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Foto: Radio Bremen/ Josephine Gotzes
#Bremer Köpfe
27. September 2023

„Wir lassen Bremen erzählen!“

„Eine Stunde reden“ / Bei Bremen-Zwei-Podcasthost Mario Neumann kommen alle 14 Tage Zufallsbegegnungen aus Bremen und umzu zu Wort, die ihm die Geschichte(n) ihres Lebens erzählen.

„Eine Stunde reden“ / Bei Bremen-Zwei-Podcasthost Mario Neumann kommen alle 14 Tage Zufallsbegegnungen aus Bremen und umzu zu Wort, die ihm die Geschichte(n) ihres Lebens erzählen.

Ein Podcast ohne Promis, ohne Promo, ohne große Namen. Das Konzept von Bremen-Zwei-Redakteurin Nicole Ritterbusch klingt zunächst ungewöhnlich. Aber es geht auf – denn sie und Podcasthost Mario Neumann sind überzeugt, dass jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen hat. Alle zwei Wochen stellt sich der Reporter deshalb mit seinem Schild „Eine Stunde reden?“ auf eine Straße irgendwo in Bremen und wartet – bis er jemanden gefunden hat, der 60 Minuten mit ihm über die kleinen und die großen Fragen des Lebens sprechen will. Es geht um Erfolg und Scheitern, um verpasste und gelebte Träume, um eine turbulente Jugend oder die große Liebe – kurz, um echte Geschichten aus Bremen und umzu. Im Gespräch verraten die beiden, wem sie mit ihrem Podcast eine Stimme geben und warum ihr Konzept im Radio ganz besonders gut funktioniert.

Wie sind die „Gespräche mit Unbekannten“ entstanden und warum im Radio?

Ritterbusch: Ich liebe das Spontane und das Einfach-mal-machen und bin überzeugt davon, dass jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen hat. Diese in Bremen zu finden, war und ist die Idee meines Konzepts – wir nehmen uns Zeit zum Zuhören und geben Raum zum Erzählen.
Also haben wir irgendwann Mario mit unserem selbst gebastelten Schild auf den Marktplatz geschickt, um zu schauen, was passiert. Wollen Menschen überhaupt reden? Und auch: Wollen andere die Einblicke in unbekannte Lebensgeschichten hören? Schnell stellte sich heraus: Sie wollen!

Neumann: Ich finde Menschen an sich einfach faszinierend, doch die wirklich gesellschaftsrelevanten Geschichten sind oft versteckt und finden wenig Platz in den Nachrichten. Wir wollen diese herauskitzeln und den Menschen aus unserer Mitte eine Stimme geben. Was treibt sie um, welche Sorgen, Ängste oder Freuden haben sie? Es geht in der Sendung nicht um Voyeurismus, sondern darum, zu teilen und das Miteinander begreifbar zu machen. Das Radio hat anderen Medien dabei viel voraus, denn die Intimität des Gesprächs wird rein akustisch vermittelt, es gibt keine störenden oder ablenkenden visuellen Faktoren. Das merken sowohl meine Gesprächspartner:innen als auch die Hörer:innen. Sie können einfach mal erzählen oder einfach mal zuhören. Unser Format ist ja auch nie auserzählt, jede Folge birgt etwas Neues.

Wie bereiten Sie sich auf die Gäste vor?

Neumann: Wenn ich mit meinem Schild losziehe, möchte ich neugierig und vorurteilslos unterwegs sein und offen für die Geschichten und die Schicksale, die kommen. Nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern mein Gast, das ist die Essenz unserer Sendung. Die Herausforderung liegt für mich darin, das Steuer abzugeben und mich einzulassen auf die individuelle Perspektive. Ich weiß vorher nie, was auf mich zukommen wird. Auf dieses Unbekannte und Spontane zu reagieren ist das Anspruchsvolle an unserem facettenreichen Format. Während des Gesprächs landen wir oft bei persönlichen Lebensgeschichten. Das erfordert Mut seitens der Gäste – und viel Vertrauen in mich. Als Host ist es meine Aufgabe, mit Fingerspitzengefühl für die Gäste da zu sein und sie, das ist ganz wichtig, auch mal schweigen zu lassen.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie selbst aus den Gesprächen heraus?

Neumann: Ich spreche mit Menschen, deren Lebensweg oft wirklich sehr holprig verlaufen ist und die oft tragische Schicksale zu tragen haben. Es geht um Trauer, Tod oder Tabuthemen wie Missbrauch, Mobbing und Depressionen. Das macht das Zuhören unglaublich hart, die Geschichten tun auch mir weh und sind schwer auszuhalten. Nach den Aufzeichnungen bin ich deshalb oft platt und emotional verausgabt. Aber auch glücklich und dankbar, dass mir meine Gäste ihr Vertrauen geschenkt und mich an ihrem Leben haben teilhaben lassen. Denn trotz allem hören ich und wir ja auch viele schöne Geschichte voller Hoffnung, Lebensfreude und Zukunftspläne.

Was bleibt von einem Menschen, den man eine Stunde lang kennengelernt hat?

Neumann: „Eine ganze Stunde nur für mich? Warum wollt ihr das hören?“, das höre ich tatsächlich häufig. Es ist herzerwärmend, wie sich die Gäste mir anvertrauen, wie sie ihre Lebensgeschichte erzählen und damit auch anderen Mut machen. Eine Frau hat es mal toll formuliert, als sie mir sagte, ich strahle eine solche Ruhe aus, die es ihr leicht mache, sich endlich mal alles von der Seele reden zu können. Die Bindung, die bei diesen Gesprächen entsteht, bleibt oft bestehen. Ich schätze mich glücklich, so viele spannende Persönlichkeiten während unserer preisgekrönten Podcast-Reise schon kennengelernt zu haben.

Das Interview führte Svenja Conrad.

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