Zum Seitenanfang
Foto: Marco Meister
26. Dezember 2024

Vom Blumenthaler SV zum FIFA-Schiedsrichter

Bremer Jung Sven Jablonski im Interview

Eigentlich wollte er nur Fußball spielen. Dann griff er im Alter von 13 Jahren erstmals zur Trillerpfeife. Mittlerweile ist Sven Jablonski vom Blumenthaler SV FIFA-Schiedsrichter, hat knapp 100 Bundesligapartien geleitet und war in der Champions-League und bei Länderspielen als vierter Offizieller im Einsatz. Im Interview spricht der gelernte Bankkaufmann über seine Anfänge als „Schiri“, sein erstes Bundesligaspiel sowie die neue Meckerregel in der Bundesliga.

Eigentlich wollte er nur Fußball spielen. Dann griff er im Alter von 13 Jahren erstmals zur Trillerpfeife. Mittlerweile ist Sven Jablonski vom Blumenthaler SV FIFA-Schiedsrichter, hat knapp 100 Bundesligapartien geleitet und war in der Champions-League und bei Länderspielen als vierter Offizieller im Einsatz. Im Interview spricht der gelernte Bankkaufmann über seine Anfänge als „Schiri“, sein erstes Bundesligaspiel sowie die neue Meckerregel in der Bundesliga.

Warum wird man Schiedsrichter?

Ich glaube, jeder hat unterschiedliche Gründe, Schiedsrichter zu werden. Es wird zwar keiner geboren und sagt sofort ‚Ich möchte Schiedsrichter werden‘. Dennoch muss ich ganz klar sagen, jeder, der sich dazu entscheidet, wird feststellen, welche Faszination und wie viel Positives fürs Leben dahintersteckt.

Was hat Sie damals dazu motiviert?

Wirklich geplant war das bei mir nicht. Ich habe zunächst einfach Fußball gespielt. Mit vier Jahren bin ich beim Blumenthaler SV eingetreten und habe dort über zehn Jahre gekickt. Als ich 13 Jahre alt war, kam unser Schiedsrichter-Obmann zum Training und hat nach neuen Schiedsrichtern gesucht. Ein paar Freunde und ich haben uns dann gedacht, dass es eine spannende Erfahrung sein könnte.

Aber irgendwann mussten Sie sich zwischen der Schiedsrichterei und dem Fußballspielen entscheiden …

Richtig. Ich wollte mich zwischen den beiden Sachen entscheiden, da beides schwierig zeitlich miteinandervereinbar war, wenn man sich auf eine Sache zu 100 Prozent konzentrieren will. Die Schule kam ja auch noch dazu (lacht). Da ist die Entscheidung dann auf die Schiedsrichterei gefallen. Einerseits hat es mir unfassbar viel Spaß gemacht und andererseits dachte ich mir, dass ich Fußball auch noch in der Freizeit spielen kann, wenn ich möchte.

Wie waren Ihre ersten Erfahrungen als Schiedsrichter?

Es war ungewohnt. Man stand nicht mehr auf dem Platz und hat gespielt, sondern lief auf und musste Entscheidungen treffen. Es ist eine ganz andere Perspektive auf das Spiel. Als Schiedsrichter trifft man auf 22 ganz unterschiedliche Charaktere. Jeder Spieler hat seine eigene Persönlichkeit. Zudem müssen Entscheidungen im Bruchteil einer Sekunde getroffen und im Nachgang vertreten werden. Dabei geht es auch um Durchsetzungsvermögen und vor allem Verantwortung.

Sie haben bereits mit 16 ein Herrenspiel geleitet.

Ja. Das war sehr aufregend, hat mich aber auch persönlich vorangebracht. Daher kann ich jüngeren Menschen nur raten, den Job auszuprobieren. Als Schiedsrichter muss man Verantwortung für die Entscheidungen übernehmen, die man trifft, und auch selbstkritisch sein, wenn ein Fehler passiert. Die Schiedsrichterei ist eine Lebensschule.

Sie haben im Alter von 27 Jahren als damals jüngster Bundesliga-Schiedsrichter Ihr erstes Spiel geleitet.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, Bayer Leverkusen gegen SC Freiburg, Familie und enge Freunde waren auch im Stadion. Eine geräuschlose und schöne Premiere. Mit 27 Jahren in der Bundesliga zu pfeifen, war schon früh. Dennoch war es für mich ein langer Weg. Über 16 Jahre stand ich davor jedes Wochenende auf einem anderen Sportplatz. Von den kleinen Fußballplätzen durfte ich meinen Weg bis in die großen Stadien gehen. Ich freue mich sehr und genieße demütig die Zeit als Aktiver.

Haben Sie ein herausragendes Erlebnis als Schiedsrichter?

