Fällt Weihnachten aus?
Passend zur Weihnachtszeit dreht sich bei unserem Kolumnisten Matthias Höllings in diesem Monat alles um die Irrungen und Wirrungen zum heiligen Fest.
Mitte September, also noch im Sommer, hatten wir einen Supermarktprospekt im Briefkasten. Unter der Überschrift: „Jetzt wieder im Sortiment“ tummelten sich auf einer Doppelseite Angebote für Christstollen, Nussecken, Baumkuchenspitzen, Schokolebkuchen, Kipferl und Marzipanbrote. Bin sofort los und habe ordentlich zugeschlagen – also nicht ins Regal, sondern mit dem Einkaufswagen. Aus Panik, dass bis zum Fest die Haltbarkeitsdaten ablaufen, habe ich die Leckereien sicherheitshalber gleich in den nächsten Tagen verputzt. Die magische Vorfreude auf Weihnachten lag mir tagelang schwer im Magen.
Nur eine Woche vorher las ich in der Zeitung, dass der autoritäre Präsident Nicolás Maduro aus Venezuela Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen wollte. Kann man so ein Fest im Dezember einfach ausfallen lassen? Wenn ja, würde man sicherlich am Jahresende sparen, sowohl bei den Geschenken, beim Stress und auch bei den Terminabsprachen mit den Familienangehörigen. Auch das Singen von Weihnachtsliedern bliebe einem erspart und die Peinlichkeit, partout die zweite Strophe nicht mehr zu erinnern. Im saarländischen Ort St. Nikolaus gehen schon drei Monate vor Jahresende mehrere Zehntausende Kinderbriefe ein, die alle von einem großen Team beantwortet werden, sogar auf Englisch, Französisch und in mehreren osteuropäischen Sprachen. Wann hätten denn die Kinder aus Venezuela für Oktober schreiben müssen – zu Ostern?
Bereits im August machte die Presse darauf aufmerksam, dass das Weihnachtsbaumangebot in Niedersachsen und Bremen in diesem Jahr knapp wird, weil es in den Jahren 2017 und 2018 zu trocken war und die Bäume eingegangen sind. Und wenn es irgendwo knapp wird, wird es auch teurer. Hätten wir das auch geklärt – für dieses Jahr kaufe ich keinen Baum. Muss eben etwas anderes her. Und dann war da auch noch die Geschichte, dass Jesus nicht im Dezember, sondern eigentlich im August geboren wurde. Wegen der Umstellung der Kalender ist das scheinbar in Vergessenheit geraten. Für mich spricht das alles gegen Weihnachten.
Dass es auch anders geht, zeigt eine Geschichte aus dem letzten Jahr. In Halle IV auf der Bürgerweide wurde traditionell ein Weihnachtsessen für 1000 bedürftige und obdachlose Menschen ausgerichtet. Nach dem Fest fragte eine ältere Dame einen Mitarbeiter, was eigentlich mit den Dekoweihnachtsbäumen passiere? Er antwortete: „Die kommen in die Tonne. Wenn Sie wollen, nehmen Sie einfach einen mit.“ Wenig später saß besagte Dame mit einem Lächeln im Gesicht in der Straßenbahn. Es sah festlich aus, da sie „ihren“ Baum neben sich hatte. Nicht nur den nackten Baum, sondern mit allem Drum und Dran – Lametta, Beleuchtung, Sternen, Kugeln und Ständer. So hatte der Mitarbeiter es zwar nicht gemeint, aber diese Dame fuhr glücklich nach Hause. Sollte sie in diesem Jahr am 17. Dezember erneut bei „Dein Festmahl“ einen Weihnachtbaum ergattern, fällt zumindest für diese Frau Weihnachten nicht aus.