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Foto: A. Zuchold
#Kolumne – Baby Boomer Böhling
18. März 2025

Geliebter Bandsalat

Unser Kolumnist Dirk Böhling erinnert an ein ganz besonderes Speichermedium seiner Zeit.

Unser Kolumnist Dirk Böhling erinnert an ein ganz besonderes Speichermedium seiner Zeit.

Es wird höchste Zeit, diese Kolumne einem Wegbegleiter meiner Kindheit und Jugend zu widmen, an den sich alle Babyboomer erinnern. Wenn Sie wissen, wozu man einen Bleistift außer zum Schreiben oder Schraffieren noch benutzen konnte und nicht selten auch musste, dann sind Sie voll im Thema. Sie einfach nur als Tonträger zur elektromagnetischen, analogen Aufzeichnung und Wiedergabe von Tonsignalen zu bezeichnen, ist ebenso herzlos wie unromantisch. Und sie spröde mit den Buchstaben „MC“ abzukürzen, war nur der K-tel-Werbung im Fernsehen gestattet.

Nein, sie war viel mehr: für die Kleinen ein geliebter Geschichtenerzähler vor dem Schlafengehen, für die etwas Größeren ein Kreativitätstreiber in Sachen „erstes eigenes Hörspiel“ und für die noch Größeren ein Garant auf dem Weg zum eigenen Musikgeschmack oder ein romantisches Hilfsmittel in Sachen „erste Liebe“. Jeder erinnert sich an sein erstes Mixtape, oder? Wie oft saß ich mit dem typischen Zweifingergriff lauernd über den Tasten mit der Aufschrift „Rec“ und „Play“, um ja nicht den richtigen Moment zur Aufnahme zu verpassen.

Ich nahm zum Beispiel Töne aus dem Fernseher auf, und weil ich erst später ein „Überspielkabel“ bekam, durfte die ganze Familie während der Sendung nicht sprechen. Ich nahm auch mich selbst und meine Freunde als akustische Akteure auf und nannte das Werk dann: „Der Polizeiroman – Ein spannendes Hörspiel mit drei klugen Detektiven“ – so ist es bis heute auf der Hülle der alten C-60 nachzulesen.

Zu meinem elften Geburtstag bekam ich dann einen Radio-rekorder – ein Meilenstein meiner Kindheit und todschick. Fortan hatte ich zwar in der Schule immer noch keinen Schimmer, was der Physiklehrer erzählte, aber was eine Chrom-Kassette mit Dolby-Rauschunterdrückung war, das wusste ich.

Nun nahm ich also Musik aus dem Radio auf und war stinksauer, wenn irgendeine Radiostimme in das jeweilige Lied hineinquatschte. Ich baute mir sogar meine eigene kleine Mediathek, auch wenn es das Wort noch gar nicht gab. Ich hatte mir ein DIN-A5-Heft aus der Schultasche abgezweigt, darin feinsäuberlich die Nummer der Kassette, also „Band 1“ und so weiter notiert und die darauf befindlichen Musiktitel aufgelistet. Das Heftchen habe ich heute noch – und „Band 3“ auch. Das hielt ich schon damals musikästhetisch für besonders gelungen.

Der Radiorekorder konnte noch mehr – nämlich nicht nur externe Boxen, sondern auch einen Plattenspieler an das Gerät anschließen und komplette LPs oder Doppel-Alben aufnehmen. So wurden aus den 60er- gerne mal 90er-Kassetten, die allerdings viel anfälliger für Bandsalat waren, womit wir wieder bei dem schon zitierten Bleistift sind. Das höchste der Gefühle aber war ein Abspielgerät, das automatisch auf die andere Kassettenseite wechselte. Das war vor allem in der Zeit von Bedeutung, als man knutschbedingt nicht alle 30 oder 45 Minuten vom Sofa aufstehen wollte. Ja, sie hat uns durch die Entwicklungsstufen begleitet und ist dann schließlich selbst auf der Strecke geblieben. Eigentlich schade, denn ein so inniges Verhältnis kann man zu Internetportalen und Streamingdiensten sicher nicht aufbauen.

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