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Foto: Matthias Höllings
#Kolumne – Matthias Höllings
27. Juli 2024

Wenn die Stadthalle erzählen könnte …

Matthias Höllings beleuchtet in diesem Monat Hintergründe und skurrile Anekdoten aus der Bremer Stadthalle.

Matthias Höllings beleuchtet in diesem Monat Hintergründe und skurrile Anekdoten aus der Bremer Stadthalle.

Tja, was würde das Gebäude erzählen? Dass der Bau eine schwere Geburt war und es laut Gutachten (1958) aus Kostengründen niemand haben wollte? Zwei Jahre später wurden für das zukünftige Sorgenkind 16 Millionen Mark veranschlagt und man fing an zu bauen. Bei der Eröffnung, die auf den 31. Oktober 1964 fiel, gratulierte dann unter anderem nur Bremens Bürgermeister Wilhelm Kaisen zum „Wunder von Bremen“. Zwischen Hamburg und Holland stand da plötzlich die einzige Großhalle für Sport, Musik, Messen und Unterhaltung. Okay, sie hatte jetzt 30 Millionen verschlungen – aber Schwamm drüber.

Und was war da sonst so los? Sammy Davis, Jr. kam zum Beispiel per Flieger aus den USA, vergaß jedoch bei der Ankunft auf der Bürgerweide sein gesamtes Gepäck im Taxi, das dann gute eineinhalb Stunden gesucht werden musste. Bei Harry Belafonte stand in einer fünfseitigen Bühnenanweisung, man möge ihm die Blumen am Ende seines Konzerts doch bitte möglichst von einer blonden Dame überreichen lassen. Udo Jürgens hatte Pech bei einem Auftritt, als seine Ehefrau verärgert ihren Sitzplatz in der ersten Reihe verließ, da sie bemerkt hatte, dass Udos Becher auf dem Konzertflügel doch keinen Kamillentee enthielt, sondern Hochprozentiges. Bei einem anderen seiner Konzerte konnten Besucher für einen gehörigen Aufschlag auf den Ticketpreis die Berechtigung erwerben, nach dem Konzert mit Udo (verschwitzt im weißen Bademantel) hinter der Bühne mit ihm anzustoßen – wieder ohne Tee.

Der Bremer Jung James (Hansi) Last war einer der erste Künstler, der es schaffte, wegen der großen Kartennachfrage an einem Tag sowohl ab 16 als auch ab 20 Uhr aufzutreten. Beide Male folgte Non-stop-dancing pur. Seinetwegen legte Jahre später eine Fanfamilie aus Neuseeland ihren Jahresurlaub so, dass sie James Last in seiner Heimatstadt bei einem Konzert besuchen konnte.

Als der Meister davon erfuhr, lud er die gesamte Familie spontan zu sich in die Garderobe ein. Udo Lindenberg sorgte mit seiner „Drönland-Rock-Revue“ bei seiner Deutschlandpremiere in Bremen nicht nur für viel Aufsehen, sondern auch für eine volle Halle. Revue-Regie führte damals kein Geringer als Theaterintendant Peter Zadek, die Choreografie übernahm Pantomime Sammy Molcho, der weltweit als Spezialist für Körpersprache gilt.

Mick Jagger spielte mit seinen Stones 1967 noch in der Beck’s-Kurve des „6-Tage-Rennens“, die man in den ersten Jahren einfach stehen ließ und nicht mal abdeckte. Als die Rolling Stones 1976 erneut in der Halle gastierten, war die Kurve dann aber weg und der Sänger trug sich mit „Love – Mick Jagger“ ins Gästebuch ein. Sogar Franz Josef Strauß (CSU) traute sich in die Hansestadt Bremen und mutierte bei seinem Wahlkampfauftritt in der Stadthalle zum Superstar. In einer zweieinhalbstündigen Rede zog er mit brillianter Rhetorik nicht nur seine Anhänger in seinen Bann. In den Anfangstagen der Halle wurden beim „Bremer-Hallen-Reit-und Springturnier“ aus Platznot (die Hallen 3 und 4 gab es noch nicht) etliche Pferde im benachbarten Schlachthof untergebracht. Da jedoch in einem Uraltgesetz ein Veterinärparagraf besagte: „Tiere, die in den Bremer Schlachthof verbracht werden, dürfen diesen nicht mehr lebend verlassen“, hatten die Vierbeiner der gesamten Dressur-Nationalmannschaft plötzlich ein Problem. Man behalf sich spontan mit einer Nutzungsänderung des Schlachthofes – so bürokratisch unbürokratisch kann es gehen. Apropos Pferde in der Stadthalle: Ende 1977 wählten die Bremer Sportjournalist:innen ein Pferd namens Sumuru zum „Sportler des Jahres“.

Rund ein halbes Jahr vorher war das Tier aus dem Gestüt des Bremer Kaffee-Kaufmanns Walther J. Jacobs bei einem Hamburger Derby der gesamten Konkurrenz davongaloppiert. Und damit Sumuru bei der Ehrung in der vollbesetzten Halle nicht auf dem glatten Boden ausrutschte, zog man ihm passende Filzlatschen an. Das Publikum bat man um absolute Ruhe und darum, nicht mit Blitzlicht zu fotografieren. Als man Sumuru dann bei der Ehrung einen Korb mit frischen Karotten hinhielt, war es mucksmäuschenstill in der Arena. Beim Ausritt aus der Halle brandete dann tosender Applaus auf.

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