Einfach mal stehenlassen
Die Journalistin und Buchautorin Melanie Öhlenbach erläutert, was es mit dem Sprichwort "Weniger ist mehr" in Bezug auf den herbstlichen Balkon auf sich hat.
Ein penibel aufgeräumter Balkon bietet Vögeln, Bienen, Käfern und anderen kleinen Lebewesen nur wenig. Daher gilt auch im Herbst: Weniger ist mehr.
Der Herbst ist endgültig im Balkongarten angekommen. Die letzten Tomaten sind geerntet. Die spät erblühten Sonnenblumen haben ihre gelben Blütenblätter fallengelassen. Und auch die Blätter vom kleinen Birnbaum segeln nun zur Erde. Unter dem bunt gefärbten Laub herrscht noch eifriges Treiben. Asseln, Marienkäfer und kleine Kompostwürmer kann ich dort zum Beispiel entdecken, aber auch Spinnen und ab und zu sogar kleine Gehäuseschnecken.
Manche Tiere sind so klein, dass ich sie mit bloßem Auge kaum erkennen kann. Sie alle haben in den vergangenen Monaten auf dem Balkon Nahrung und einen Platz zum Schlafen sowie für ihren Nachwuchs gefunden. Für viele ist er ihr Zuhause.
Und das soll auch in der kalten Jahreszeit so bleiben. Gerade jetzt fände ich es besonders fies, ihnen das Dach über dem Kopf wegzureißen und ihren Teller leerzuräumen. Sprich: auf dem Balkon noch mal so richtig klar Schiff zu machen.
Stattdessen lasse ich vertrocknete Stängel samt Samenständen stehen und sammle Laub, Blütenblätter und Samenhüllen vorsichtig ein, wenn sie auf den Weg gefallen sind. Nur was krank ist, wird entsorgt. Mit den gesunden Pflanzenresten mulche ich blanke Erde und fülle sie in leere Kübel und Kisten. So werden daraus Überwinterungsquartiere und Vorratskammern für die tierischen Gäste.
All das spart nicht nur Arbeit, sondern bringt auch Vorteile. Der Balkon bleibt nicht kahl, sondern entwickelt in der kalten Jahreszeit einen ganz eigenen Charme – spätestens, wenn Schnee und Eis pittoreske Landschaften entstehen lassen. Und ich weiß, dass ich in der kommenden Saison von der tierischen Unterstützung profitieren werde. Etwa von den Kleinstlebewesen, die das organische Material zu wertvollem Kompost verarbeiten. Von den Meisen, die nebenbei schon die Aussaat erledigen, wenn beim Picken der Samen aus den vertrockneten Sonnenblumen etwas daneben geht. Und von den Marienkäfern, die nach der Winterruhe eifrig auf Blattlausjagd gehen werden.
Kurzum: Es ist eine Win-Win-Situation, bei der ich dennoch gefühlt das größere Los gezogen habe.