
Die Sehnsucht nach der 10
Kolumnist Jean-Julien Beer stellt sich die Frage, warum Werder, einst bekannt für brillante Spielmacher wie Diego und Micoud, keinen echten Zehner mehr hat– und wie der Verein das vielleicht selbst ändern könnte.
Fragt man einen Werder-Fan nach seinem größten Wunsch, lautet die Antwort häufig: dass es wieder eine echte Nummer 10 in der Mannschaft gibt, also einen genialen Spielmacher. Je nach Verein sind die Wünsche unterschiedlich. Ein Bayern-Fan wünscht sich den Gewinn der Champions League, Dortmunder wünschen sich Jürgen Klopp zurück. Und in Bremen wünscht man sich halt einen Zehner.
Das liegt an dem schönen und erfolgreichen Fußball, den Werder so viele Jahre und Jahrzehnte spielte. Diego wurde kürzlich im Weserstadion verabschiedet, es war wie die Anbetung der schönen alten Zeit. Diego war einer der besten Fußballer, aber nicht der einzige genialer Spielmacher, der das Werder-Trikot getragen hat. Vor ihm war es Johan Micoud, ein Spielgestalter zum Niederknien. Nach Diego glänzte Mesut Özil, der spätere Weltmeister. In den 1990er-Jahren eroberte Andreas Herzog die Bremer Herzen. Und es gab noch viele andere.
In der heutigen Mannschaft hat Romano Schmid eine tolle Ballbehandlung, aber im Vergleich zu früheren Werder-Legenden ist er mehr Spieler als Macher.
Wo man einen neuen Spielmacher herbekommt? Jedenfalls nicht aus Bremen, so viel ist klar. Denn ausgerechnet Werder, der Verein also, der immer für schönen Fußball stand, hat seine Spielgestalter zuletzt nie selbst ausgebildet. Der Verein musste sie suchen, sogar mit der Lupe: Diego etwa spielte beim FC Porto gar keine Rolle mehr, er saß auf der Tribüne. Aber Werder glaubte an ihn und machte ihn wieder groß. So war es auch bei Micoud: Erst in Bremen blühte der Franzose wieder auf. Auch Özil spielte bei Schalke keine Rolle mehr, Werder bekam ihn als Schnäppchen für weniger als fünf Millionen Euro – und entwickelte ihn zu einem so genialen Spieler, dass Real Madrid ihn kaufte.
Und heute? Diego selbst hat wenig Hoffnung, dass es solche Spielmacher noch gibt. Weil irgendwelche Theoretiker in der Nachwuchsarbeit lieber auf die schnellen und starken Spieler setzen, statt auf die schmächtigen, vielleicht langsameren – aber genialen. Wie man das ändern könnte? Eigentlich einfach: Werder könnte sich seine Zehner selbst ausbilden, man muss es in den Jugendmannschaften ja nicht so machen wie alle anderen. Die Werder-Fans würde es freuen.