Hubert, Karl & Walther
Matthias Höllings
Der ehemaliger Pressesprecher der ÖVB-Arena wirft in seiner Kolumne einen Blick auf die Künstlernamen in der Volksmusik.
Es ist noch gar nicht so lange her, so um 1170, da wurde nahe einer Vogelweide ein Junge namens Walther geboren. Nachnamen gab es damals noch nicht, aber als er einige Jahre später seine Liebeslieder schrieb, kannten ihn viele als den „Walther von der Vogelweide“.
Mit einem Adelstitel hatte sein „von“ im Namen nichts zu tun. Es wurde einfach nur benutzt, um auf seinen Wohnsitz hinzuweisen. Ein paar hundert Jahre später war das noch immer so. Der flämische Maler Anthonius von Dyck (1599–1641) lebte zu seiner Zeit am Deich und kam so zu seinem Namen. Doch auch auf die Herkunft lässt ein Name schließen. 1955 wurde im ostfriesischen Ihrhove (ein Dorf zwischen Leer und Papenburg) der kleine Kalle Buskohl (Weißkohl) geboren, der als Steppke stets dachte, er hieße „Walter Sien“, da alle Nachbarn ihn so nannten. Sein Vater hieß Walter und Kalle war „sein“ (im Plattdeutschen „sien“) Sohn. Später gefiel ihm sein richtiger Nachname Buskohl auch nicht mehr und er nannte sich nach einer Nobelherberge, in der er sich gut aufgehoben fühlte (Hotel Ritz-Carlton) dann folgerichtig Carl Carlton und wurde festes Mitglied der Peter-Maffay-Band. Auch Norbert Grupe, ehemaliger Profiboxer und Schauspieler, legte sich speziell für seine Auftritte in den USA den auch nicht adeligen Künstlernamen „Prinz Wilhelm von Homburg“ zu, weil er es nicht als cool empfand, dass die Amerikaner seinen echten Nachnamen Grupe wie Groupie aussprachen. Kann man verstehen.
Und jetzt kommt Hubert in unser Flachland, nicht der aus der Fernsehserie „Hubert ohne Staller“ aus Bayern, sondern der Österreicher „Hubert von Goisern“ – auch wieder kein Adeliger. In Bad Goisern kannten ihn in seiner Jugend alle als den „Hubert mit der Quetschkommode“, heute gilt er, und nicht etwa Andreas Gabalier, als der Erfinder des Alpenrocks. Ende der 80er Jahre ist dieser Hubert quasi vom Berg gestiegen und hat seinen Jüngern die Volksmusik gepredigt und damit völlig anders als üblich nähergebracht. Danach pilgerte er in die Welt, mehrte seine Gefolgschaft und mixt seitdem musikalisch unaufhaltsam Tradition und Moderne. Hubert ist auf eine ganz besondere Art „eigenwillig“.
Bei einem vorab angemeldeten Interviewtermin am frühen Morgen in einem Hamburger Hotel saß er mir einmal im Schneidersitz volle zehn Minuten am Frühstückstisch schweigend gegenüber und sah dabei entweder aus dem Fenster oder mich an. Erst empfand ich diese nonverbale Unterhaltung irritierend, dann aber doch sehr sympathisch. Da ich blieb, haben wir uns nach seiner Schweigeaktion sehr angeregt über die Gemeinsamkeiten seiner österreichischen Landsleute und denen meiner zweiten Heimat Ostfriesland unterhalten. Um sein neues Musikprojekt ging es uns dabei nicht mehr. Den „Walther von der Vogelweide“ habe ich verpasst, aber jetzt kommt „Hubert von Goisern“ von der Alm zu uns, der eigentlich „Hubert Achtleitner“ heißt. Am 4. Juni wird er nicht schweigend auf der Bühne des Metropol Theaters in Bremen sitzen (hoffe ich). Er wird stehen, singen und vielleicht sogar jodeln.