„Filmemachen hat oft etwas mit Fußball zu tun“
Michaela Schaffrath trifft Regisseur und Drehbuchautor André Erkau im Interview über seine Liebe zum Film und aktuelle Projekte
André Erkau ist nicht nur ein erfolgreicher Regisseur und Drehbuchautor: Er ist auch ein echter Bremer Jung. Nach einem abgebrochenen Psychologiestudium entschied sich André Erkau für eine Schauspielausbildung in Hamburg, die er mit Ende 20 abschloss. Doch die Schauspielerei war für ihn nur eine Zwischenstation, denn ihn reizte die Vorstellung, hinter der Kamera zu arbeiten und Geschichten zu erzählen. Es folgte ein Filmregie-Studium in Köln, welches er 2005 mit Auszeichnung absolvierte. Die Kombination aus emotionalen Geschichten gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit ist früh zu seinem Markenzeichen geworden und prägt viele seiner Inszenierungen wie etwa die Kinofilme „Happy Burnout“ mit Wotan Wilke Möhring oder „Gott, Du kannst ein Arsch sein“ mit Heike Makatsch und Til Schweiger. Seit 14 Jahren lebt der gebürtige Dortmunder wieder mit seiner Familie in Bremen. Im Bistro des Bremer Filmtheaters Gondel traf STADTMAGAZIN-Kolumnistin Michaela Schaffrath den Künstler zum Schnack.
Moin André, ich dachte mir, wir treffen uns hier im Filmtheater Gondel, weil wir beide einiges mit Kino zu tun haben. Außerdem sind hier schon Filme von dir gezeigt worden.
Ja, das stimmt. Ich bin tatsächlich sehr häufig hier, da ich in der Nähe wohne. Aber ich muss gestehen, dass ich hier noch nie einen Film von mir gesehen habe.
Ein besonderes Markenzeichen deiner Regiearbeit sind emotionale Geschichten, gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit. Was reizt dich daran?
Reizen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich würde eher sagen, dass die Chance, einen guten Film zu machen, darin liegt, nicht irgendwelchen Trends hinterherzurennen, sondern sich selbst zu fragen, was einen interessiert oder wie man das Leben sieht. Ich bin generell ein optimistischer Mensch, kann aber natürlich nicht ausklammern, dass ich eines Tages sterben werde und dass auch Menschen, die mir sehr nahestehen, irgendwann von mir gehen. Die Mischung aus Melancholie und Komik ist etwas, was mich in meinem Leben begleitet und meine Art, dem ein Ventil zu verschaffen, sind halt meine Filme.
Du hast deine Berufung zum Regisseur erst mit 32 Jahren entdeckt. Zuvor hast du als Schauspieler gearbeitet, vorwiegend am Theater. Warum wolltest du von der Bühne hinter die Kamera wechseln?
Ab einem bestimmten Punkt im Theater dachte ich: Das ist eigentlich nicht das, was ich will. Ich hatte zwar immer eine große Liebe zum Theater und den direkten Kontakt zum Publikum immer sehr genossen. Aber irgendwann fühlte sich das für mich nicht mehr gesund an. Rückblickend betrachtet, war ich zu sehr unter Dampf und habe mir selbst zu viel Druck gemacht. Ich habe mich dann an das erinnert, was ich eigentlich schon während meines Psychologiestudiums vorhatte, nämlich Theaterregie zu studieren. Da ich mich zu diesem Zeitpunkt aber schon mehr für das Kino als für das Theater interessierte, stand für mich fest, Filmregie zu studieren. Seit dieser Entscheidung hat sich mein Lebensgefühl verändert. Mir fällt nicht nur die Arbeit leichter, sondern auch das Leben.
Inwiefern?
Na ja, ich genieße es viel mehr, einfach nur zu sein und zu leben. Zudem bin ich gelassener. Aber das hängt wohl auch mit dem Älterwerden zusammen.
Aber gelassen bist du doch schon länger. Ich erinnere mich an ein älteres Interview mit dir, in dem du folgendes Lebensmotto nennst: „Erstmal losgehen und dann schauen, wo man ankommt.“
Ja, ich unterschreib das gern, aber schön, dass ich jetzt noch einen Nachsatz einfügen kann. Auf den ersten Blick hört es sich so an, als würde ich wie eine Flipperkugel durch mein Leben driften. Aber ich hatte schon ziemlich früh eine Vorstellung von der angestrebten Richtung und stets einen Kompass dabei. Und so ist es noch immer. Ich lese ein Drehbuch und denke, okay, dahin geht die Reise, da ist mein Nordstern, den ich nicht aus den Augen verliere. Aber ich bin natürlich im Austausch mit anderen. Es ist wichtig zu wissen, wo man hinwill und genauso wichtig, die Route immer wieder nachzujustieren.
