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#Kolumne – Baby Boomer Böhling
26. Dezember 2024

Schaschlik und Schiwabtschitschi

Essengehen in der Kindheit? Diese kulinarischen Ausflüge haben Kolumnist und Babyboomer Dirk Böhling geprägt. In seiner aktuellen Kolumne wagt er einen Rückblick.

Essengehen in der Kindheit? Diese kulinarischen Ausflüge haben Kolumnist und Babyboomer Dirk Böhling geprägt. In seiner aktuellen Kolumne wagt er einen Rückblick.

Es muss so Anfang der 70er-Jahre gewesen sein, als ich zum ersten Mal mit meiner Tante Birgit und meiner Oma in einem Restaurant essen war, ganz genau: im altehrwürdigen „Zinnkeller“, der innen genauso aussah, wie er außen hieß. Tante Birgit war damals Anfang zwanzig und wusste im Gegensatz zu mir, wie man sich in einem Restaurant benimmt. Ich kannte die Gastronomie bis dato nur aus dem Fernsehen und das brachte mir auch prompt eine schallende Ohrfeige ein. Als wir nämlich gerade Platz genommen hatten und ein Kellner in weißem Hemd und schwarzer Hose, der mindestens so alt war wie das Traditionslokal selbst, in meine Sichtweite kam, hob ich, wie ich es aus der Glotze kannte, die Hand und schnipste mit den Fingern, während mir ein gönnerhaftes „Hallo, Herr Ober?“ über die jungen Lippen kam. Zack, hatte ich eine sitzen. Oma erklärte mir dann, dass man so etwas in einem Lokal nicht tut. Ich habe seitdem nie wieder nach einer Servicekraft geschnippt. Außerdem lernte ich noch etwas, nämlich wie man ein Stück Rindfleisch auf geröstetem Weißbrot in der gehobenen Gastronomie nennt: einen „Herrentoast“!

Überhaupt haben wir in unserer Babyboomer-Kindheit viele neue kulinarische Worte gelernt – es war die Zeit, in der die fremdländische Küche in der Republik Einzug hielt. Da ging man dann nicht mehr ausschließlich in den „Nürnberger Trichter“ oder die „Alte Mühle“ und aß ein Schnitzel oder Königsberger Klopse – nun ging es auch mal in ein griechisches Restaurant, welches dann einen Namen wie „Rhodos“, „Olympia“ oder „Akropolis“ trug und fast immer eine Kegelbahn im Keller hatte. Von der Speisekarte lernten wir Namen wie „Gyros“– oder „Dschüros“, wie es hierzulande gerne genannt wurde,–„Dolmadakia“ und natürlich das Wort für das, was so nachhaltig den Beweis lieferte, dass man „beim Griechen“ war: „Zaziki“. Beim Italiener um die Ecke – also im „Roma“, „Napoli“ oder „Mamma Mia“ erfuhren wir, dass man Spaghetti nur mit der Gabel essen und dabei auch herrlich kleckern durfte. Dazu tranken die Eltern dann ein gutes Glas „Schianti“: Salute!

Tja und wer es besonders exotisch wollte, der ging jugos­lawisch oder asiatisch essen. Im „Peking“ oder „Hongkong“ wurde sicherheitshalber meistens „Ente süßsauer“ bestellt, im „Balkan-Grill“ oder „Dubrovnik“ gab es schon allein des Namens wegen „Schiwabtschitschi“. Nun soll man aber bitte nicht glauben, dass „essen gehen“ zu der üblichen Abendgestaltung meiner Kindheit dazugehörte. Es war schon etwas Besonderes, „auswärts zu essen“ – die immer wieder gern genommene Imbissbude inbegriffen. Doch auch wenn diese Schnell-Ess-Ecken sich statt wohlklingender Namen oft einfach „Bei Horst“ oder „Grill-Station“ nannten, gab es dort durchaus nicht nur deutsche Küche. Angefangen bei den französischen Pommes Frites, die viele bis heute mit einem schrecklich klingenden „Pommäs“ abkürzen, bis hin zu einem Gericht, dessen Herkunft nicht ganz geklärt ist: Sowohl Georgien als auch Armenien und Russland beanspruchen für sich die Erfindung dieser leckeren Fleischspieße aus dem Kaukasus, bei dem die Aussprache ausnahmsweise keine Interpretationen zulässt – darauf einen Schaschlik!

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