Früher war alles …
... besser! Oder doch nur anders? Dieser Frage geht der Baby-Boomer-Böhling auf den Grund.
Schon klar: Sie denken jetzt, dass diese Überschrift in eine gängige Floskel mündet, die irgendwo zwischen dem Tannenbaumschmuck-Zitat von Loriot und dem sofort statistisch widerlegbaren Blick in die Vergangenheit herumwabert. Ein Satz, für den sich scheinbar eine ganze Generation – wenn nicht gleich zwei – zum kollektiven Kopfnicken verabredet hat. Ein Satz, den seltsamerweise unsere Großeltern auch schon gesagt haben, als wir mit ihnen Schwarz-Weiß-Fotos im Familienalbum angeschaut haben.
Doch wer auch immer diesen Satz sagt, denkt oder abstreitet, in jedem Fall muss er „Früher war alles anders“ heißen. Besser war es sicher nicht, und das in vielerlei Hinsicht. Es stimmt nicht, dass in unserer Baby-Boomer-Kindheit bessere Zeiten herrschten, die Welt friedlicher, die Luft sauberer und das Leben sicherer war, als es heute der Fall ist, aber es kommt einem trotzdem so vor. Wenn ich irgendwo meine Baby-Boomer-Geschichten erzähle, sehe ich auf den Gesichtern der Zeitzeugen-Zielgruppe meistens ein liebevolles Lächeln und höre nicht selten ein fast sehnsuchtsvolles Seufzen. Das freut mich natürlich, wirft aber gleichzeitig auch immer die Frage auf, was es eigentlich war, dass diese Zeit so anders gemacht hat als die jetzige.
Daran, dass wir damals alle noch zu Hause gewohnt haben, kann es ja wohl nicht liegen.
Woran liegt es denn dann, dass viele Baby-Boomer mit dieser liebevollen Verklärung zurückblicken? Was genau war anders, als die geburtenstarken Jahrgänge in den 1970ern Kinder und in den 1980er-Jahren Jugendliche waren?
Wieso kommt es uns so vor, als wäre es gemütlicher, freundlicher und irgendwie sicherer gewesen? Darauf hat sicher jede und jeder eine andere Antwort. Meine ist diese: Wenn ich mich in meine Kindheit und in die Zeit als Jugendlicher zurückversetze, dann fällt mir vor allem auf, dass ich als Kind sehr oft sehr wenig wusste, was gerade in der Welt passiert. Das bedeutete zum einen, dass ich weniger aufgeklärt, zum anderen aber auch weniger aufgeregt war.
Was meine Eltern – und später auch ich – über die Weltlage wissen wollten, lasen sie in der Zeitung, hörten es im Radio oder bekamen es ab 20 Uhr von Herrn Köpcke vorgelesen. Und sie waren darauf vorbereitet, denn sie hatten mit Absicht die Zeitung gekauft, das Radio oder den Fernseher eingeschaltet. Es war eben nicht so, dass man an jeder Straßenecke ungefragt „Breaking News“ bekam und sich die Katastrophenmeldungen auf dem Mobiltelefon piepende Konkurrenz machten. Schlechte Nachrichten und Negativmeldungen gab es zu jeder Zeit, und dass die Medien darüber berichten, ist ihre Aufgabe, gar keine Frage. Für die heutige Zeit habe ehrlicherweise keinen Lösungsansatz für dieses Thema – bis auf den, dass jedwede Mediennutzung besonders bei und von Kindern gelernt sein will und soll. Eine Antwort auf die Frage, warum viele gerne den „Früher war alles … anders“-Satz sagen, ist es aber in jedem Fall.
Bevor ich jetzt aber klinge wie Oma und Opa vorm Fotoalbum, wünscht Ihnen der Baby-Boomer eine schöne Weihnachtszeit und einen entspannten Jahreswechsel – im besten Fall nur mit guten Nachrichten!