Der liebenswerte Chauvi aus Bremen
Dieses Mal widmet sich Matthias Höllings der Geschichte von Hans-Joachim Kulenkampff.
Hätte er sich an seinen Vorfahren orientiert, wäre eventuell ein guter Töpfer, ein angesehener Tuchhändler, ein begnadeter Pianist, ein bekannter Jurist oder ein angesehener Ratsherr aus ihm geworden. Doch Hans-Joachim Kulenkampff, der aus einer seit dem 16. Jahrhundert in Bremen ansässigen Kaufmannsfamilie stammt, wollte nach dem Abitur am heutigen Hermann-Böse-Gymnasium lieber Schauspieler werden.
Der Wille war da, aber nach seinem Debüt 1943 am Bremer Schauspielhaus ließ der Erfolg auf sich warten. Der 1921 in Bremen geborene junge Mann fiel am Theater nicht so sehr durch sein schauspielerisches Talent und seine ausdrucksstarke Mimik auf, sondern vielmehr durch sein loses Mundwerk. Folgerichtig wurde er Ansager beim Hessischen Rundfunk. Kein Wunder, dass er kurze Zeit später mit seiner Show „Wer gegen wen?“ im Rahmen der 18. „Rundfunk- und Fernsehausstellung“ in Düsseldorf durch seinen Charme und seine Schlagfertigkeit zum Publikumsliebling avancierte. Und nach zwei Kinofilmen an der Seite von Heinz Erhardt hatten alle „Kuli“ in ihr Herz geschlossen. Da verwundert es nicht, dass er in den Anfangsjahren des Fernsehzeitalters schnell zur Werbeikone wurde. Sein Slogan für eine Pfeifen- und Tabakfirma in einem Schwarz-Weiß-Fernsehclip hat bis heute Kultstatus: „Drei Dinge braucht der Mann – Feuer, Pfeife, Stanwell.“ Kuli brauchte damals nur eines und steckte seine sehr großzügig ausgefallenen Werbeeinnahmen in den Bau einer 17 Meter langen Dreimast-Segelyacht, die er in Berne auf der Faßmer-Werft für 650.000 Mark in Auftrag gab. Auf die Frage, warum sein Traumschiff „Marius IV“ drei statt der üblichen zwei Masten habe, antwortete Kuli in seiner unnachahmlichen Art: „Weil ich vier nicht unterbringen konnte.“ Zur Fernsehlegende wurde Hans-Joachim Kulenkampff jedoch erst durch die Sendung „EWG – Einer wird gewinnen“, die er als Quizmaster mit viel Wortwitz, seinem losen Mundwerk, aber auch mit anzüglichen Bemerkungen in Richtung seines weiblichen Publikums 43 Mal live moderierte – und dabei immer wieder gern seine Sendezeit überzog. Die Verantwortlichen der Sendung hätten gewarnt sein müssen, denn bereits 1961 stellte Kuli in seiner Sendung „Kleine Stadt, ganz groß“ mit 75 Minuten Überziehungszeit einen neuen Rekord in der deutschen Fernsehgeschichte auf.
Ein Rekord, der 46 Jahre Bestand hatte und erst durch Stefan Raab 2007 mit 103 Minuten übertroffen wurde. Kuli hat das nicht mehr erlebt. Sein eigener Höhenflug endete bereits Jahre früher. Einige Nachfolgeproduktionen von EWG floppten, und auch seine „Nachtgedanken“ als Rezitator zum Sendeschluss des ersten Programms im Fernsehen verfolgten nur noch wenige Zuschauer. Es war ruhig geworden um den „Mozart des Plaudertons“, wie ihn der „Spiegel“ 1998 nannte. Kuli segelte nicht mehr auf der Erfolgswelle, sondern nur noch mit seinem Traumschiff.
Statt sich mit seiner „Marius IV“ zu den Fidschi-Inseln aufzumachen, zog es Kuli immer wieder Richtung Norden an den Kattegatt. Und zu Hause angekommen, ging er mit seinem Dreimaster, der auch scherzhaft als „Verkehrtherumsegler“ bezeichnet wurde, da es mit drei Masten so aussah, als segelte die Yacht rückwärts, in Bremerhaven an der Geeste 19 längseits. Dort saß er dann statt fernsehtauglich im dunklen Anzug und Krawatte mit Elbsegler als Kopfbedeckung und dickem Seemannspullover in der „Schifferklause Lehrke“ und gab ganz entspannt ohne Millionenpublikum seine Anekdoten zum Besten.
Hans-Joachim Kulenkampff, der Mann aus der Parkstraße in Schwachhausen, den alle nur Kuli nannten, starb 1998 im österreichischen Seeham. Da Straßen erst nach dem Tode berühmter Persönlichkeiten benannt werden, ist Kuli für die Kulenkampffallee in Bremen leider nicht verantwortlich, da die einen Kilometer lange Straße bereits zu seinen Lebzeiten 1957 den Namen erhielt. Trotzdem geht die Bezeichnung auf seine Verwandtschaft und damit die Bremer Kaufmannsfamilie zurück, zum Beispiel auf den Mitbegründer des Norddeutschen Lloyds Gustav Kulenkampff (1811 – 1878) und den Wollkaufmann Heinrich (1857 – 1926). Heute aus dem Straßennamen eine „Hans-Joachim Kulenkampffallee“ zu machen, wäre wohl zu lang. Und ein „Kuliweg“ zu kurz.