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Foto: J. Stoss
29. April 2024

Jürgen L. Born über Torschützenkönig Ailton

„Der glücklichste unglückliche Torjäger“ in der Doublesaison

„Der glücklichste unglückliche Torjäger“ in der Doublesaison

Jürgen Born, ehemaliger Präsident von Werder Bremen. Foto: Frank Thomas Koch

Was für eine Saison. Und dabei hatte mit dem 0:4 im UI-Cup in Pasching ja alles mehr als bescheiden angefangen, um es mal vorsichtig auszudrücken. Aber bereits drei Tage später und nach 18 Minuten Spielzeit tauchte bei der Partie im Berliner Olympiastadion erstmals ein Name auf der Anzeigetafel auf, der die gesamte Werder-Saison prägen sollte: Ailton hatte gerade das 1:0 für Werder geschossen.

Der „Kugelblitz“ hatte sich längst in die Herzen der Fans gespielt – auch wenn er uns als Verantwortliche immer mal wieder die Zornesröte ins Gesicht trieb. Es war ja fast schon legendär, wie er es in den Vorjahren immer wieder geschafft hatte, seinen Trainingsauftakt nach hinten zu verschieben. Vor allem in der Vorsaison war er erst drei Tage später ins Trainingslager nach Norderney hinterhergereist – mit einem Taxi ab Bremen wohlgemerkt.

Das war vor der Doublespielzeit allerdings anders. Als selbst Ailton pünktlich erschien, hätte man eigentlich merken müssen, dass etwas ganz Besonderes in der Luft lag. Und der damals 30-Jährige lieferte ab, traf allein in der Hinrunde 16 Mal. Und sorgte gleichzeitig im Oktober 2003 für einen Riesenaufreger. Während wir in Verhandlungen mit ihm über eine Vertragsverlängerung standen, unterschrieb er kurzerhand bei Schalke 04. Deren damaliger Manager Rudi Assauer hatte sich im Oktober, mitten in der Saison, mit ihm im Maritim Hotel getroffen. Das Angebot, welches ihm die Gelsenkirchener unterbreitet hatten, war wohl so gut dotiert, dass er nicht widerstehen konnte.

Es ging sogar das Gerücht rum, Ailton könne schon zur Rückrunde zu königsblau wechseln. Nur wenige Wochen später bereute unser Stürmerstar seinen Wechsel allerdings bereits, kam zu mir ins Büro und fragte, ob man das nicht rückgängig machen könne. Er würde lieber bei Werder bleiben. Und tatsächlich haben wir das damals versucht, sogar die Schalker hätten unter bestimmten Bedingungen zugestimmt. Allein, es sollte nicht klappen.

Doch wer befürchtet hatte, Ailton würde nicht mehr funktionieren, der sah sich getäuscht. Er lieferte weiterhin konstant ab, kam am Ende auf 28 Treffer – so viele hatte seit über 20 Jahren niemand mehr in einer Saison in der Bundesliga erzielt – und sicherte sich die Torjägerkanone. Und nachdem er das 3:0 beim entscheidenden Spiel in München erzielt und Werder die Meisterschaft gesichert hatte, brachen bei ihm alle Dämme, noch auf dem Spielfeld brach er in Tränen aus. Er war, wie es damals unser Trainer Thomas Schaaf treffend zusammenfasste, der glücklichste und traurigste Mensch zugleich.

Von Jürgen L. Born

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