„Es ist immer ein bisschen wie nach Hause kommen“
Michaela Schaffrath trifft Schauspieler und Musicaldarsteller Ethan Freeman zum Interview, der vor 25 Jahren die erste Hauptrolle im Musical Theater spielte
In der Doppelrolle als Dr. Jekyll und Mr. Hyde eroberte Ethan Freeman 1999 die Herzen des Bremer Publikums. Seitdem kehrte der deutsch-amerikanische Musicaldarsteller mit verschiedenen Produktionen in die Hansestadt zurück. Im Vorfeld der „Footloose“-Premiere Ende Januar traf unsere Kolumnistin Michaela Schaffrath den 64-Jährigen, um mit ihm über die Liebe, Spaziergänge an der Weser, das Älterwerden auf der Bühne sowie über das Metropol Theater zu sprechen.
Herzlich willkommen zurück in Bremen, lieber Ethan! Du hast vor genau 25 Jahren das Metropol Theater, welches damals noch Musical Theater Bremen hieß, mit dem Musical „Jekyll & Hyde“ eröffnet. Wie war das damals für dich?
Es war für uns alle eine sehr große Herausforderung und in vielerlei Hinsicht eine Art Hängepartie, da wir nicht sicher waren, ob das Haus bis zur Premiere komplett fertig sein würde. Überall roch es noch nach Baustelle und Klebstoff. Dramatisch war vor allem ein Wasserschaden über der Bühne, der ein paar Wochen zuvor den Orchestergraben unter Wasser gesetzt hatte. Aber glücklicherweise konnten wir trotzdem den Premierentermin einhalten und es war eine aufregende und außergewöhnliche Premiere. Das ganze Team hat sehr gut miteinander funktioniert und ich hatte viel Unterstützung von einer wundervollen Kollegin, die dann einige Jahre später meine Frau wurde.
Soll das heißen, du hast deine Frau Monika Julia hier im Theater kennengelernt?
Ganz genau. Wir haben uns bei der Produktion kennengelernt und sie hat mir damals sehr geholfen, durch diese anstrengende Zeit mit der Rolle durchzukommen. Diese Rolle war für mich vom gesanglichen und schauspielerischen Anspruch her eine meiner größten Herausforderungen.
Also dann verbindet dich beziehungsweise euch noch mehr mit Bremen?
Oh ja, noch viel mehr. Nicht nur die berufliche, sondern auch meine persönliche Lebensgeschichte hat hier in Bremen tatsächlich eine große, starke und wichtige Wende genommen.
„Footloose“ ist mittlerweile die neunte Produktion, mit der du hier auf der Bühne stehst. Wie fühlt es sich für dich an, wenn du wieder in die Hansestadt kommst?
Es ist immer ein bisschen, wie nach Hause zu kommen. Das kann man schon sagen, da wir insgesamt zweieinhalb Jahre hier verbracht haben, wenn wir mal alle Produktionen zusammenzählen. Ich habe immer noch sehr gute Vibes, wenn ich hier bin und fühle mich einfach wohl.
Was ist für dich persönlich das Besondere am Metropol Theater?
Das Metropol Theater ist ein großartiges Haus. Es gibt sehr gute Bedingungen hinter der Bühne, weil man sehr viel Platz hat. Hier hat man große Seitenbühnen und die Tiefe der Bühne ist beeindruckend. Das konnte man für unser aufwendiges Bühnenbild von „Jekyll“ sehr gut nutzen. Viel Platz auf der Seite zu haben ist ein großer Vorteil und ungefährlicher, sofern alle Kabel gut weg geklebt sind. Es kommt oft vor, dass wir in unterschiedlichen Tourneetheatern fast keinen Platz für unsere Requisiten haben, doch im Metropol Theater haben wir allen Platz der Welt. Zudem ist der Zuschauerraum toll, optisch sehr schön und es fühlt sich für mich mittlerweile sehr vertraut an.
Wie hast du damals vor 25 Jahren Bremen kennengelernt?
Ich war tatsächlich Mitte der 80er bereits für zwei Wochen in Bremen, mit einem Kindermusical in einem Zelt im Bürgerpark, und ich konnte ein paar Eindrücke der Stadt aufsaugen. Das fand ich damals schon sehr schön, und die Stadt hat mich verzaubert. Deswegen war ich auch sehr begeistert, dass „Jekyll & Hyde“ 1999 hier gespielt wurde, weil Bremen eine wichtige, facettenreiche und spannende Stadt ist.
Hattest du Lieblingsorte in der Stadt?
