„Großartig, spannend und ein bisschen einschüchternd“
„jazzahead!“: Interview mit dem neuen künstlerischen Leiter Götz Bühler
Der Hamburger Götz Bühler ist Musikjournalist, war Labelmanager und legt gelegentlich als DJ auf. 2021 moderierte der Jazzfan die digitale Ausgabe der „jazzahead!“. Ein Jahr später führte er im Metropol Theater durch die Verleihung des „Deutschen Jazzpreises“. 2024 übernimmt er nach 17 Jahren die künstlerische Leitung der Veranstaltung von Peter Schulze und Uli Beckerhoff. Im Interview erklärt der 56-Jährige, dass er nicht in leitender, sondern vielmehr in beratender Funktion tätig sei, was sich unter seiner Beratung ändern wird und auf welche Acts er sich in diesem Jahr ganz besonders freut.
Wie fühlt es sich an, die künstlerische Leitung der „jazzahead!“ zu übernehmen?
Großartig, spannend und auch ein bisschen einschüchternd. Tatsächlich ist der offizielle Titel aber künstlerischer Berater. Weil das, was Peter Schulze und Uli Beckerhoff bisher gemacht haben, und das, was ich ab diesem Jahr mache, ja eher eine beratende Tätigkeit ist.
Wie meinen Sie das?
Die „jazzahead!“ ist ein Showcase-Festival und zwar schon seit 2009. Die dort auftretenden Acts werden von einer beziehungsweise von mehreren Jurys ausgewählt. Der Titel künstlerischer Leiter ist ein bisschen irreführend, weil dann oft gedacht wird, ich würde entscheiden, wer ein Showcase bekommt und wer nicht. Das ist am Ende aber gar nicht so. Ich habe natürlich trotzdem ein wenig Einfluss, da ich die Jurys zusammenstelle. Insofern ist mein Aufgabenfeld nicht ganz so einschüchternd, weil ich ein Teil eines großen Ganzen und Teil eines sehr gut funktionierenden Organismus bin. Wichtig an dieser Stelle ist die Projektleiterin Sybille Kornitschky, die von Anfang an dabei ist und alle Fäden in der Hand hat.
Aber Sie kennen die „jazzahead!“ ja auch bereits ganz gut …
Das stimmt (lacht). Ich war schon als Gast 2006 auf der ersten „jazzahead!“ dabei und habe seitdem nicht eine einzige verpasst, und das in unterschiedlichen Rollen. Für mich ist das Ganze also nicht wirklich Neuland. Dennoch stellt es für mich persönlich eine äußerst spannende Aufgabe dar, auf die ich mich sehr freue. Ich weiß, was die „jazzahead!“ der Branche, den Musikerinnen und Musikern und letztendlich auch mir immer bedeutet hat. Das Festival hat bei mir immer für Glücksmomente gesorgt, ich habe unglaublich viele spannende Bekanntschaften gemacht und auch sehr viele Freundschaften geschlossen. Also ist es ein toller Job – ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich ihn machen darf.
Wird es unter dem künstlerischen Berater Götz Bühler zu Änderungen kommen?
Ich sehe überhaupt keinen Bedarf an grundsätzlichen Veränderungen oder habe den Drang, dort aufzuräumen. Die Erfahrungen, die in den vergangenen Jahren gemacht worden sind, wollen wir nutzen. Aber natürlich wird es hier und dort kleinere Veränderungen geben, wenn man so will. Ich würde sie eher Neuerungen nennen. In diesem Jahr stellen wir beispielsweise ganz bewusst das Thema Diversität in den Vordergrund. Zudem gibt es erstmals ein Label-Meeting – das ist aber gar nicht von mir angeschoben worden, sondern war schon in Planung. Dabei geht es uns darum, dass sich die richtigen Menschen auf der „jazzahead!“ treffen und sich daraus etwas entwickelt. Wir wollen ein kreativer Schmelztiegel zwischen Labels, Musikerinnen, Arrangeuren, Veranstaltern und so weiter sein.
Gibt es Ziele, die Sie sich persönlich bezüglich der „jazzahead!“ gesetzt haben?
Die gibt es. Was Deutschland aus unserer Sicht dringend braucht, ist ein Export-
büro für Musik. So etwas haben alle anderen Länder um uns herum längst und sie sind sehr erfolgreich damit. An diese Erfolge wollen wir anknüpfen, um das Bild des Jazz aus Deutschland noch mehr und besser präsentieren zu können.
Gibt es etwas, auf das Sie sich bei der diesjährigen „jazzahead!“ ganz besonders freuen?
Eigentlich müsste ich jetzt alles sagen. Es ist tatsächlich so, dass ich fast jeden Tag einen anderen Blick auf die Veranstaltung habe und sich der Fokus dementsprechend ändert. Gerade haben wir an der „Clubnight“ gesessen, bei der wieder mehr als 70 Acts auftreten, also bin ich momentan gedanklich sehr bei ihr …
Ein bisschen konkreter müssten Sie schon werden ...
Okay, ich will es versuchen. Mir gefällt zum Beispiel, dass es uns sowohl in den Showcases als auch in der „Clubnight“ gelungen ist, das Thema „Jazz from Africa“ zu integrieren, freut mich wirklich sehr. Als wir vergangenes Jahr die „jazzahead!“ bei einer Musikmesse in Marokko präsentierten, befand sich direkt gegenüber von unserem ein koreanischer Stand. Irgendwann fragte ich dort mal nach interessanten und aktuellen Jazzkünstlern aus Korea. Sofort wurde der Name der Band genannt, die auch bei uns im Showcase zu sehen sein wird – und das bei der riesigen Jazzszene Südkoreas. Yonglee & The Doltang heißt die fünfköpfige Band, die progressive, rockbasierte, improvisierte Musik spielt. Darauf freue ich mich ganz besonders, aber auch auf die vielen afrikanischen Bands. Und auf die vielen Künstlerinnen, die dieses Mal dabei sind, die Saxofonistin Kika Sprangers zum Beispiel. Oder das nordafrikanisch-niederländische Marmoucha Orchestra. Ich könnte jetzt problemlos so weiter machen …
Was ist für Sie das Besondere am Jazz?
Es wird nie aufhören, dass man etwas Neues in dem entdecken kann, was wir heute Jazz nennen. Die Wahrnehmung ist einfach sehr unterschiedlich. Wenn man drei Jazzfans fragt, was Jazz ist, bekommt man vier unterschiedliche Antworten. Und das ist auch das Schöne an dieser Musik. Ich kann allen nur empfehlen, sich einfach mal darauf einzulassen. Gerade bei der „jazzahead!“ bieten wir ein unglaublich breites Spektrum.