Ist es bei der Regiearbeit ein Vor- oder Nachteil, dass du selbst Schauspieler bist?
Ich glaube, ganz am Anfang war es von Nachteil, weil ich bei meinen Kurzfilmen in der Filmhochschule immer selber mitspielen wollte und anderen Schauspieler:innen kaum Raum gelassen habe. Aber mittlerweile ist das überhaupt kein Problem mehr, da ich mit der Zeit komplett loslassen konnte und ich heute in meinen Filmen nur noch kleine Rollen, wie den Pizzaboten oder Ähnliches spiele. Das mache ich auch nur, um Geld zu sparen.
Dass es Cameo-Auftritte von dir in einigen deiner Filme gibt, ist mir schon aufgefallen. Machst du das wirklich nur, um Kosten zu sparen oder soll das ein weiteres Markenzeichen von dir werden, wie man es zum Beispiel von Alfred Hitchcock kennt?
Damit es ein Markenzeichen wird, mache ich es zu unregelmäßig. Es ist tatsächlich so, dass ich nicht unbedingt dafür brenne, in jedem Film mit dabei zu sein. Aber ein Film wird manchmal sehr eng kalkuliert und dann hat man auf einmal eine Sprechrolle, für die man nur ein kleines Budget zur Verfügung hat und dafür soll ein Kleindarsteller oder ein Komparse engagiert werden. Dann denke ich mir: Ich mach’ das für umme und die Produktion kann das Geld anderweitig reinpacken. Mittlerweile bin ich uneitel genug, dass ich mich nicht unbedingt in den Film reinschneiden muss.
Wir unterhalten uns in circa 30 Jahren noch mal und dann bin ich gespannt, ob du nicht genau wie Clint Eastwood Regie führst und die Hauptrolle spielst …
Das ist ja toll, dass du jetzt ausgerechnet Clint Eastwood erwähnst! Den finde ich richtig klasse, weil er immer so unaufgeregt und ohne Schnickschnack Filme erzählt. Wenn ich hin und wieder mal ins Hadern gerate, gibt es zwei Leute, bei denen ich mich dann frage, wie würden die das jetzt machen: entweder Clint Eastwood oder Jürgen Klopp.
Im Ernst?
Na klar, Filmemachen hat oft etwas mit Fußball zu tun. Beim Film geht es wie beim Fußball darum, Menschen zu motivieren. Dass man Leute aufeinander einschwört und sich auf eine gemeinsame Richtung verständigt. Dass man dran bleibt. Auch wenn der Wind mal von vorn weht und man beim nächsten Spiel beispielsweise gegen Real Madrid antreten muss. Soll übersetzt auf die Filmwelt heißen, dass man ein romantisches Picknick bei Sonnenschein bei jedem Wetter drehen muss, selbst wenn es plötzlich zu regnen beginnt. Man muss aus der Not eine Tugend machen und entgegen jeder Wahrscheinlichkeit versuchen, das Spiel vielleicht doch noch zu gewinnen.
Bei deinem aktuellen Projekt arbeitest du wieder mit Oliver Mommsen zusammen. Darfst du schon verraten, worum es geht?
Nicht wirklich, da wir diesbezüglich gerade noch in den Anfängen stehen. Nur so viel: Ich habe im letzten Jahr den TV-Film „Mord oder Watt?“ mit Oliver Mommsen in der Hauptrolle gedreht, der noch vor seiner Ausstrahlung recht erfolgreich auf Filmfestivals läuft. Beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen ist unser Film sogar für den Rheingold-Publikumspreis nominiert. Zurzeit arbeite ich wieder mit Olli zusammen und wir drehen im Bremer Umland. Das freut mich total, vor allem, dass ich nach so vielen Jahren in dem Job endlich ein Projekt realisiere, bei dem ich nach Drehschluss nach Hause fahren kann.
Du wohnst seit mittlerweile 14 Jahren wieder mit deiner Familie in Bremen. Was gefällt dir denn an unserer Hansestadt?
Wahnsinnig vieles. Die Stadt ist wunderschön, es gibt so viele schöne Ecken, die ich problemlos mit dem Fahrrad erkunden kann. In wenigen Minuten ist man draußen auf dem Deich. Dort zu sein, bedeutet für mich totale Erholung und ich bekomme den Kopf frei. Zudem ist es so, dass ich in Bremen aufgewachsen bin und dass viele wichtige Dinge in meiner Kindheit beziehungsweise Jugend hier passiert sind, die mich geprägt haben. Bremen war und ist für mich Heimat.