„Wir wollen die Musikschaffenden hier halten“
Pop Office: Vorständin Andrea Rothaug über Bremens neue Förderinstitution für Popularmusik
Eine zentrale Anlaufstelle für Künstlerinnen und Künstler sowie weitere Akteurinnen und Akteure der Musikwirtschaft: Diese Aufgabe nimmt ab sofort das neue Pop Office Bremen wahr.
Im November 2020 vom Senat beschlossen, wurde am 25. April offiziell der Start des Projektes der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, Kristina Vogt, verkündet. Musikerinnen und Musiker sowie Unternehmen der Musikwirtschaft auf dem Weg zur Professionalisierung zu unterstützen und die Akteure miteinander zu vernetzen, sind dabei nur zwei von mehreren definierten Zielen. Andrea Rothaug wurde mit der Erstellung eines Konzeptes und der strategischen Entwicklung des neuen Projektes beauftragt. Als Geschäftsführerin des Hamburger Pendants RockCity Hamburg, als Initiatorin und Vorständin des Dachverbandes Music Women* Germany sowie als langjährige ehemalige Präsidentin des Bundesverbandes für Popularmusik bringt sie zahlreiche Erfahrungen mit und weiß genau, mit welchen Hürden Vertreter:innen der Musikbranche sich konfrontiert sehen. Für die Realisierung des Pop Office stellt die Bremer Wirtschaftsbehörde zunächst jeweils 150.000 Euro für die Jahre 2022 und 2023 bereit.
Die „Initiative Musik“ hat laut Andrea Rothaug zudem eine Projekthilfe in Höhe von 50.000 Euro bewilligt. Im Interview berichtet sie in ihrer Funktion als Bremens neue Beauftragte für Musik und Popkultur über die Pläne des Pop Office Bremen, über Erfahrungen in anderen Bundesländern und verdeutlicht, warum der Bedarf für eine solche Institution in Bremen da ist.
Frau Rothaug, was ist das Pop Office und an wen richtet es sich?
Das Pop Office Bremen ist eine Pop-Förderinstitution und bietet als sogenanntes Kompetenzzentrum für Musik unterschiedliche Hilfsmaßnahmen und Förderprogramme für Musikschaffende, wie Musiker:innen, DJs, Bands, aber auch Unternehmende. Das Pop Office soll zukünftig eine Brücke zwischen musikalischer Idee und Musikmarkt sein und will dabei helfen, musikalische Produkte sinnvoll zu entwickeln, am Markt zu platzieren, Existenzgründenden Beratung zu geben und dadurch Sichtbarkeit, Vernetzung und Qualifikation zu erhalten. Fragen zum Musikbusiness finden hier ihre Antwort, egal, ob es darum geht, das eigene Produkt zu bewerben, Förderanträge zu stellen oder sich beispielsweise bei der GEMA anzumelden. Wer Musik macht, produziert und vertreibt und damit Einkommen erwirtschaften will, sieht sich mit all diesen Themen konfrontiert und kann sich damit zukünftig an uns wenden.
Also laufen im Pop Office die Fäden zusammen, wenn es darum geht, durch musikalische Tätigkeiten sein Einkommen zu erwirtschaften?
Genau, es geht um Professionalisierung, aber auch darum, Anlaufstelle zu sein, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und Kontakte zu vermitteln. Ich bin mir sicher, dass es viele Akteur:innen gibt, die sich noch gar nicht als Teil der Branche verstehen, und es doch sind. Hier wollen wir Vernetzung schaffen und Knowhow. In Bremen hat die Musikbranche mitunter zarte Strukturen, die gilt es nun zu stärken und auszubauen. Gemeinsam mit den vorhandenen Institutionen starten wir zum Beispiel mit Popstipendien für den Nachwuchsbereich, es folgen ein digitaler Beratungspool, Mikroförderungen sowie Vernetzungstreffen für Young Professionals. In der Schildstraße gegenüber vom Theaterkontor haben wir einen fantastischen Ort für unsere zukünftigen Vorhaben gefunden, jetzt geht es gerade darum, den Laden in Betrieb zu nehmen, Anträge zu stellen und die Infrastruktur aufzubauen. Danach kommen die Stellenausschreibungen. Wir haben noch viel zu tun, bis wir richtig loslegen können!
Wo liegen die Grenzen Ihrer Arbeit?
Die Grenzen der Reichweite und Wirkungskraft sind eng an die Verfügbarkeit von Personal und Sachmitteln gekoppelt. Eine häufige Erwartung ist aber, dass eine Beratung reicht, um zu wissen, wie es geht. Das ist leider ein Irrtum. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe, und nur gemeinsam mit dem schlagkräftigen Netzwerk vor Ort, ist das auch zu schaffen.
Der Name Pop Office erweckt den Eindruck, als hätte Ihre Arbeit musikalisch einen klaren Fokus. Geht es tatsächlich gezielt um Popmusik oder spielen Genreschubladen keine Rollen?
