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Foto: Friedhard Neumann
5. Dezember 2025

„Es fasziniert mich, wie Menschen miteinander umgehen“

Illustratorin Valeska Scholz über ihre Wimmelbücher, Inspirationen und den besonderen Charme Bremens

Illustratorin Valeska Scholz über ihre Wimmelbücher, Inspirationen und den besonderen Charme Bremens

Mit Bleistift und Papier erschafft Valeska Scholz detailreiche Wimmelbücher und humorvolle Illustrationen, die nicht nur junge Betrachter:innen begeistern. Ihren Weg ins Genre Kinderbuch fand die Bremerin über ein plattdeutsches Projekt – und sie blieb. Heute erweckt sie mit ihrem speziellen Zeichenstil nicht nur Geschichten zum Leben, sondern bringt auch besondere Orte aufs Papier. Im Interview erzählt die 45-Jährige, wie ihre Arbeiten entstehen, woher sie Inspirationen nimmt und was sie an Bremen sowie ihrem Atelier an der Plantage 9 schätzt.

 

Liebe Frau Scholz, was braucht es für einen Beruf, der Kinderaugen zum Leuchten bringt?

Ich habe schon immer gerne gezeichnet und später an der Hochschule für Künste in Bremen studiert, damals im Studiengang „Integriertes Design“ mit Illustration als Schwerpunkt innerhalb des Grafikdesigns. Nach dem Studium habe ich zunächst in einer Softwarefirma als Grafikdesignerin gearbeitet, dann aber gemerkt, dass mir das Illustrieren mehr Freude bereitet. Der Einstieg ins Kinderbuch war eher Zufall: Ein ehemaliger Lehrbeauftragter empfahl mich 2010 dem Carl Schünemann Verlag, der Illustrator:innen für ein plattdeutsches Kinderbuch suchte. Seitdem hat sich die Zusammenarbeit weiterentwickelt. Ein weiterer Zufall war, dass ich 2014 für einige Monate in Hamburg lebte und dort in ein Illustratorenatelier kam. Dort habe ich erste Aufträge für große Verlage wie Haba und Thienemann erhalten. Wenn man einmal in der Branche Fuß gefasst hat, ergeben sich oft neue Möglichkeiten. Auf Kinderbuchmessen wie die „Children‘s Book Fair“ in Bologna konnte ich zudem mein Portfolio präsentieren und neue Kontakte knüpfen.

Welche Rolle spielt das Grafikdesign in Ihrer Tätigkeit aktuell?

Als Grafikdesignern habe ich noch einzelne Aufträge und das ist eine schöne Abwechselung. Außerdem ergänzt sich beides wunderbar, wenn bei einem Buch zum Beispiel das Layout gemacht werden muss, kann ich das auch übernehmen. Des Weiteren läuft noch bis Januar eine Ausstellung in der Wassermühle Sudweyhe; es ist meine erste eigene Werkschau.

Welche Projekte prägen aktuell Ihren beruflichen Alltag?

Ich habe sowohl langfristige als auch kleinere Aufträge. Zum Beispiel arbeite ich aktuell an einem Wimmelbuch über Travemünde. Außerdem gestalte ich Lehrtafeln für Waldlehrpfade, die deutschlandweit von dem „Ingenieurbüro Natur und Bildung“ in Dresden konzipiert werden. Dieses bewirbt sich bei Gemeinden und sucht dann Illustrator:innen für die Umsetzung. Das ist immer spannend, weil ich mich auch in neue Themen wie Tagebau, Maschinen oder Baumgeister einarbeiten darf. Mit einer Freundin habe ich schon vor einigen Jahren einen Zeichenautomaten entwickelt, den ich jetzt mit einem Kollegen bei Veranstaltungen wie Sommerfesten einsetze. Für die Stadtbibliothek Bremen habe ich außerdem den Bücherbus gestaltet und ein Pixi-
Heft mit Kessi, dem Bücherraben, illustriert. Mein Fokus liegt generell auf Auftragsarbeiten, da ich wenig Zeit für freie Projekte habe.

Sie bringen außerdem anderen das Zeichnen bei.

