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Fotos: Friedhard Neumann
11. April 2025

Regina Heygster engagiert sich ehrenamtlich in der Hospizhilfe und im Verein Friedenstunnel

Auf Friedensmission

Versöhnung ist ihr Anliegen: Regina Heygster ist Beraterin für Fragen rund um den Themenkomplex „Leben, Alter, Tod und Trauer“ in Bremen und hat den Friedenstunnel als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 entworfen. Wir trafen die 70-jährige Bremerin zum Interview. Darin berichtet sie von sinnstiftenden und bewegenden Momenten in ihren Ehrenämtern in der Hospizhilfe und im Verein Friedenstunnel.

Versöhnung ist ihr Anliegen: Regina Heygster ist Beraterin für Fragen rund um den Themenkomplex „Leben, Alter, Tod und Trauer“ in Bremen und hat den Friedenstunnel als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 entworfen. Wir trafen die 70-jährige Bremerin zum Interview. Darin berichtet sie von sinnstiftenden und bewegenden Momenten in ihren Ehrenämtern in der Hospizhilfe und im Verein Friedenstunnel.

Frau Heygster, Sie haben sich auf dem zweiten Bildungsweg auf den Themenkomplex „Leben, Alter, Tod und Trauer“ spezialisiert. Wie kam es dazu?

Zunächst war ich freiberuflich als Grafikdesignerin für die Wirtschaft tätig – bis ich Mutter von drei Kindern wurde. Da habe ich gemerkt, dass ich ab und zu Hilfe benötigte, diese aber nicht bekam. Ich stellte mir damals die Frage: Wer kümmert sich eigentlich um hilfsbedürftige Menschen? Da las ich ein Kursangebot im Weser-Kurier zum Thema Sterbebegleitung und fühlte mich davon zutiefst angesprochen. Ich erkannte, dass ich selbst etwas tun kann. Ich wollte die Person sein, die anderen Hilfe spendet. Also habe ich mich für den Kurs angemeldet, und das Thema hat mich so am Herzen gepackt, dass ich meinen Beruf gewechselt habe.

Was genau motivierte Sie dazu?

Mir ging damals ein Licht auf als ich erkannte: Zu Beginn des Lebens und am Lebensende brauchen die Menschen Hilfe – und wir kommen alle an diesen Punkt. Seitdem habe ich in der Sterbebegleitung im Pflegeheim und bei den Menschen zu Hause gearbeitet und mich stetig weitergebildet. Seit Ende der 1990er-Jahre bin ich im Verein Hospizhilfe Bremen aktiv, heute als Zweite Vorsitzende, außerdem als Kursleiterin, Dozentin und Supervisorin für den sozialen Bereich.

Wie begegnet man Trauernden am besten?

Meine Erfahrung hat mich gelehrt: Wir können nichts falsch machen außer weggucken. Wenn etwa eine Freundin um ihren verstorbenen Lebenspartner trauert, können wir fragen: Denkst du noch an ihn? Wir können Interesse zeigen und am jährlichen Todestag Anteil nehmen, Blumen schenken oder eine Karte schreiben. Es sind kleine Gesten mit großer Wirkung.

Ist Trauer ein Tabuthema?

Ja. Wir sind in der Trauer nicht geübt. Wir ziehen ein Lachen vor und wollen selbst nicht traurig sein, so werden wir erzogen. Wir sind oft fröhlich für die anderen, denn wir wissen, Schmerz und Trauer sind schwer zu ertragen. Wir haben also die Tendenz zu trösten. Bei tiefer Trauer ist das aber sehr schwer.

Wie hilft der Verein konkret?

Wir haben zum Beispiel eine offene Trauergruppe, die mittwochs von 16.30 bis 18 Uhr unter der Leitung von Michaela Höck zusammenkommt. Freundinnen und Freunde können Trost und Ablenkung bieten, aber fühlen sich häufig langfristig überfordert. In der Gruppe treffen Trauernde auf Menschen, die sagen: Ich kenne das. Und manche von ihnen wissen zu berichten, dass die Trauer zu bewältigen ist. Darüber hinaus vermittelt der Verein Sterbebegleitung, bietet eine Patientenverfügungsberatung und vernetzt in viele angrenzende soziale Bereiche. Die Beratung ist kostenfrei, unsere Seminare erschwinglich.

Haben Sie den Schritt ins Ehrenamt jemals bereut?

Nein. Diese niedrigschwelligen Angebote liegen mir sehr am Herzen. Ein Großteil meiner Arbeit sind ehrenamtliche Tätigkeiten und der Lohn ist überschaubar, aber ich bin zufrieden. Die sinnstiftenden Momente, sowohl in der Sterbebegleitung als auch in meiner zweiten Vereinstätigkeit rund um den Friedenstunnel, sind unbezahlbar.

