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Fotos: M3B GmbH / Nicole Siemers
#Bremer Köpfe
8. Dezember 2025

„Der Ratskeller war für mich schon immer präsent“

Herr über 1400 Weine: Frederik Janus im Interview über die Gegenwart und Zukunft seines traditionsreichen Jobs

Herr über 1400 Weine: Frederik Janus im Interview über die Gegenwart und Zukunft seines traditionsreichen Jobs

Fotos: M3B GmbH / Nicole Siemers

Frederik Janus ist ein echter „Bremer Jung“ mit einer Leidenschaft für Wein, die ihn schon seit seiner Jugend begleitet. Nach einer Winzerlehre und einem Studium der Önologie in Geisenheim, der renommierten Hochschule für Weinbau, führte Janus mit seiner Frau ein eigenes Weingut in der Pfalz. Doch die Liebe zur Heimat zog den 38-Jährigen zurück nach Bremen, wo er seit Oktober 2022 die traditionsreiche Rolle des Ratskellermeisters übernommen hat. Mit einem Sortiment von mehr als 1400 deutschen Weinen, einer Schatzkammer voller Raritäten und dem ältesten Fasswein Deutschlands aus dem Jahr 1653 hat Janus einen der wohl spannendsten Jobs in der Weinwelt. Im Interview erzählt er unter anderem von Traditionen und Trends sowie seinen beruflichen
Zielen.

Herr Janus, zu Beginn eine persönliche Frage: rot oder weiß?

Beides (lacht). Ich werde oft nach meinen Weinpräferenzen gefragt, aber ehrlich gesagt habe ich mir das ein Stück weit abgewöhnt. Das liegt daran, dass ich die Vielfalt von Wein so spannend finde, und das meine ich wirklich so. Es klingt vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber genau das macht für mich den Reiz aus. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel Fotos für unseren Instagram-Kanal gemacht, und dabei ist mir wieder aufgefallen, dass ich gar nicht mehr einfach nur aus Freude an einem Glas Wein riechen kann. Stattdessen betrachte ich Wein immer mit einem prüfenden Blick, fast wie ein Studierender. Das ist einfach Teil meines Berufs geworden. Für mich ist es immer der neue Wein, den ich noch nicht kenne, der spannend ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Rot- oder Weißwein ist. Ich habe da wirklich keine feste Präferenz.

Was hat Sie dazu bewogen, Ratskellermeister zu werden?

Es war immer ein Running Gag in der Familie, dass wir nur nach Bremen zurückkehren würden, wenn die Stelle des Ratskellermeisters frei wird. Und tatsächlich, nach 33 Jahren im Amt ging mein Vorgänger in den Ruhestand, und ich habe mich beworben. Als die Zusage kam, war klar: Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl – und unsere Chance, zurückzukehren. Meine Großmutter hat im Ratskeller übrigens oft Familienfeste gefeiert und mir regelmäßig
Artikel über den Ratskeller aus dem WESER-KURIER geschickt, als ich in der Pfalz war. Auch als Winzer hatte ich schon Kontakt, als wir versucht haben, unsere Weine hier zu vertreiben. Es war also nie vorbestimmt, aber der Ratskeller war für mich schon immer präsent.

Was macht Ihre Arbeitsstätte für Sie zu einem besonderen Ort?

Der Bremer Ratskeller ist einzigartig, und das spürt man sofort, wenn man ihn betritt. Mit über 600 Jahren Geschichte ist er nicht nur ein beeindruckendes Bauwerk, sondern auch UNESCO-Welterbe. Besonders spannend finde ich, dass Bremen als Hansestadt, obwohl hier keine Weinreben wachsen, schon immer großen Wert auf einen Weinkeller gelegt hat. Bereits beim Bau des Alten Rathauses wurde ein Drittel der Fläche für Wein reserviert, und auch beim neuen Rathaus hat man den halben Domshof unterkellert. Was den Ratskeller aber wirklich besonders macht, ist, dass er kein Museum ist. Hier wird noch aktiv gearbeitet, vom Weinhandel bis zur Gastronomie. Es ist ein lebendiger Ort, an dem Tradition und Moderne aufeinandertreffen. Diese Kombination aus Geschichte, täglicher Arbeit und den vielen Geschichten, die der Ort erzählt, macht ihn so
faszinierend.

Gibt es Anekdoten, die Sie besonders spannend finden?