Genau, ich hatte zum Beispiel vor Kurzem in Sudweyhe im Rahmen der Ausstellung einen Workshop, in dem ich Kindern das Comiczeichnen beibringe. Ich bin auch freiberuflich für das Übersee-
Museum Bremen tätig und betreue dort Kinder- und Schulgruppen.

Mittlerweile ist vieles digital möglich, Sie zeichnen aber weiterhin mit Papier und Bleistift. Warum?

Ich fühle mich damit einfach sicherer. Ich habe mit Bleistift einen besseren Strich, der sich für mich natürlicher anfühlt, und auch das Gefühl von Papier unter dem Stift ist einfach anders. Komplett digital zeichne ich nicht, aber wenn ich etwas eingescannt habe und noch Kleinigkeiten fehlen, ergänze ich das schon auf dem Tablet. Man sieht den Unterschied, finde ich. Die Kolorierung mache ich allerdings digital, weil das praktischer ist als analog.

Wie entstehen Ihre Wimmelbücher und wie entwickeln Sie die Figuren darin?

Die jeweiligen Orte für die Wimmelbücher werden meistens vom Verlag vorgegeben, was die Arbeit natürlich erleichtert. Ich recherchiere die Szenen dann entweder vor Ort, mache Fotos oder nutze dafür Google Earth, um Perspektiven zu finden, die ich nicht direkt fotografieren kann. Die Bilder entstehen in mehreren Schritten: Zuerst mache ich grobe Skizzen, die ich nach und nach detaillierter ausarbeite. Während des Zeichnens fallen mir oft zusätzliche Elemente ein, die ich einfüge, wie etwa kleine Figuren oder witzige Szenen. In meinen Wimmelbüchern baue ich zum Beispiel gerne humorvolle Details ein, wie Kinder, die an Bäume pinkeln, oder alltägliche Situationen wie Streits oder Wutanfälle. Das kann ich als Mutter natürlich auch sehr gut nachempfinden (lacht).

Welche Momente beflügeln Ihre Kreativität?

Ich lasse mich von alltäglichen Situationen und zwischenmenschlichen Beobachtungen inspirieren. Es fasziniert mich, wie Menschen miteinander umgehen. Ich kann stundenlang im Café sitzen und solche Szenen beobachten. Diese Eindrücke fließen oft unbewusst in meine Arbeit ein. Ich liebe außerdem Comics und wurde von einigen Comiczeichnern stark geprägt. Besonders beeindruckt hat mich Mawil, ein Berliner Zeichner, dessen Figuren und Stil ich schon immer bewundert habe. Wenn es um Wimmelbücher geht, fallen mir natürlich als erstes Ali Mitgutsch und Rotraut Susanne Berner ein, die finde ich auch toll.

Was macht Bremen für Sie besonders?

Bremen ist zwar keine Hochburg für Illustratoren, aber die Vernetzung hier ist gut. Es gibt einen Illustrator:innen-Stammtisch und das Netzwerk „Weserautor:innen“, in dem sich Bremer Autor:innen und Illustrator:innen zusammengeschlossen haben. Wir treten gemeinsam auf, um uns besser zu präsentieren. Ich mag auch die überschaubare Größe Bremens und die persönliche Atmosphäre. Die Konkurrenz ist nicht so groß wie in Städten wie Berlin. Ich finde es außerdem wirklich toll, dass hier in der Plantage 9 Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen. Das bringt frische Impulse und neue Perspektiven, was ich sehr bereichernd finde. Außerdem verstehen wir uns alle richtig gut, was die Zusammenarbeit angenehm und produktiv macht.

Zeichnen Sie privat eigentlich auch noch?

Eher selten, vielleicht mal als Geschenk für Familie oder Freunde. Meist bin ich froh, wenn ich meine beruflichen Projekte abgeschlossen habe.

Was ist Ihr ganz persönlicher Lieblingsmoment in der Weihnachtszeit?

Seit zwei Jahren kommt der Wichtel Tomte zu uns, der auch Streiche spielt. Das finde ich total schön. Adventskranz, Plätzchen backen, ein kleiner Weihnachtsbaum und Lichter am Fenster gehören für mich, meinen Freund und meinen Sohn auch dazu. Mit Kindern ist die Weihnachtszeit besonders zauberhaft.

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