Die gibt es in der Tat, aber ich weiß nicht, ob die noch da sind (lacht). Damals haben wir öfter ein paar nette Lokale besucht, wie zum Beispiel das „Medoc“ oder das „Rotkäppchen“. Meine Familie wird mich hier während der Spielzeit besuchen kommen und dann werden wir gemeinsam herausfinden, ob es diese Restaurants noch gibt. Und ich denke sehr gerne an nächtliche Spaziergänge an der Weser rund um das Stadion zurück. Da wir über zwei Jahre im Steintorviertel gewohnt haben, war das nur ein Katzensprung. Das war klasse!
Hast du aufgrund deiner längeren Zeit in Bremen einen gewissen Heimvorteil?
Ja, das ist so. Ich spüre immer noch sehr viel Wohlwollen vom Publikum und das ist toll. Ganz viele Verbindungen werden in meinem Kopf aktiviert, wenn ich in Bremen bin. Es gibt sogar einige Freundschaften, die hier entstanden sind, ein paar Leute, mit denen ich noch sehr gut in Verbindung stehe. Zum Beispiel meine damalige Vermieterin Petra Heitkötter, eine Künstlerin mit einem Atelier in Bremen. Mit ihr werde ich meine erste richtige Kunstausstellung im Mai in Hamburg bestreiten.
Auch wenn es nicht Deine Muttersprache ist, sprichst Du sehr gutes Deutsch. Wo hast Du unsere Sprache so gut gelernt?
Ich habe mit 18 Jahren an der Uni in Yale begonnen, die Sprache zu lernen. Es gibt dort eine sehr gute Abteilung für deutsche Sprache und Literatur. Alle Dozenten, die ich hatte, waren „Native Speaker“. Der erste war ein Berliner und danach hatte ich eine Professorin aus Wien. Es war wichtig, dass ich das grammatikalische Fundament hatte, auf dem ich aufbauen konnte. Und der Rest entwickelte sich über 40 Jahre „Learning by doing“ während meiner Engagements im deutschsprachigen Raum.
Nach der Universität in Yale bist du 1981 nach Wien gezogen, um deine Ausbildung an der dortigen Musikhochschule zu vollenden. Wie kommt man als Amerikaner ausgerechnet nach Wien, um dort zu studieren?
Das haben zu der Zeit nicht wenige gemacht. Ich hätte zwar auch in Amerika studieren können, aber es wäre bestimmt anders für mich gelaufen. Rückblickend betrachtet, war es ein großes Glück, dass es mich nach Wien verschlagen hat und ich nicht in New York geblieben bin, weil ich in Wien ein ungewöhnlicherer Typ war. In New York wäre das nicht der Fall gewesen, es gab dort Dutzende gute Leute, die mir sehr ähnlich waren. In Wien galt ich in der Musicalwelt für lange Zeit als außergewöhnlich, aufgrund meines musikalischen Hintergrunds im Bereich der klassischen Musik und weil ich schon Deutsch konnte.
Du blickst auf eine über 40-jährige Laufbahn als Musicaldarsteller zurück. Welche Rolle war für dich die schwierigste?
Die absolut anspruchsvollste Rolle war wirklich „Jekyll & Hyde“, also Schwierigkeitsgrad, Körperlichkeit und in Bezug auf die Stimme. Auch die Rolle im „Phantom der Oper“ war eine enorme Herausforderung für mich, da wir acht Vorstellungen in der Woche auf die Bühne gebracht haben. Aber Jekyll war definitiv die schwierigste Rolle. Diese Doppelrolle zweier völlig verschiedener Charaktere, die natürlich eine Verbindung zueinander haben, hat sehr viel von mir abverlangt, und die damit verbundene stimmliche Spaltung macht die Rolle besonders schwer.
Gibt es eine Rolle, die du unbedingt noch spielen möchtest?
Es gibt bestimmt ein paar Rollen, die ich gerne gespielt hätte, aber dafür bin ich mittlerweile alterstechnisch an der Grenze oder teilweise sogar darüber. Nichtsdestotrotz stellt es keine große Lücke in meiner Vita dar und mir fehlt nichts. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn noch spannende Angebote auf mich zukämen.
Apropos Angebote: Du wirst in diesem Jahr 65. Wie bleibt man so lange erfolgreich in der Branche?
Machen wir uns nichts vor, die Rollenauswahl hat sich logischerweise mit der Zeit verändert und sie ist vor allem kleiner geworden. Gerade bei modernen Musicals, in denen der Fokus auf einem jugendlichen Publikum liegt, wird die Luft nach oben immer dünner. Aber ich wage jetzt mal die Behauptung, dass ich durch meine körperliche Fitness auch noch jüngere Charaktere darstellen kann. Allerdings bin ich mir darüber bewusst, dass es irgendwann auch nicht mehr umsetzbar ist. Aus diesem Grund habe ich mich in den letzten Jahren breiter aufgestellt und ich lebe meine kreative Ader als Kunstmaler immer intensiver aus. Ein weiteres Standbein zu entwickeln, kann ich nur jedem kreativ schaffenden Menschen empfehlen.