
Die Tücken des Endgeräts
Unser Kolumnist Dirk Böhling schildert humorvoll die Tücken und Missgeschicke im Umgang mit früheren Abspielgeräten, die zur Geduldsprobe wurden.
Es geht wieder um so eine Sache, von der die uns folgende Generation verschont blieb und die übernächste sich fragen wird, was das überhaupt ist, beziehungsweise war. Ich schreibe von Endgeräten wie Kassettenrekordern oder CD-Playern, die die Menschen nicht selten in den Wahnsinn trieben. Es begann damit, dass viele Baby-Boomer gern Musik oder Filme vom Fernsehgerät auf Kassette aufnahmen. Wenn aber kein praktisches „Überspielkabel“ zur Hand war, musste die Aufnahme per Mikrofon erfolgen. Dies erforderte absolute Ruhe im übrigen Raum, der meistens das familiäre Wohnzimmer war. Ich muss nicht weiter ausführen, was das für Stress bedeutete: Minutiös vorbereitete Ruhe im gesamten Wohnbereich, herausgezogene Telefonstecker, mit Süßigkeiten bestochene Geschwister und nachdrücklich gebriefte Eltern: All das sollte eine störungsfreie Aufnahme garantieren – die dann nicht selten kurz vor Ende des Songs von einer an der Tür klingelnden Nachbarin versaut wurde.
Auch das Abspielen von Tonträgern führte bei vielen von uns schon in frühester Kindheit zu Auswüchsen aus der Abteilung „Gewalt gegen Dinge“. Etwa, wenn die Lieblingskassette schon zum x-ten Mal mit Bandsalat aus dem Gerät gezogen werden musste oder sich das Auswurffach aus unerklärlichen Gründen nicht mehr öffnen ließ. Es ist überliefert, dass ansonsten komplett friedliche Gemüter in solchen oder ähnlichen Momenten fast morbide Zerstörungsgedanken gegenüber ihren Endgeräten hegten. Gern genommen sind auch Momente, bei denen Abspielgeräte auf Familientreffen, Geburtstagsfesten, Weihnachtsfeiern oder bei anderen Auftrittsgelegenheiten als wichtiges Requisit herhalten mussten und dabei nicht selten in die totale Auftrittskatastrophe führten.
Ich erinnere mich gerne an eine Hochzeit, bei der die Bräutigam-Eltern eine kleine Darbietung vorbereitet hatten. In einer vom Vater charmant moderierten Chronologie wurde erzählt, wie sich das Brautpaar kennengelernt hatte. Und um die Geschichte zu untermalen, sollten von Mutti bekannte Popsongs mit dem CD-Player eingespielt werden – grundsätzlich eine schöne Idee. Nachdem die Gattin mit dem Abspielgerät aber völlig überfordert war und bereits zum vierten Mal „1000 und 1 Nacht (Zoom)“ der Klaus-Lage-Band gestartet hatte, nahm die Darbietung ein jähes Ende und hätte die Feier fast gesprengt.
Noch schöner ist die Geschichte vom runden Geburtstag einer betagten Dame, für den ihr Sohn eine Überraschung vorbereitet hatte: Nach kurzer Ansprache bekundete er, dass ein Lied seine Empfindungen viel besser ausdrücken könnte und er drückte auf dem mitgebrachten Kassettenrekorder auf „Start“. Zu hören war das Lied „Ich hab‘ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren“ von Camillo Felgen. Auch eine schöne Idee. Blöd nur, dass Sohnemann vergessen hatte, vor dem Event die Batterien zu wechseln, so das Herr Felgen immer langsamer und undeutlicher sang. Am besten aber war die Geburtstagsgesellschaft, die dem Kassettenständchen bis zum Schluss tapfer und mit ergriffenen Mienen lauschte – so bleibt auch diese Familienfeier dank der akustischen Unterhaltungsindustrie unvergessen.