Straßenfeste
Diesmal widmet sich unser Kolumnist Dirk Böhling seinen Erfahrungen mit der Nachbarschaft.
Die große Hitze hat sich verabschiedet, die Tage, an denen man von der Übergangsjacke zum Anorak greift, sind noch nicht gekommen, anders gesagt: Es ist die Zeit der Straßenfeste. Über den Schluchten der Großstadt hängen Banner mit bunt geschriebenen Buchstaben, die das Ereignis ankündigen. Anwohnerfahrzeuge wurden zwischen die Autos in den umliegenden Straßen gequetscht, der Festausschuss hat für Absperrungen gesorgt und in der Nachbarschaft koordiniert, wer was mitbringt, um eine Kaffeetafel mit 16 Butterkuchenblechen und 24 Nudelsalatschüsseln zu vermeiden. Straßenfeste sind dazu da, dass Nachbar:innen miteinander ins Gespräch kommen, die Kinder miteinander spielen und man zusammen das eine oder andere Getränk vor der Haustür nimmt – früher nannte man das „Sommer“.
Natürlich hat so ein Happening einen sehr sozialen Aspekt, das muss man schon sagen. Streitigkeiten über den Gartenzaun, Aufregerthemen wie die Gehsteigreinigung oder Ärgernisse wie nächtliche Spontanpartys vor dem Schlafzimmerfenster („Wir schlafen doch nach vorne raus!“) können nach dem dritten Ouzo viel pragmatischer besprochen werden und enden meist in einer freundschaftlichen Umarmung sowie der Erkenntnis „Na, schauen wir mal …“.
Auch das leidige Thema, wer wo und vor allem wie sein Kraftfahrzeug parkt, wird beim gemeinsamen Anstehen am Würstchengrill schnell und mit einem Augenzwinkern abgehakt – zumindest bis zum nächsten Werktag. Besonders praktisch ist ein Straßenfest für die Neuzugänge in der Nachbarschaft. Können sie sich dabei doch allen auf einmal vorstellen ohne sich mühsam von Tür zu Tür durchzuklingeln. Das kann natürlich hier und da auch mal nach hinten losgehen, wenn das Gegenüber auf die Frage „Wie lange wohnt ihr denn jetzt schon in unserer Straße?“ die Antwort „Länger als ihr!“ gibt.
Wie auch immer: Straßenfeste verbinden Menschen miteinander, die sich entweder längst kennen und mögen oder die sich am liebsten nicht treffen und kennenlernen wollten – mitgewohnt, mitgefangen – oder so. Manchmal sorgt an diesem Tag dann auch noch ein kleiner Straßenflohmarkt für Freude, zum Beispiel, wenn man irgendwie weggekommene Blumentöpfe aus dem Vorgarten überraschend wiedersieht, ganz und gar nicht gewollte Einblicke in die Kleiderschränke der Mitbewohner gewinnt oder auch sehr preiswert die Mitbringsel des Antrittsbesuchs bei den Nachbarn zurückkaufen kann. Nein, so ein Straßenfest ist was Feines und spätestens in der Dämmerung hat man den einen oder anderen neuen Menschen entdeckt („Ich wusste gar nicht, dass der Dings aus dem Eckhaus so nett ist!“).
Wichtig dabei ist allerdings, dass man sich nach Bier, Wein oder dem endlich erfolgreich entsorgten Likör von Weihnachten vor vier Jahren gemerkt hat, wen man künftig duzt und wen nicht. Ach ja, und Namen merken ist auch immer hilfreich. In diesem Sinn: Viel Spaß – und vergessen Sie nicht, sich in die Liste einzutragen, wer später hilft, die Bänke einzusammeln und die Hüpfburg mit abzubauen!