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Foto: Carlos Anthonyo
#Bremer Köpfe
24. Dezember 2024

Gravelbikerin und „Bremer Sportlerin des Jahres“ Carolin Schiff im Interview

„Sie glaubten an mich – das hat sich ausgezahlt“

„Sie glaubten an mich – das hat sich ausgezahlt“

Auf dem Gravelbike macht ihr niemand etwas vor: Die Bremerin Carolin Schiff gewann im vergangenen Jahr mit dem „Unbound“ im US-Bundesstaat Kansas aus dem Stand das wichtigste Gravel-Rennen der Welt. Kurz darauf holte sie sich bei der ersten Deutschen Meisterschaft im Gravelbike souverän den Titel. Nach der Sportgala Mitte März im GOP Varieté-Theater darf sich die 38-Jährige auch Bremens „Sportlerin des Jahres 2023“ nennen. Im Interview erzählt sie, warum sie vor drei Jahren vom Rennrad auf das spezielle Sportrad für Schotterpisten umstieg, wie sie sich auf die teils stundenlangen Rennen vorbereitet und ob Bremen eine gute Trainingsbasis bietet.

Frau Schiff, herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung „Bremer Sportlerin des Jahres“. Haben Sie damit gerechnet?

Ich war mir aufgrund der großen Konkurrenz natürlich nicht ganz sicher. Mit Werder-Fußballerin Lina Hausicke und der Schachweltmeisterin Lara Schulze gab es extrem erfolgreiche Konkurrentinnen, und die beiden hätten es auf jeden Fall auch verdient.

Wie fühlt sich diese Auszeichnung an?

Ich habe mich wahnsinnig gefreut, das ist für mich etwas ganz Besonderes. Meine Familie war an dem Abend bei der Sportgala dabei und wir haben der Verkündung gemeinsam entgegengefiebert. Als ich dann meinen Namen hörte, konnte ich es gar nicht glauben. Da stand ich plötzlich auf der Bühne und hatte mir gar keine Rede überlegt. Ich habe gehört, sowas soll Unglück bringen (lacht). Zum Glück hat es mir nicht komplett die Sprache verschlagen.

Die geländegängigen Gravelbikes sind derzeit in aller Munde und finden immer mehr den Weg in den Breitensport. Was macht diese Räder aus?

Sie sind super vielseitig. Gravel kann man auf der Straße, aber auch im Gelände fahren. Man ist auf nichts festgelegt. Sie eignen sich total gut für Hobbyfahrer, die kein großes Budget für mehrere Räder haben – es reicht ein Bike.

Fahren Sie privat auch nur Gravelbike?

Wenn ich Spaß haben will, dann ja. Im Alltag fahre ich aber auch ein ganz normales, altes Fahrrad, dass ich überall abstellen kann. Für Intervalltraining nehme ich das Rennrad.

Sie stammen eigentlich auch aus dem Radrennsport?

Genau. Durch meinen Freund Vladi Riha bin ich 2008 zum Rennrad gekommen, da war er gerade in den letzten Zügen seiner Wettkampflaufbahn hier in Bremen. Erst war es nur als Hobby gedacht. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Ausbildung gemacht, dann studiert und auch gearbeitet. Aber ich bin ein extrem wettkampforientierter, ehrgeiziger und ambitionierter Typ. Wenn ich irgendwo am Start stehe, will ich auch die bestmögliche Leistung bringen. Deswegen habe ich immer schon danach gestrebt, das auch auf Profiniveau betreiben zu können.

Bis 2022 lief Ihre Karriere sehr erfolgreich. Sie sind mit einer Profilizenz im Team des ehemaligen „Tour de France“-Sieger Andy Schleck gefahren und haben etliche Siege geholt. Wieso ist der Wechsel aufs Gravelbike erfolgt?

