Weihnachtswunschzettel
In diesem Monat widmet sich unser Kolumnist Dirk Böhling den Tipps und Tricks von Babyboomer-Kindern, wie sie an ihre Wunschgeschenke kamen.
Eigentlich hat sich gar nicht so viel geändert. Spätestens im letzten Kalendermonat des Jahres entdecken viele Kinder den Postweg für sich, weil es höchste Zeit wird, dem einen oder anderen Adressaten etwaige Wünsche mitzuteilen. Das können Großeltern, Eltern, jedes andere Familienmitglied, aber auch das Christkind oder der Weihnachtsmann sein. Bei Letzteren empfehlen sich Schönschrift und Rand sowie eine möglichst detaillierte Beschreibung des Objekts, damit auch nichts Falsches unter dem Tannenbaum landet.
Baby-Boomer-Kinder benutzten dafür noch eine Schere und eine Tube Klebstoff. Nachdem vorher akribisch Illustriertenwerbung, Beilagen in Tageszeitungen und die Spielzeugseiten von Otto, Baader und Quelle durchforstet worden waren, konnte es losgehen. Das Gewünschte wurde ausgeschnitten, entsprechend beschriftet und dann möglichst unfallfrei auf den Wunschzettel geklebt. Dabei konnte man sich derart in Rage kleben, dass man am Ende einen eigenen kleinen Katalog vor sich hatte. Die wurden dann gegenseitig bewundert, bevor wir sie abgaben oder verschickten.
Es war schon interessant, was die anderen sich so wünschten:
Bonanzarad und Ritterburg, Zaubertafel und Barbiepuppe, Fort Laramie mit Cowboys und Indianern, Kinderpost und Fischertechnik, Matchboxautos und Klick-Klack-Kugeln und natürlich auch die Klassiker, wie Einkaufsladen, Autoquartett und die unvermeidliche Carrerabahn. Gerne wurden diese Wunschlisten auch in Kategorien wie A bis C oder 1 bis 3 eingeteilt, um die Dringlichkeit des Wunsches einzuordnen.
Meistens ergab sich dieses Tannenbaum-Ranking schon durch die Reihenfolge oder handschriftliche Hinweise wie: „Wenn der Weihnachtsmann dann noch Platz in seinem Sack hat, könnte vielleicht noch dies oder das hineinpassen. Deine Heike.“
Der Brückenschlag zu den heutigen Wunschzetteln ist übrigens gar nicht so schwer: Wie fast alles hat sich zwar auch dieses lieb gewonnene Ritual vielerorts digitalisiert, aber die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit der Kleinen ist dieselbe geblieben. Auch heute werden für die Bescherung Listen ausgegeben, nur eben ohne Schere und Klebstoff. Sie erreichen ihre Adressaten nämlich immer öfter als elektronische Wunschzettel, und das kann im Vorweihnachtsstress auch außerordentlich praktisch sein. Statt ausgeschnittener und aufgeklebter Produktbeispiele gibt doch der Link zur entsprechenden Produktseite im Internet ebenso Aufschluss über den Wunsch der kleinen Gedichtaufsagerinnen und -aufsager. Und man spart sich ganz nebenbei auch den Weg ins Spielzeuggeschäft, schließlich ist der Bestellbutton ja gleich neben dem digitalen Preisschild zu finden.
Wer sich dieser scheinbar praktischen Lösung annehmen möchte, dem sei gesagt: Die Kinderaugen werden unter dem Tannenbaum vielleicht nicht weniger leuchten als früher. Nur die Erwachsenen haben sich ohne den persönlichen Besuch im Spielzeugladen vielleicht um das eigene Leuchten und damit um ein großes Stück Weihnachtszauber gebracht …
In diesem Sinne: Frohes Fest!