Jahreswechsel in der Sonne
Die Winter in Bremen sind hart für südamerikanische Werder-Spieler, weiß unser Kolumnist Jean-Julien Beer.
Wer einmal erlebt hat, wie sich die Weihnachtstage und der Jahreswechsel in Südamerika anfühlen, der gerät schnell ins Schwärmen – und entwickelt Verständnis für so manchen Fußballer aus Brasilien oder Peru, der nach den Feiertagen schon mal ein wenig länger brauchte, um wieder seinen Dienst im deutschen Winter anzutreten.
Während bei uns die Christbaumkugeln vor dem lodernden Kamin funkeln, ist auf der Südhalbkugel Sommer. Das heißt: kurze Hose, T-Shirt, Badelatschen am Strand, Sonnenbrille und ein kühles Getränk. Im deutschen Januar dagegen: neblige zwei Grad, Nieselregen, Wasserpfützen und erkältete Mitmenschen.
Manche Fußballprofis waren kreativ, wenn sie nach einer Entschuldigung für ihren verlängerten Heimaturlaub suchten – kranke Oma, Streik am Flughafen, Probleme mit den Papieren. Andere, wie Ailton, waren einfach ehrlich: „Habt Ihr das Wetter in Brasilien gesehen?“, fragte er mal die deutschen Journalisten, die ihn verhören wollten. Und er gab die Antwort gleich selbst: „Da wollte mein Körper einfach nicht zurück ins kalte Deutschland fliegen.“
Viele Bundesligavereine mussten sich schon mit verlängerten Weihnachtsurlauben ihrer Südamerikaner herumschlagen. Dabei ging es nicht immer nur darum, länger unten zu bleiben, sondern auch früher hinzufliegen. Zum Beispiel in einem Dezember in Bremen: Claudio Pizarro (Peruaner) und Ailton (Brasilianer) spielten bei Werder – und beiden hatten kurz vor Weihnachten schon je vier Gelbe Karten gesehen; es fehlte nur noch eine für eine Gelbsperre. Im vorletzten Spiel vor der Winterpause holte sich Ailton schnell die fünfte Verwarnung ab und bat Pizarro, das bitte nicht auch zu machen. Doch der gute Claudio wollte ebenfalls in die Sonne – und holte sich die fünfte Gelbe Karte ab.
Ihr Plan, nun ein paar Tage früher aus Bremen wegfliegen zu dürfen, ging aber nicht auf. Trainer Thomas Schaaf durchschaute die beiden und nahm sie kurz vor Weihnachten trotz Sperre mit zum letzten Spiel in Unterhaching. Ailton schwört heute noch, dass es dort minus 15 Grad hatte, als er mit Pizarro auf der Tribüne fror. Erst danach durften beide in die Sonne fliegen.