Schöne Schweinerei
Wieso die Schweine in der Sögestraße immer mal wieder für kleine Probleme sorgen, fragt sich Matthias Höllings, ehemaliger Pressesprecher der ÖVB-Arena, in seiner Kolumne.
Die Prinzen haben es schon immer gewusst, als sie sangen:
„Du musst ein Schwein sein in dieser Welt – Schwein sein
Du musst gemein sein in dieser Welt – gemein sein
Denn willst du ehrlich durchs Leben geh’n – ehrlich
Kriegst ’n Arschtritt als Dankeschön – gefährlich.“
Dieser Schlagertext war zwar für Menschen gedacht, doch er könnte auch für die Schweine in der Bremer Sögestraße passen. Denen wird zwar nicht in den Hintern getreten, sie leben aber trotzdem gefährlich, da sie immer wieder angefahren werden. Eine echte Schweinerei. Wie blind müssen Autorfahrer:innen sein, um eine komplette Schweineherde zu übersehen – und das in einer Fußgängerzone? Wahrscheinlich haben sie noch gehupt, aber die Viecher sind einfach stehen geblieben. Das machen sie schon seit 1974, also gute 50 Jahre. So alt wird eigentlich kein Schwein.
Den ersten schweinischen Zusammenstoß gab es vor Jahren mit einem Müllwagen. Okay, das lassen wir mal durchgehen. Die Männer hatten bestimmt andere Sorgen bei ihrem Schweinejob als auf so eine Herde zu achten.
Aber warum stehen die Schweine da überhaupt? Wo wollen sie hin, wo kommen sie her und wie viele sind es? Vor einiger Zeit stand da plötzlich sogar ein Ferkel mehr als sonst. Der Bremer „Banksy“, der als Aktionskünstler unter dem Pseudonym „Mohamed Smith“ auf Instragram zu finden ist, hatte mal wieder zugeschlagen. Er stellte spontan ein zusätzliches Ferkel auf, dass er jedoch aus echtem Schweinefleisch gefertigt hatte. Das hatte er sich nicht ganz legal aus Supermarktcontainern beschafft. Seine Ferkel-Kritik an der Wegwerfgesellschaft wurde schnell wieder aus der Bremer Fußgängerzone entfernt.
Apropos Fußgängerzone, die dort 1969 eingerichtet wurde. Neu war das auch nicht wirklich. Denn die heutige Sögestraße, eine der ältesten Straßen Bremens, war schon im Mittelalter Fußgängerbereich und wurde nach den vielen dort ansässigen Schweineställen „Söghestrate“ (Sögen = Sauen aus dem Plattdeutschen) benannt. Trotz dieser schweinischen Vorgeschichte waren sich in den 1970er-Jahren die dort ansässigen Geschäftsleute nicht zu schade, dem Bildhauer Peter Lehmann den Auftrag für dieses Schweine-Ensemble zu erteilen.
Der hat seinen Job gut gemeistert. Seine Schweine hatten Schwein und dienen seitdem vielen Touristen als willkommenes Fotomotiv und deren Kindern als Sitz- und Reittiere. Doch immer wieder kommen dem bronzenen Borstenvieh scheinbar ortsunkundige Autofahrer:innen oder gedankenlose motorisierte Lieferanten zu nahe. Und dann stehen die armen Schweine da – also die aus Bronze – und müssen nach einer Kollison auf Staatskosten, wenn schon nicht geschlachtet, verarztet oder zerlegt werden, weil es die alten Gussformen für die Tiere längst nicht mehr gibt. Mal ist es die eingerissene Flanke eines Schweines, mal ist es eine dicke Delle im Hinterteil eines Ferkels. Auch der Messing-Hütehund hat schon einmal eins auf seine Schnauze bekommen.
Wurden die jeweiligen Verursacher:innen für ihre schweinischen Angriffsfahrten jemals zur Kasse gebeten? Natürlich nicht. Die Schweinepriester (Schweinepriesterinnen gibt es offiziell gar nicht, oder?) haben ihren inneren Schweinehund nicht überwinden können und sich im Schweinsgalopp durch Fahrerflucht vom Acker gemacht. Die Schweineherde wie die Bremer Stadtmusikanten auf einen Sockel zu stellen, um weiteren Schaden von ihnen abzuwenden, macht auch nicht wirklich Sinn. Gestapelt wären es einfach zu viele.
Was der Erschaffer der Schweine versäumt hat, ist seinen Tieren einen Namen zu geben. Comicfans erinnern sich sicher noch an die drei kleinen Schweinchen Fiedler, Pfeifer und Schweinchen Schlau von Walt Disney. Die gesamte Bremer Gruppe „Hirt mit Schweinen“ besteht immerhin aus dem Hirten, seinem Hund, fünf Schweinen und vier Ferkeln. Für den Hirten würde ich den Namen „Herr Lehmann“ und für den Hund „Schweini“ vorschlagen, aber für die Schweine und Ferkel? Das wären viel zu viele Namen, die sich wahrscheinlich sowieso kein Schwein merken kann. Bleibt noch die Frage, woher die Herde kommt und wohin sie will?
Der Künstler Peter Lehmann hat sich da an alte Zeiten erinnert, als die Schweine aus den Ställen in der damaligen „Söghestrate“ durch das Herdentor auf die Bürgerweide getrieben wurden – und wieder zurück. Heute sieht es so aus, als ob die Gruppe aus Richtung „Mall of Fame“ käme. Vielleicht sind sie beleidigt, dort als Promis noch nicht aufgenommen worden zu sein. Berühmt genug wären sie ja mittlerweile. Sollten sie es irgendwann schaffen, wären sie auf jeden Fall Bremer Glücksschweine.