Ich bin vor zwei Jahren bei einem Rennen schwer gestürzt und hab mir die Schulter verletzt. Der Heilungsprozess zog sich hin und ich habe mir viele Gedanken gemacht. Damals verdiente ich mit dem Rennsport kein Geld. Letzten Endes stimmte für mich das Verhältnis von Aufwand und Nutzen nicht und ich wollte kein Risiko mehr in Kauf nehmen. Dazu kam, dass der Rennstall sich auflöste, weil der Hauptsponsor absprang. Glücklicherweise kam genau zu diesem Zeitpunkt ein namhafter Bike-Hersteller, mein jetziger Sponsor, auf mich zu. Sie fanden mich als Sportlerin interessant und fragten, ob ich mir vorstellen könnte, Gravel zu fahren. Sie boten mir einen Vertrag an, von dem ich auch direkt leben konnte. Den habe ich dann angenommen. Niemand wusste, welche Leistung ich bringen würde. Aber sie glaubten an mich, das hat sich zum Glück ausgezahlt.

Foto: Sebastian Samek / Schwalbe

In der Tat, Sie haben letztes Jahr mit dem „Unbound“ das wichtigste Gravelbike-Rennen der Welt gewonnen, fuhren aus dem Stand von null auf hundert. War das überraschend oder erhofft?

Ich sah mich auf jeden Fall in einer Favoritenrolle, weil ich durch die vorherigen Rennen wusste, dass ich in einer sehr guten Form bin. Bis dahin hatte ich jeden Gravel-Wettkampf gewonnen. Mir war auch klar, dass mir die extrem lange Distanz von 330 Kilometern liegt.

Sie haben mit einer Rekordzeit von elf Stunden und 46 Minuten gewonnen, kamen 15 Minuten vor der Zweiplatzierten ins Ziel. Wie konnten Sie durchgehend zwölf Stunden auf dem Rad durchhalten?

Ich habe das einfach durchgezogen. Ich war sogar so fokussiert und komplett im Tunnel, dass ich nicht mal zur Toilette gegangen bin (lacht). Es gab aber zwei Verpflegungszonen, dort konnte ich meine Flaschen und den Rucksack austauschen. Mein Nutritioncoach hat mir vorher einen Ernährungsplan ausgearbeitet und ganz genau berechnet, abgestimmt auf mein Körpergewicht und meine Leistung, wie viele Kohlenhydrate ich in der Stunde zu mir nehmen muss. Mit der heutigen Sportnahrung, zum Beispiel in Form von Gels, kann man das gut händeln.

Das nächste „Unbound“ findet im August statt. Vorher stehen noch einige Rennen auf dem Programm. Welche sind das?

Am 7. April starte ich in Österreich am Wörthersee, am 12. April nehme ich dann beim „Red Bull Aufsatteln“ auf der Bremer Galopprennbahn teil. Mit meinem Partner Vladi fahre ich im Mixed-Team. Danach reise ich für drei Gravel-Rennen nach Spanien. Die deutsche Meisterschaft steht auch an, ich möchte natürlich meinen Titel verteidigen. Besonders freue ich mich aber auf die Weltmeisterschaft im Oktober in Belgien. Ich konnte vergangenes Jahr nicht teilnehmen, weil ich mir mal wieder das Schlüsselbein gebrochen hatte. Zwar liegt mir die Strecke vom Profil her weniger, aber man kann nicht immer optimale Bedingungen haben. Von daher bin ich sehr motiviert, die Herausforderung anzunehmen.

Bietet Bremen eine gute Trainingsbasis?

Auf jeden Fall. Ich finde, man kann in Bremen und Umgebung sehr gut sowohl auf der Straße als auch abseits trainieren. Wir haben hier schöne Gravel-Strecken zum Beispiel Richtung Syke, Weyhe und Bruchhausen-Vilsen. Außerdem ist der Verkehr im Vergleich zu anderen Regionen relativ moderat. Ich habe selten unangenehme Situationen auf der Straße.

Sie sind außerdem viel auf Mallorca unterwegs.

Ja, dort haben mein Freund und ich mittlerweile eine eigene Wohnung. Mallorca bietet durch die Berge optimale Trainingsbedingungen, das fehlt in Bremen natürlich ein bisschen.

Mit ihrem Partner betreiben Sie noch ein Fachgeschäft für Radsport und Zubehör in der Neustadt. Was machen Sie sonst gerne, wenn Sie nicht am oder auf dem Rad sind?

Wenn noch Zeit bleibt, bin ich zu Hause bei meinen beiden Katzen oder bei meiner Familie in Ritterhude. Außerdem liebe ich Kaffee und bin gerne zu Gast in guten Bremer Cafés. Das werden zum Glück immer mehr.

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