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Foto: Marco Meister
#Bremer Köpfe
25. August 2022

Verliebt in einen „Underdog“

Model Alena Gerber engagiert sich für das Tierheim an der Hemmstraße / Illegaler Welpenhandel sorgt für volle Zwinger

Ganz vernarrt in Fellnasen ist Model und Moderatorin Alena Gerber. Regelmäßig ist sie zu Besuch im Bremer Tierheim.

Ganz vernarrt in Fellnasen ist Model und Moderatorin Alena Gerber. Regelmäßig ist sie zu Besuch im Bremer Tierheim.

Es ist ein kollektives Bellen, das an diesem Dienstagnachmittag plötzlich die Stille auf dem Gelände des Bremer Tierschutzvereins durchbricht. Einige der vierbeinigen Bewohner haben sich aus ihrer eben noch entspannten Lage erhoben, um aufgeregt die Besucherin anzukündigen, die soeben die leicht knirschende Metalltür geöffnet hat. Es ist Model und Moderatorin Alena Gerber. Von dem etwas rauen Empfang ist die Wahlbremerin alles andere als eingeschüchtert. Im Gegenteil: Gelassen begibt sich die 32-Jährige von einem Zwinger zum nächsten, begrüßt jede Fellnase der Reihe nach. Nach einigen Metern bleibt sie stehen. Ihre Augen leuchten als sie sich umdreht und sagt: „Das ist Cäsar.“

Vor ihr steht eine deutsche Dogge, typisch groß gewachsen, mit grauem Fell. Die Ohren des Rüden wackeln leicht, als er seine Besucherin schwanzwedelnd empfängt. „Cäsar ist jetzt fünf Jahre alt und seit Mai 2020 bei uns“, erklärt Tierheimleiterin Sina Fehr, die sich gemeinsam mit Sprecherin Gaby Schwab zu Alena Gerber gesellt hat. „Er wurde zuvor von einem Ehepaar gehalten, das ihm nicht gerecht wurde, und kam ziemlich abgemagert zu uns.“ Nach einem Beißvorfall mit einem anderen Hund sei die aus Niedersachsen stammende Dogge im benachbarten Bundesland zudem als gefährlich eingestuft worden und müsse daher einen Maulkorb tragen. Fehr ergänzt jedoch: „Wir haben ihn aber einem Wesenstest unterzogen, den er bestanden hat. Er ist ein sehr liebesbedürftiger Hund und hat sogar einen Teddy, den er am liebsten überall mit hinnehmen würde.“

Diese weiche Seite zeigt der Rüde auch bei einem gemeinsamen Spaziergang. Problemlos lässt sich der großgewachsene Cäsar von dem zierlichen Model an der Leine führen, die ihr Herz schon längst an ihn verloren hat. „Ich habe Cäsar vor ein paar Wochen bei einem Besuch im Tierheim entdeckt und mich sofort in sein Wesen verliebt“, erinnert sie sich. „Ich war schon immer ein Fan von Underdogs und weiß, dass es Tiere mit einer komplizierten Vorgeschichte, die optisch nicht dem süßen Welpenklischee entsprechen, bei der Vermittlung schwerer haben.“ Seitdem ist der Vierbeiner nicht nur in ihren Gedanken, sondern auch auf ihrem Instagram-Profil präsent. Immer wieder lässt die 32-Jährige online ihre Follower und Followerinnen an ihren Besuchen in der Hemmstraße teilhaben, schlägt zwischen Selfies und süßen Videos jedoch auch ernste Töne an. „Ich möchte ganz klar dazu animieren, Hunde aus dem Tierheim zu adoptieren, statt Welpen vom Züchter zu kaufen oder sogar übers Internet.“