Eine der bemerkenswertesten Geschichten ist sicherlich die um den Rosekeller. In ihm steht das berühmte Rosefass aus dem Jahr 1653. Dieser Teil des Kellers blieb während des Zweiten Weltkriegs und auch in der Besatzungszeit danach in seiner ursprünglichen Form erhalten. Warum genau, ist bis heute nicht ganz klar. Es gibt verschiedene Überlieferungen dazu, die sich teils widersprechen. Eine besagt, der Raum sei zugemauert worden, weil man glaubte, die Weine seien vergiftet. Dass dem nicht so ist, haben spätere Kostproben gezeigt. Insgesamt finde ich diese Zeit aus historischer Sicht interessant. Von 1945 bis 1948 wurde der Bremer Ratskeller als Offiziers-Casino der Amerikaner genutzt. In diesen Jahren wurden nahezu alle Weinbestände, die hier lagerten, von den Amerikanern getrunken, und das war eine enorme Menge. Danach startete man quasi bei null. Interessant ist auch, dass Teile der Schatzkammer während des Krieges ausgelagert wurden, um sie zu schützen.

Welche Herausforderungen bringt Ihre Arbeit als Ratskellermeister mit sich?

Die größte Herausforderung ist, die Balance zwischen Tradition und Moderne zu finden. Wir wollen die historische Bedeutung des Ratskellers bewahren, aber gleichzeitig müssen wir ihn weiterentwickeln, um ihn lebendig zu halten. Das betrifft sowohl das Gebäude als auch den Weinhandel und unser Sortiment.

Wie stellen Sie dies sicher?

Ein großer Trend derzeit ist das Thema Gesundheit und alkoholfreie Weine. Hier sehen wir eine steigende Nachfrage, auch wenn die Entwicklung Zeit braucht, da die Produktion von alkoholfreiem Wein mit großen Investitionen verbunden ist. Wir haben bereits einige gute Produkte im Sortiment und bauen dieses Angebot weiter aus. Ein weiterer Trend ist das Thema „Wein erleben“. Menschen möchten Wein nicht nur kaufen, sondern ihn in einem besonderen Rahmen genießen. Deshalb sind wir auf vielen Veranstaltungen präsent, wie dem „Open Space Domshof“ oder dem Bremer Weinfest. Dort können die Leute unsere Weine in einem entspannten, erlebnisreichen Umfeld probieren.

Merken Sie schon Erfolge durch diese Ansätze?

Ja, auf jeden Fall. Obwohl der Markt bundesweit eher rückläufig ist, halten wir uns stabil und verzeichnen sogar leichte Zuwächse. Wir merken, dass wir zunehmend auch jüngere Menschen ansprechen, die unsere Veranstaltungen besuchen oder in unseren Läden einkaufen.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft des Bremer Ratskellers?

Die Tradition des Ratskellers weiterzuführen, ist mir sehr wichtig. Dazu gehört der Erhalt der Schatzkammer und des Rosekellers, aber auch die Weiterentwicklung in Richtung Zukunft. Ein großes Thema ist die Zusammenarbeit zwischen Gastronomie und Weinhandel. Obwohl wir zwei getrennte Unternehmen sind, sehen die Gäste uns als Einheit. Dieses Potenzial möchten wir besser nutzen und die Zusammenarbeit intensivieren. Ein weiteres Projekt ist die Rückkehr kleinerer Produktionsprozesse in den Ratskeller. Wir bekommen beispielsweise in Kürze Rohsektflaschen, um sie im Ratskeller einzulagern und später hier vor Ort zu degorgieren (Anm. der Red: das Entfernen des Hefesatzes, der sich während der zweiten Gärung in der Flasche gebildet hat). Das macht die Weinherstellung für unsere Gäste greifbarer und knüpft an die Tradition an, als hier bis in die 1980er-Jahre Wein abgefüllt wurde. Außerdem möchten wir unsere Sichtbarkeit in Bremen weiter ausbauen, etwa durch die Teilnahme an Veranstaltungen oder eigene Initiativen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weinbildung: Mit Weinkursen in unserer „Weinakademie“ bieten wir Interessierten die Möglichkeit, mehr über Wein zu lernen.

Was würden Sie jemandem empfehlen, der den Ratskeller zum ersten Mal besucht?

Drei Dinge sollte man meiner Meinung nach unbedingt machen: eine Kellerführung, einen Besuch in unserem Weinladen und ein Essen in der Gastronomie. Die Kellerführung ist der beste Einstieg, um die Bedeutung des Weins für Bremen zu verstehen. Danach kann man im Weinladen stöbern und sich vom Team beraten lassen, bevor man den Abend bei einem guten Essen in der Gas-tronomie ausklingen lässt. Wer alles miteinander verbindet – eine Führung, ein Besuch im Laden und ein Abendessen – bekommt ein Rundumerlebnis und eine gute Vorstellung davon, was den Bremer Ratskeller ausmacht. Natürlich kann man auch einfach auf dem Domshof eine Flasche Wein genießen. Aber um den Ratskeller wirklich kennenzulernen, ist die Kellerführung der perfekte Startpunkt.

Tipp: Der Bremer Ratskeller ist von Donnerstag bis Sonntag, 28. bis 31. August, auf dem Bremer Weinfest vertreten. 

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