„In jeder Figur steckt etwas von mir“
Interview mit Bestsellerautor David Safier / Neuer Roman „Miss Merkel: Mord in der Uckermark“
Wir sprachen mit dem Drehbuchautor und Schriftsteller darüber, wie er zum Schreiben kam, wie seine Geschichten entstehen und warum in seinem Buch ausgerechnet die Bundeskanzlerin ermittelt.
Durch die Fernsehserie „Berlin, Berlin“, deren erste Staffel im Jahr 2002 über die Bildschirme lief, wurde David Safier als Drehbuchautor praktisch über Nacht einem breitem Publikum bekannt und dafür unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem Emmy ausgezeichnet. 2007 erschien mit „Mieses Karma“ sein erster Roman, der sogleich die Spitze der Bestsellerlisten erreichte. Der gebürtige Bremer lebt noch heute in der Hansestadt und hat im Alter von 54 Jahren seinen ersten Krimi herausgebracht. In der Titelrolle: Angela Merkel.
Wie sind Sie Autor geworden?
Während kurz vor dem Abitur meine Mitschüler in der Regel schon wussten, was sie später einmal machen wollten, war das zu dem Zeitpunkt bei mir noch nicht so. Während der Abschlussfahrt habe ich das Taschenbuch „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams gefunden und bereits nachdem ich fünf Seiten gelesen hatte, genau gewusst, dass ich so etwas auch machen wollte. Aber natürlich wird man dann nicht von heute auf morgen einfach Schriftsteller.
Dann erzählen Sie mal ...
Ich habe zunächst studiert und dann angefangen, bei Radio Bremen zu arbeiten. Zunächst als Journalist, ich konnte mich dann dort aber auch in verschiedenen Formaten ausprobieren. So ist zum Beispiel mit Arnd Zeigler die heute unter den Namen „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ bekannte Sendung entstanden. Als meine Frau schwanger wurde, bekam ich die Chance, ein Drehbuch zu schreiben – für eine Serie, die zwar gedreht, aber nie ausgestrahlt wurde. Ich sah das damals als meine letzte Chance an, doch noch Autor zu werden. Fortan arbeitete ich als Drehbuchautor und kurze Zeit später kam dann der große Erfolg mit der Fernsehserie „Berlin, Berlin“.
Unter anderem wurden Sie für das Drehbuch mit dem Grimme-Preis und die Serie mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ sowie dem „Emmy“ in den USA ausgezeichnet …
Das ist richtig. Alles tolle Auszeichnungen, die unter anderem dazu führten, dass ich heute auch Romane schreibe.
Wie das?
Aufgrund der Preise hat schließlich auch die „Süddeutsche Zeitung“ auf einer ganzen Seite über mich berichtet. Anschließend wurde ich von meinem heutigen Verlag angerufen, ob ich mir nicht auch vorstellen könnte, Romane zu schreiben. Und das wollte ich ja eigentlich schon seit ich Abiturient war …
Aufgrund der Preise hat schließlich auch die „Süddeutsche Zeitung“ auf einer ganzen Seite über mich berichtet. Anschließend wurde ich von meinem heutigen Verlag angerufen, ob ich mir nicht auch vorstellen könnte, Romane zu schreiben. Und das wollte ich ja eigentlich schon seit ich Abiturient war …
Hatten Sie gleich eine Idee, was Sie schreiben könnten?
Nein, hatte ich nicht. Ich habe mir überlegt, was ich machen könnte, anschließend vier Ideen konzipiert und sie dem Verlag als Vorschläge unterbreitet. Der Verlag hat sich dann für „Mieses Karma“ entschieden. Nicht die schlechteste Entscheidung, wie sich herausgestellt hat.
Wie entstehen Ihre Geschichten?
Am Anfang gibt es immer eine Grundidee. Anschließend überlege ich, wer diese Idee leben könnte. Zum Beispiel bei „Mieses Karma“. Eine Fernsehmoderatorin als Ameise wiedergeboren wird und über das Einsammeln von gutem Karma versucht, wieder zum Menschen zu werden. Wenn eine solche Konstellation steht – Idee, Hauptfigur und Nebenfiguren – gehöre ich zu den Autoren, die dann einfach darauf losschreiben und mal gucken, was passiert. Stephen King hat einmal gesagt: „Wenn ich überrascht bin, was die Figuren machen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es dem Leser auch so geht.“
Und das funktioniert?
Bei mir schon, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass ich beim Fernsehmachen sehr viel Handwerk über Strukturen von Geschichten gelernt habe. Ich weiß, wann etwas passieren muss, wann ich zu einem gewissen Punkt gelangen muss. Ich habe eine gewisse Sicherheit in mir, wann was in welcher Länge kommen muss.