Genregrenzen spielen insofern eine Rolle, da sich die Arbeit des Pop Office Bremen auf die Popularmusik beschränkt. Das bedeutet, alles, was nicht eindeutig Klassik, Jazz und Neue Musik zuzuordnen ist, gehört in diesen Bereich.
Gibt es weitere Kriterien, die Interessierte erfüllen müssen, um Unterstützung durch das Pop Office zu erfahren?
Im Pop Office geht es ganz klar um die Professionalisierung der freien Szene, der Musikbranche und ihrer Akteur:innen. Jene, die Musik gern als Hobby betreiben, aber damit gar nicht unbedingt Geld verdienen möchten, sind nicht unsere Zielgruppe, dürfen aber trotzdem an Maßnahmen teilnehmen, so sie infrage kommen. Und als Verein sind wir auf Mitglieder angewiesen und freuen uns über jede Unterstützung. Der Mitgliedsantrag wird alsbald auf unserer Website zu finden sein.
Sind die Leistungen, die Sie anbieten, kostenpflichtig?
Das ist unterschiedlich. Es wird Leistungen geben, die kostenpflichtig sind, um keine Wettbewerbsverzerrung mit Anbietern zu schaffen, die offen und frei am Markt agieren. Was wir zum Beispiel kostenfrei anbieten werden sind Vertragsprüfungen, Orientierungsberatung und MeetUps. Coachings, Weiterbildungsmaßnahmen, Showcases dagegen sind nicht gratis.
Inwieweit sehen Sie in Bremen Bedarf für eine Institution wie das Pop Office?
Der Bedarf war bereits vor meinem Antritt in Bremen groß. Mit Musikszene Bremen, Clubverstärker oder RockCyclus in Bremerhaven gibt es bereits sehr wichtige Akteure im Bundesland. Woran es gefehlt hat, war ein musikwirtschaftlich ausgerichtetes Pop-Förderbüro, das sich um eine Strukturentwicklung von Popularmusik kümmert. Wir beobachten, dass Musikschaffende aus Bremen und Bremerhaven an einem bestimmten Punkt in andere Bundesländer abwandern oder aufhören, professionell Musik zu machen. Der Beruf der Musikprofis ist anstrengend, kostenintensiv und braucht zeitliche Investition. Das Fenster, das sich zum Einstieg in den Markt anbietet, ist bei vielen Menschen also nicht besonders groß, weil die entsprechenden Strukturen und Netzwerke fehlen, die auch finanziellen Support bieten. Wir wollen die Musikschaffenden hier halten und genau diesen Entwicklungen entgegenwirken.
In anderen Bundesländern gibt es bereits vergleichbare Institutionen. Inwieweit ist es für Sie wichtig, welche Erfahrungen in anderen Städten gemacht wurden?
Ich würde sagen, dass ich deshalb nach Bremen geholt wurde, weil ich bereits Erfahrungen in anderen Städten gesammelt und mehrere Schnittstellen gegründet hatte. Als langjährige Aktivistin habe ich dabei Einblicke in die Aktivitäten der einzelnen Länder erhalten und genau hier setzen wir an: Sichten, testen, verwerfen oder adaptieren, neu erfinden, oder auch den Gegebenheiten vor Ort anpassen.
Eine Ihrer Aufgaben bestand darin, ein Konzept für das Pop Office zu entwickeln. Inwieweit hat die Interaktion mit Vertretern der hiesigen Musikwirtschaft dabei eine Rolle gespielt?
Die Interaktion mit den bremischen Akteur:innen war für mich äußerst wichtig und macht großen Spaß. Es war wichtig, viele unterschiedliche Meinungen und Bedarfe einzuholen. Es war auch wichtig, ungehörten Menschen Gehör zu verschaffen. Menschen zu aktivieren und zu begeistern, aber auch Verantwortung zu teilen. Zudem ging es darum abzufragen, was sich diese Leute von einem Modellprojekt wie dem Pop Office wünschen. So habe ich mich im Laufe der Zeit mit gut 100 Personen getroffen, darunter Musiker:innen, DJs, Labels, Booker, Produzierende, Veranstaltende, Studiobetreibende und natürlich Mitarbeitende aus Institutionen und Verbänden.
Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit dem Pop Office?
Was uns besonders wichtig ist, sind Vernetzung, Qualifikation, Präsenz der Branche, sowie Bündelung, also die richtigen Leute zusammenzubringen und einen Weg zu finden, ihre schwere Arbeit leichter zu machen. Wenn wir es schaffen, dass mehr Menschen in Bremen erfolgreich Musik machen, dass Unternehmende der Branche hierbleiben oder sogar herkommen und dass Musik als Beruf, gerade nach Corona, wieder attraktiv wird, haben wir viel erreicht. Die Branche braucht überdies mehr Diversität, mehr Nachwuchs, Kooperationen mit benachbarten Branchen, aber auch mehr Technologieerfahrung, Inklusivität und allgemeinen Support. Diese Ziele zunächst zu fokussieren und nach und nach umzusetzen, das würde mich sehr glücklich machen!