„Ich sehe mich als Bühnenchamäleon“
Die Bremer Künstlerin Ela Fischer im Interview über ihren Auftritt beim „Internationalen Erzählfestival Feuerspuren“
Speakerin, Beraterin, Künstlerin, Mutter – Ela Fischer hat viele Gesichter. Sie wurde 1985 am Lac Rose im Senegal geboren, ist in Frankreich aufgewachsen und lebt mittlerweile seit 19 Jahren in Bremen. Sie singt, komponiert, schreibt und stand schon auf renommierten Bühnen. Am 9. November ist Ela Fischer erneut Teil des „Internationalen Erzählfestivals Feuerspuren“ in Gröpelingen und trägt im SB-Waschcenter ihren Text „Pink Pinguin“ vor. Im Gespräch mit dem STADTMAGAZIN erzählt sie von ihren Inspirationen, ihrer Liebe zu Bremen sowie ihrem Engagement für Bildung und soziale Gerechtigkeit.
Liebe Ela, seit 19 Jahren leben Sie mit Ihrer Familie in Bremen. Was hat Sie damals aus dem Elsass in den Norden gezogen?
Meine Urgroßeltern und Großeltern, die mich aufgezogen haben, stammen ursprünglich aus Travemünde – meinem absoluten Sehnsuchtsort. Schon früh war mir klar, dass ich in Norddeutschland leben möchte. Vor 19 Jahren verließ ich die Zwänge eines katholischen Privatinternats und zog nach Bremen. Mein erster Weg führte mich ins „Litfass“ im Bremer Viertel. Ich war sofort von der Stadt fasziniert und bin es bis heute geblieben. Ich vergleiche meine Bindung zu Bremen gerne mit den Bremer Stadtmusikanten – die machten sich auch auf den Weg und entdeckten, dass sie dort all ihre Leidenschaften ausleben konnten – genau wie ich.
Was schätzen Sie besonders an Bremen?
Ich mag das Zusammenspiel von Größe und Menschen. Bremen ist für mich nach wie vor eine kleine Großstadt mit Straßenbahn, in der ich im Laufe der Jahre die besten Menschen getroffen habe. Ich kann vieles zu Fuß erreichen. Vor allem nachts flaniere ich gerne durch die Innenstadt und verweile vor dem Rathaus. Die Architektur und die Denkmäler haben es mir angetan. Ich bin nach wie vor in diese Stadt verliebt, in der man wirklich gut leben kann. Gleichzeitig sehe ich noch Potenzial im Bildungs- und Schulwesen, insbesondere in Bezug auf Antidiskriminierung und Antirassismus.
Wie gestaltet sich Ihr Schreibprozess und woher ziehen Sie Inspirationen?
Wer meinem Instagram-Profil folgt, weiß, dass ich häufig gesellschaftspolitische Botschaften teile. Die Reaktionen meiner Follower inspirieren mich. Dazu lese ich viel und begebe mich mit offenen Augen durch die Stadt, um Inspirationen zu sammeln. Meine Texte entstehen aus meinen Beobachtungen und Notizen, meist mit persönlichem Bezug und einem Appell an unsere soziale Verantwortung. Das Schreiben fällt mir vermutlich aufgrund meiner Wurzeln als Teil der Griots-Familie, der traditionellen senegalesischen Geschichtenerzähler, leicht.
In Ihren Texten wird deutlich, dass Ihr Herz vor allem für Kinder und Bildung schlägt.
Die Möglichkeit, heute das zu tun, was ich liebe, ist ein Geschenk, das ich mir als junge Mutter über Umwege erarbeitet habe. In meiner Haupttätigkeit widme ich mich der bildungspolitischen Arbeit. Dafür gehen wir direkt in die Schulen und begleiten vor Ort Transformationsprozesse in Bezug auf Intersektionalität und Diversität. Zudem gebe ich Workshops.
Sie stehen auch als Künstlerin auf der Bühne. Wie kam es dazu?