Wie viel Autobiografisches steckt in Ihren Figuren?
Für mich ist das ein bisschen wie bei einem Schauspieler. Ich versuche in jede Figur „hineinzugehen,“ ohne diese Figur selbst zu sein. Also überlege ich mir, wie ich wäre, wenn ich die entsprechende Person, beispielsweise die eben angesprochene Fernsehmoderatorin beziehungsweise die reinkarnierte Ameise, sein würde. In jeder Figur steckt ein bisschen von mir. Es ist nicht autobiografisch, hat aber viel mit mir zu tun. Es gibt dazu eine nette Anekdote: Als meine Frau das Manuskript von „Mieses Karma“ drei Wochen vor Erscheinen des Buches gelesen hat, kam sie zu mir und sagte: „Das bist ja du als Frau!“
Spielen Menschen aus Ihrem Umfeld in Ihren Romanen auch eine Rolle?
Nein, das vermeide ich bewusst. Ich möchte schließlich nicht, dass Freunde, Bekannte oder Nachbarn mit Heugabeln, Spitzhacken und Fackeln bei uns vorm Haus stehen. (lacht)
Was ist Ihnen beim Schreiben beziehungsweise bei Ihren Büchern wichtig?
In erster Linie die Freiheit zu haben, machen zu können, was ich möchte. Es ist zudem sehr schön, wenn meine Bücher Menschen etwas bedeuten. Das bekommt man teilweise erst Jahre später mit, wenn man beispielsweise bei Lesungen angesprochen wird oder persönliche Nachrichten bekommt. Und natürlich ist es mir auch wichtig, dass meine Bücher gut funktionieren, wobei ich niemand bin, der ständig auf Bestsellerlisten guckt. Aber wenn sie sich anständig verkaufen, gibt mir das die Möglichkeit, auch andere Projekte zu realisieren.
Wie sieht Ihr Arbeitstag als Autor aus?
Früher habe ich tatsächlich täglich acht bis zehn Stunden am Tag geschrieben. Das mache ich heute nicht mehr so. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich vier bis fünf Stunden täglich am Schreibtisch sitze und schreibe. Ein bis eineinhalb Stunden telefoniere ich mit Geschäftspartnern, beantworte E-Mails oder gebe beispielsweise Interviews. Und ein bis zwei Stunden mache ich mir Gedanken über meine aktuellen oder kommenden Projekte. Das kann bei einem Spaziergang oder einer Tasse Kaffee sein. Früher habe ich meine Arbeit nur über das Schreiben definiert, mittlerweile bin ich ein wenig gnädiger mit mir und rechne die anderen Bereiche mit ein.
Kommen wir zu Ihrem neuen Buch. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Angela Merkel als Detektivin zu inszenieren?
Ich war 2019 mit meinem Agenten essen. Es war noch vor Corona. Frau Merkel war im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen auffällig selten in Talkshows oder suchte das Rampenlicht. Es war klar, dass ihre Zeit in naher Zukunft enden würde, und es kam bei uns beiden so ein wenig Nostalgie auf. Wir überlegten uns also, was sie wohl in Zukunft machen könnte. Dass sie, so wie einige andere Politiker vor ihr, an der Spitze großer Unternehmen aus der Wirtschaft auftauchen würde, hielten wir für ebenso ausgeschlossen, wie dass sie ständiger Talkshowgast werden würde. Was also wird sie wohl machen? Da ich ein großer Fan der Krimis von Agatha Christie bin und am Vorabend auch noch eine Folge von „Columbo“ im Fernsehen gesehen hatte, kam mir die Idee, dass ich sie in einem Roman ermitteln lassen könnte.
Da muss man auch erst einmal drauf kommen ….
Ja das stimmt. In diesem Fall habe ich auch zunächst andere gefragt. Ich habe die Idee meinem Agenten, meiner Frau und meinem jüngsten, damals 19-jährigen Sohn vorgestellt. Drei meiner Meinung nach unterschiedliche Personen, die eine schöne Schnittmenge abgeben. Nachdem diese drei die Idee super fanden, habe ich dem Verlag davon erzählt.
Worum geht es in dem Buch?
Wir schreiben das Jahr 2022. Merkel ist keine Bundeskanzlerin mehr und mit ihrem Mann sowie ihrem Mops namens Putin in die Uckermark gezogen. Zwar backt sie jeden Tag Kuchen, dennoch ist ihr langweilig. Bis sie auf einem Fest in einem Schloss eine Leiche findet. Plötzlich hat sie wieder eine Aufgabe …
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