Ein Appell, der wichtiger und aktueller denn je ist. Im Rahmen der Coronakrise entstand in Deutschland ein regelrechter „Haustier-Boom“, der sich auch im Bremer Tierheim widerspiegelte. Bereits im März verriet Sprecherin Gaby Schwarz: „Wir haben im Coronajahr 2020 insgesamt 1304 Tiere vermittelt, 2019 waren es 1197.“ Doch die hohe Nachfrage sorgte nicht nur für zahlreiche Anrufe in den Tierheimen, auch Kriminelle und unqualifizierte Händler profitierten davon. „Letztendlich ist genau das eingetroffen, was wir befürchtet haben“, sagt Tierheimleiterin Sina Fehr. Ihr zufolge sorgen jetzt vor allem die Machenschaften illegaler Welpenhändler seit einigen Monaten für Platzprobleme und ausgelastete Kapazitäten. Gaby Schwab verrät: „In den Stoßzeiten hatten wir mehr als 60 Hunde im Tierheim. Rund die Hälfte davon musste in Quarantäne gehalten werden, da es sich um vom Veterinäramt sichergestellte Welpen handelte.“ Mit welchem Leid der illegale Handel für die Tiere verbunden ist, weiß Fehr genau: „Sie werden meistens viel zu früh der Mutter entrissen, sind dehydriert, unterernährt und oft krank.“ Dies habe unter anderem der Mitte September in Bremen bekannt gewordene Fall eines an Tollwut verstorbenen Kangalwelpens gezeigt, der mit falschen Papieren nach Deutschland gebracht worden war. Zudem betont sie: „Kranke Hunde, die bei uns in Quarantäne sind, haben über einen längeren Zeitraum nur den absolut notwendigsten Kontakt zu Menschen. Das ist für Welpen natürlich eine Zumutung, die ihre weitere Entwicklung negativ beeinflussen kann.“

Wie perfide und skrupellos die Strategien illegaler Welpenhändler sind, hat auch schon Alena Gerber erlebt. „Als ich 18 Jahre alt war, habe ich einem Mann in München einen Zwergpinscher-Welpen abgekauft, der zuvor drohte, ihn in der Isar zu ertränken, wenn er keinen Käufer finden würde.“ Heute sagt sie: „Ich weiß, dass das prinzipiell falsch war, aber ich konnte einfach nicht anders.“ Ein verständlicher Schritt, findet Sina Fehr und macht dennoch klar: „So schwer es fällt, man kann sich dem illegalen Welpenhandel nur entgegenstellen, indem man ihn ganz klar boykottiert.“ Für Tierfreunde sei es daher wichtig, zwischen illegalen Anbietern und seriösen Tierschutzorganisationen differenzieren zu können. „Gute und gewissenhafte Tierschutzorganisationen führen entsprechende Vorkontrollen durch, schließen Verträge mit Interessenten ab und vermitteln nicht nur Welpen, sondern auch ältere Hunde mit Handicap“, erklärt Gaby Schwab. Von Inseraten auf Ebay und ähnlichen Plattformen sollte klar Abstand genommen werden. Gerade Corona hätte gezeigt, dass vor allem diese Angebote zu unüberlegten Haustieranschaffungen führen und Tiere letztendlich im Rahmen einer Rückgabewelle für Zuwachs in den Tierheimen sorgen. Rund 50 Hunde befinden sich aktuell in der Obhut von Sina Fehr und ihren Mitarbeitenden, einige davon stünden beispielhaft für die beschriebende Entwicklung. Die Tierheimleiterin berichtet: „Oft haben es Besitzerinnen und Besitzer versäumt, ihren Hunden das Alleinsein beizubringen und sehen sich der Haltung nun nicht mehr gewachsen, wo weniger Homeoffice und Kurzarbeit die Regel sind.“ Alena Gerber macht dieses Verhalten wütend. „Man sollte doch meinen, dass sich Menschen im Vorfeld darüber Gedanken machen, ob ein Tier dauerhaft in ihr Leben passt.“ Nachdenklich streichelt sie Cäsar und fügt hinzu: „Ich würde mich beruflich sofort für dich einschränken.“
Als das Model die Dogge nach dem Spaziergang wieder in ihren Zwinger entlässt, verrät sie, warum der Vierbeiner nicht schon längst ihre Couch besetzt. „Es sind die bürokratischen Auflagen“, sagt sie frustriert. „Cäsar darf nur nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein vermittelt werden.“ Ein letztes Mal tätschelt sie an diesem Tag ihrem bellenden Freund den Kopf und verspricht: „Ich komme wieder!“ Es ist ein Versprechen, das sie mit Sicherheit einhalten wird.

Wer sich vorstellen kann, Cäsar und anderen Bewohnern des Tierheims an der Hemmstraße ein Zuhause zu schenken und sie kennenlernen möchte, kann sich telefonisch unter 0421/35 11 33 melden. Nähere Infos gibt es zudem unter www.bremer-tierschutzverein.de.

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