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#Kolumne – Baby Boomer Böhling
5. Dezember 2024

Mal kurz zurückgespielt

In seiner aktuellen Kolumne sinniert Dirk Böhling über die alten Zeiten, in denen man noch in Videotheken pilgerte und das Heimkino zelebrierte.

In seiner aktuellen Kolumne sinniert Dirk Böhling über die alten Zeiten, in denen man noch in Videotheken pilgerte und das Heimkino zelebrierte.

Auch diese einstigen Treffpunkte haben wir kommen und wieder verschwinden sehen: die Videotheken. Ein Ort, an dem man den Verlauf eines Abends mehr beeinflussen konnte, als sonst irgendwo. Ein Ort, an dem man sich verabredete, um für ein gemeinsames Erlebnis zu sorgen, oder ein Ort, an dem man ganz allein entschied, wie man sich seinen freien Abend gestalten wollte und mit wem. Sollten es Spielbergs Dinos sein, wenn die nicht wie fast immer vergriffen waren? Sollte es zum 36. Mal „Dirty Dancing“ oder mal wieder ein langer Abend mit „Der Pate“ Teil eins bis drei werden?

Egal, ob man sich für Action, Kitsch, Romanze oder Science-Fiction entschied: Zwischen „Indiana Jones“, „E. T.“, Luke Skywalker und „Jenseits von Afrika“ war für jeden etwas dabei und man konnte es sich für einen Tag mit nach Hause nehmen. Bevor es so weit war, war man aber erstmal drin in einem dieser cineastischen Selbstbedienungsläden, von denen es in jeder mittleren Stadt mindestens zwei bis drei gab. Die Kundschaft war groß und die Nachfrage für das Heimkino riesig. Es gab natürlich auch Freaks, die sich ihre eine eigene Videothek zusammengestellt und Filme aus dem Fernsehen aufgenommen hatten. Mein Schulkamerad Ingo zum Beispiel saß gerne akribisch vor dem Fernsehgerät, den Finger drückbereit am Videorekorder, um die Werbepausen im Privatfernsehen auszusparen. Er klebte später voller Stolz aus der Programmzeitschrift ausgeschnittene Filmtitel auf die VHS-Kassette und hatte recht schnell eine wirklich beeindruckende Videosammlung. Dementsprechend lud er gern zu Filmabenden ein.

 

Ich ging lieber Filme in der Videothek ausleihen, ließ mich inspirieren und konnte stundenlang stöbern. Natürlich blieb es dabei nicht aus, dass man manchmal auch zufällig an diesem Bastkettchen-Vorhang neben dem „Ab 18“-Schild vorbeikam, hinter dem mitunter Filmtitel zu erkennen waren, die zu einer spontanen Änderung der Gesichtsfarbe führen konnten. Nun aber schnell zur Kasse, noch einen Schokoriegel mitgenommen und dann ab ins Heimkino, in der Hoffnung, dass der Videorekorder nicht gerade von einer Kaufkassette mit dem Workout von Jane Fonda belegt war, die mit dem weiblichen Teil der Familie turnen wollte.

Dann kam es eben auch mal vor, dass man die Ausleihe verlängern und entsprechend nachzahlen musste. Das konnte einem aber auch passieren, wenn man den Film pünktlich zurückgab und vergessen hatte, den Film zurückzuspulen. All das änderte sich Mitte der 1990er, als die DVD auf den Markt kam – und Ingo seinen Plan, die mühsam zusammengestellte Videosammlung irgendwann gewinnbringend zu verkaufen, vergessen konnte. Fortan gab es in den Videotheken eben kleine Silberscheiben mit Filmen inklusive Making-of und Bonusmaterial – aber auch das ist heute auch schon wieder Geschichte. Videorekorder und DVD-Player haben für die Kinder von heute einen ähnlichen Stellenwert wie für uns damals Schellackplatten und Grammofone. Und zurückspulen tun wir allenfalls noch unsere Gedanken. Aber das ist manchmal ja auch ganz schön.

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