Erzählen Sie von diesem Projekt.

Die Ideenfindung lief parallel zu meinem beruflichen Wechsel, gründet aber in meiner Familiengeschichte. Meine Eltern gehörten unterschiedlichen Kirchen an, der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch. In der Verwandtschaft war das ein brisantes Thema und führte immer wieder zu Konflikten. Der konfrontative Umgang störte mich seit jeher. Den Grundstein zum Friedenstunnel legte also mein persönliches Bedürfnis nach Versöhnung. Mein Traum war es, ein Gebäude so umzugestalten, dass es die Menschen verbindet. Ein Tunnel passte da gerade recht, als Ort des Übergangs. Die Idee schlummerte dann aber einige Jahre in der Schublade, bis zum 11. September 2001.

Wie haben die damaligen Anschläge auf das World Trade Center in New York das Projekt beeinflusst?

Es kam der Moment, in dem ich dachte: Jetzt mach ich etwas! Ich ahnte, dass muslimisch Gläubige nun angegriffen würden, was sich später bestätigte. Mich erschüttert es, dass Menschen aufgrund ihrer Religion gegeneinander agieren, und es schien mir der richtige Moment, ein Zeichen des Friedens zu setzen.

Wie verlief die Umgestaltung des ehemaligen Rembertitunnels zum heutigen Friedenstunnel?

Zunächst galt es zu klären, welche Ämter, Behörden und Unternehmen für welche Anträge und Genehmigungen zuständig sind. Das ist nämlich bei Zugunterführungen besonders kompliziert. Überraschenderweise traf ich überall auf offene Türen und fand Hilfestellung bei der Umsetzung, nicht zuletzt in Form von finanziellen Spenden. Der Tunnel ist ein Millionenprojekt, das umzusetzen dank der Weltoffenheit Bremens gelang und an dem viele Menschen beteiligt waren. Die Mosaike hingegen habe ich ganz allein angefertigt, dabei konnte ich meine gestalterischen Fähigkeiten einsetzen. Heute zeigt ein 100 Meter langes Mosaik im Innengewölbe das Wort „Frieden“ in 135 Sprachen, hinzu kommen 82 Texttafeln, die Tunnelseiten zieren über drei Meter hohe Mosaik-Friedensbäume und beide Frontseiten sind geschmückt. Zudem lässt seit 2015 eine LED-Lichtinstallation den Tunnel farbig strahlen und zeigt: Bremen ist bunt.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie zum Tunnel?

Die Rückmeldungen auf den fertigen Tunnel seit 2016 sind überaus positiv und das wiegt alle Mühen auf. Als Erste Vorsitzende des Vereins bin ich unter anderem verantwortlich für Schulprojekte, Podiumsdiskussionen und Führungen. Im vergangenen Jahr etwa besuchten rund 40 junge Menschen von der Willkommensschule in Bremen-Nord den Tunnel. Sie hatten gerade erst in Bremen Zuflucht gefunden und stammten aus den verschiedensten Kulturen. Der deutschen Sprache kaum mächtig, übersetzten ihre Lehrkräfte meinen Vortrag über die Symbolik des Tunnels und erfuhren, dass das Wort „Frieden“ in 135 verschiedenen Sprachen zu finden ist. Sie machten sich im Tunnel also auf die Suche nach dem Friedenswort in ihren Sprachen. Ein junges Mädchen aus Ghana entdeckte die Entsprechung für Frieden in ihrer Muttersprache und fing an zu weinen. Sie sagte: „Hier steht mein Wort, jetzt bin ich hier zu Hause.“ Das hat mich tief berührt und mir klar gemacht: Der Tunnel bewegt. Durch ihn wird zwar kein Krieg beendet, aber er spendet Hoffnung. Er tut den Menschen gut – und das macht mich glücklich.

Das Interview führte Kristina Wiede.

Infos und Programmhinweise
Infos und Kontakt zum Verein Hospizhilfe Bremen e. V. unter www.hospiz-bremen.de. In diesem Jahr feiert er sein 30-jähriges Bestehen.
Infos zum Verein „Friedenstunnel – Bremen setzt ein Zeichen“ und dessen Programm unter: www.friedenstunnel.de

Sonntag, 27. April, 12 Uhr: Auftakt der Konzertreihe „Friedensklänge im Friedenstunnel“, es spielt Be Capella mit Franz Fendt und Andi Steil. Bis September finden 25 Konzerte statt, immer sonntags um 12 Uhr.

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