Ich habe schon früh meine künstlerische Ader entdeckt. Schon als Kind saß ich oft stundenlang am Klavier und verfasste eigene Texte. Mit elf Jahren schrieb ich mit Unterstützung meiner Lehrerin einen Song, der die gesamte Schule bewegte. Heute bin ich wandelbarer: Ich sehe mich als Bühnenchamäleon. Man kann mich als Moderatorin, Speakerin und Musikerin erleben. Dabei suche ich gar nicht unbedingt die große Bühne. Mir sind eine spannende Keynote und ein wissenschaftlicher Hintergrund wichtiger. Mein Spektrum an Tätigkeiten vergleiche ich gerne mit der bunten Farbpalette eines Regenbogens. Dazwischen bin ich eine liebevolle Mutter von vier Kindern, die im Alltag zwischen Hausaufgaben und Abendessen gerne mit ihrer Familie herumalbert.
Eine gute Gelegenheit, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, bietet sich am 9. November 2025 beim „Internationalen Erzählfestival Feuerspuren“ im SB-Waschcenter in Gröpelingen.
Schon bei meiner ersten Teilnahme an der „Langen Nacht des Erzählens“ im Jahr 2018 habe ich mich in das Festival verliebt. Mich reizt die Idee, dass Erzählerinnen und Erzähler hinausgehen und den Menschen in ihren Stadtteilen Geschichten mit auf den Weg geben. Beim diesjährigen Thema „Sichtbar“ fühlte ich mich sofort angesprochen. Nachdem ich 2024 in einem Fahrradladen erzählt habe, kehre ich nun erneut in den Waschsalon zurück. Beim letzten Mal haben sich dort Menschen verschiedenster Herkunft getroffen, die eigentlich wegen des Waschens kamen und dann geblieben sind. Es ist ein schöner barrierefreier Ort, an dem man auf einer Waschmaschine sitzen und mir zuhören kann, während die Wäsche läuft.
Welche Botschaft möchten Sie mit Ihrem Beitrag „Pink Pinguin“ vermitteln?
Im Kontext des Themas „Sichtbar“ geht es mir darum, Sichtbarkeit zu schaffen, Mut zu machen und Spuren zu hinterlassen. Auch ein Pinguin muss immer darauf achten, dass er auf den rutschigen Eisschollen bestehen kann und sichtbar bleibt. In einer sich ständig wandelnden Gesellschaft ist es wichtig, mutig zu sein und Stärke zu zeigen, um alle Herausforderungen zu meistern. Meine Mission ist, dass es einfacher ist, gemeinsam das gesellschaftliche Machtgefüge zu überwinden, indem man sich gegenseitig unterstützt. Diese Botschaft richtet sich an alle Menschen im Raum, ohne jemanden auszuschließen. Jeder soll sich vertreten fühlen und den Mut nicht verlieren. Als schwarze Frau mit vier Kindern und einer schweren Neuroerkrankung habe ich in den vergangenen 40 Jahren viel erlebt und bin immer wieder aufgestanden. Ich möchte gerne ein Vorbild sein.
Was wünschen Sie sich für Bremen?
Ich wünsche mir einen zentralen Begegnungsort, der zum Verweilen einlädt. Ich liebe solche warmen und bedingungslosen Plätze, wie es sie in Amsterdam oder anderen Städten gibt, wo man auf Treppen sitzt und die Gesellschaft zusammenkommt.
Was ist Ihr persönlicher Traum?
Mein größter Wunsch ist es, eine Stiftung zu gründen, um auf einem Bauernhof ein sogenanntes „Safe House“ für traumatisierte junge Menschen und alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern zu schaffen. Dort sollen sie einen heilpädagogischen Rückzugsort finden. Der Gedanke an Wohltätigkeit liegt mir sehr am Herzen. Und ich hoffe, dass ich meinen persönlichen Traum mit meiner perfektionistischen Veranlagung als geborener Steinbock gesundheitlich und finanziell umsetzen kann. Die Planungen für dieses Projekt laufen. Zudem träume ich davon, dass niemand mehr an Weihnachten allein ist, und möchte einen festlichen Rahmen in der Stadt schaffen, der für alle zugänglich ist. Ich hoffe, demnächst auch andere von meinem Vorhaben überzeugen zu können.