerät. Von dieser Szene ausgehend, starten wir unseren Rückblick in Form eines Best-of: der grüne Mund, der „Slinkyman“ oder der Ballon, der mit dem Publikum spielt. Es ist wirklich lustig zu sehen, wie in Anzug gekleidete erwachsene Männer, begeistert die Arme hochreißen, wenn sich ein Ballon auf sie zubewegt. Der Klopapier-Sketch ist natürlich auch dabei, genauso wie viele weitere beliebte Elemente vergangener Shows. Besonders am Herzen liegt mir der „Clay“, den wir uns bis zum Schluss der Show aufheben. Es war der erste Sketch, den Andres und Bernie Anfang der 70er-Jahre entwickelt haben, um mit dieser Art von Kunst Geld zu verdienen. Es ist ein hochkomplexer Sketch, der sehr viel Übung und viele Stunden der Probe erfordert. Ich bin sehr froh, dass wir ihn zurück auf die Bühne bringen können, und freue mich wahnsinnig auf unsere Auftritte in Bremen.

Info und Tickets

Die Gruppe „Mummenschanz“ gastiert am Freitag, 14. April, 20 Uhr sowie am Samstag, 15. April, 15 Uhr im Metropol Theater. Tickets gibt es hier.

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