Die ersten Spiele in einer neuen Spielklasse sind natürlich immer besonders. Genauso wie die Erfahrung, im Ausland Spiele zu leiten. Man lernt andere Länder und andere Kulturen kennen. Das ist für einen Schiedsrichter wichtig, aber auch als Mensch sehr spannend. Herausragende Erlebnisse sind natürlich auch Ansetzungen für besondere Spiele, wie zum Beispiel das EM-Finale der U19 oder das Meisterschaftsfinale in der Bundesliga im letzten Jahr am 34. Spieltag, 1. FC Köln gegen FC Bayern München. Als ich das erste Mal die Champions-League-Hymne gehört habe, hatte ich Gänsehaut. Man könnte noch weitere schöne Erinnerungen nennen, aber unabhängig von den Spielpaarungen, ich bin sehr dankbar, ganz viele tolle und interessante Menschen auf der ganzen Welt kennengelernt zu haben.

Anfangs haben sie noch als Bankkaufmann gearbeitet. Warum haben Sie damit aufgehört?

Es war eine schöne Zeit und eine tolle Erfahrung im Banken-Business über zwölf Jahre tätig zu sein. Unter anderem wurde der Zeitaufwand immer intensiver. Parallel wurde ich als internationaler Schiedsrichter nominiert. Ich habe mir Gedanken gemacht und kam schnell zum Entschluss, den kompletten Fokus auf meine Tätigkeit als Schiedsrichter im nationalen und vor allem internationalen Profifußball zu legen. Das war eine richtige Entscheidung.

Wie sieht bei Ihnen die Arbeitswoche aus?

Am Montag ist die Nachbereitung vom Bundesligawochenende und gleichzeitig die Vorbereitung auf die internationalen Einsätze unter der Woche. Jeden Montag bin ich beim Physiotherapeuten Klaus Gunkel, eine absolute Koryphäe. Wenn zum Beispiel am Mittwoch ein Champions-League-Spiel ansteht, geht es am Dienstagmorgen mit der ersten Maschine zum internationalen Einsatz. Es findet einen Tag vorm Spiel immer ein Training im Stadion statt. Am Mittwoch, dem Spieltag, liegt der Fokus ausschließlich auf der Partie. Durch die späten Anstoßzeiten und die Analyse mit dem UEFA-Beobachter, ist man erst nachts im Hotelzimmer. Am Donnerstag findet die Rückreise statt und die Vorbereitung auf den Einsatz am Wochenende. In der Regel ist man jedes Wochenende unterwegs. Dazu kommen tägliche Trainingseinheiten, Lehrgänge, Leistungsprüfungen und Stützpunkttreffen. Man kann sagen, dass ich von 365 Tagen im Jahr ungefähr 160 Tage nicht zu Hause bin.

Haben Sie eigentlich Vorbilder?

Eine konkrete Person habe ich nicht. Ich möchte auch keinen kopieren, sondern authentisch bleiben. Es ist eher so, dass man positive Mindsets von anderen Menschen aufnimmt und überprüft, ob ich das in meinem Repertoire aufnehmen kann: Passt das zu meiner Art? Kann ich diese Situation mit der Körpersprache auch so lösen? Muss ich was dabei beachten, verändern? Tatsächlich muss ich aber sagen, die wahren Helden pfeifen in den unteren Ligen. Die meisten Schiedsrichter sind an der Basis tätig. Ohne diese Menschen wäre der Fußball nicht durchführbar. Ich ziehe vor denen den Hut, denn sie hören jedes einzelne Wort von den Zuschauern. Oder da springt einer über die Bande und steht vor dir.

Wie gehen Sie mit Fehlentscheidungen um?

Ich ärgere mich über jeden Fehler selbst am meisten. Im Nachgang schaut man sich die Szene mehrmals an, um zu überprüfen, wie es zu der Fehleinschätzung kam und wie man es beim nächsten Mal besser machen kann. Wichtig ist, dass man während der Partie Situationen, die strittig sind, schnell aus seinem Kopf bekommt, um sich voll und ganz auf das Spielgeschehen zu konzentrieren.

Zur neuen Saison gibt es eine Regeländerung. Nur noch die Mannschaftskapitäne dürfen mit dem Schiedsrichter reden, Belagerungen und meckernde Spielertrauben sollen so vermieden werden, ansonsten droht eine gelbe Karte. Eine Regelung, die Sie befürworten?

Ich denke, man kann dadurch das Image des Fußballs positiv verändern. Es ist kein schönes Bild, wenn mehrere Spieler um den Schiedsrichter stehen, um zu protestieren. Ich hoffe, die Einführung hilft dem Fußball bis in die Basis. Daher sehe ich das vom Grundsatz her sehr gut. Dazu muss ich aber sagen, dass es an den richtigen Stellen geahndet werden muss. Regeländerungen ersetzen nicht grundsätzliche Kommunikation mit den Spielern. Ein respektvoller Umgang miteinander ist sehr wichtig. Da, wo durch gewisse Verhaltensweisen Grenzen überschritten werden und dem Image des Fußballs schaden, muss konsequent und einheitlich verwarnt werden. Wichtig finde ich aber, dass das mit Fußballsachverstand passiert.

Welche Ziele haben Sie als Schiedsrichter für die Zukunft?

Als Schiedsrichter hat man nur Einfluss auf seine eigene Leistung. Daher ist mein Ziel, viele gute Spiele zu machen und lange gesund und verletzungsfrei zu bleiben. Mein nächster Schritt ist, als Unternehmer parallel etwas zu bewegen.

Weitere Beiträge