„Das Leuchten in den Augen ist unbezahlbar“
Peter Lindemann besucht seit 20 Jahren als Weihnachtsmann Kinder und deren Familien
Die Fotos für den Titel sind im Kasten, als Peter Lindemann im Bistro Alex auf dem Domshof Platz nimmt. Wir treffen ihn zum Gespräch über sein Engagement als Weihnachtsmann. Er führt es seit 20 Jahren mit Leidenschaft aus und wird über die Agentur für Arbeit vermittelt. Der rote Mantel seines plüschigen Kostüms, das er für unser Fotoshooting angezogen hat, hängt nun am Haken, der Duft frisch gebrühten Kaffees steigt aus der Tasse empor. Doch der erste Schluck muss warten.
Lindemann greift zu einer Bürste und kämmt seinen Bart. „Neun Monate hat es gedauert, bis er so lang ist“, sagt der 63-Jährige hörbar stolz über den prächtigen Haarwuchs. Unter den aktuell 15 Kollegen ist er der einzige mit echtem Bart. Neben der sonoren Stimme sei das die wichtigste Requisite, die ihn in seiner Rolle als Weihnachtsmann glaubwürdig mache, sagt er. Damals, als er anfing, sei der Bart noch feuerrot gewesen und seine Füße steckten in Wanderschuhen. „Kinder lieben Geschichten – und ich finde immer eine altersgerechte Erklärung für eventuelle Ungereimtheiten, die ihre Zweifel an der Echtheit des Santa Claus zerstreuen“, so Lindemann. So lässt der Weihnachtsmann laut seiner Erzählung schon mal seine guten Lederstiefel zu Hause, um sie in Matsch und Regen nicht zu ruinieren, und greift stattdessen zu Wanderstiefeln. Auch für die vermeintlich falsche Farbe des Bartes hatte er immer eine passende Erklärung: Sein Bruder habe einen typischen weißen Bart, müsse allerdings gerade eine andere Familie besuchen. Schließlich könne ein einziger Weihnachtsmann nicht alle Kinder gleichzeitig beschenken. Logisch.
Ein Notizbuch mit Geheimschrift
Seit 20 Jahren besucht Lindemann alljährlich Kinder und ihre Familien am 24. oder 25. Dezember. In diesem Jahr sind es mit ihm 15 Weihnachtsmänner, die für eine schöne Bescherung sorgen. Nach seinen ersten Einsätzen im familiären Umfeld sei ihm schnell klar geworden: „Die Reaktionen der Kinder sind so aufrichtig und schön, dass ich von diesem Gefühl das ganze Jahr zehre.“ Von diesem Moment an schlüpfte er jedes Jahr gern in sein Kostüm und machte sich auf den Weg. Sein Einsatzgebiet reicht dabei von Gröpelingen bis Rekum. „Je nachdem, wie weit die Wohnorte auseinanderliegen, schaffe ich am Abend etwa sechs bis sieben Besuche“, erklärt Lindemann.
Über die Jahre hat er seinen Auftritt und die Ausstattung professionalisiert: Ein goldenes Buch mit Notizen in unsichtbarer Geheimschrift hat er immer dabei, um die Kinder an ihre Erfolge und weniger Erfreuliches aus dem zu Ende gehenden Jahr zu erinnern. „Dass ich über alles so gut Bescheid weiß, schindet bei den Kleinen enormen Eindruck und macht aus mir eine Autoritätsperson, die sie akzeptieren“, erklärt Lindemann. Seines Erziehungsauftrags ist er sich zwar bewusst, jedoch soll das Positive überwiegen. „Eine Rute und den erhobenen Zeigefinger gibt es bei mir nicht.“
Im Laufe seiner zwei Jahrzehnte währenden Karriere im roten Mantel sah sich Lindemann immer wieder mit Kindern konfrontiert, die Angst vor dem Weihnachtsmann hatten. „Auch in diesen Fällen finde ich Wege, ihr Vertrauen zu gewinnen. Leben etwa mehr als zwei Kinder in der Familie, dürfen die Kleinen beim Verteilen der Geschenke helfen“, sagt der Profi. Lindemann sieht sich als nahbaren Weihnachtsmann, an dessen Bart die Kinder sanft ziehen dürfen, um dessen Echtheit zu prüfen, und auf dessen Schoß sie sich setzen dürfen, wenn sie das gerne möchten.
Nahbar und vertrauensvoll
Vertrauen ist in seinem Metier ohnehin von zentraler Bedeutung. Nicht nur die Kinder, auch die Eltern müssen sich mit dem Besuch wohlfühlen – denn der Weihnachtsmann kommt im besten Fall unbemerkt ins Haus und übernimmt zeitweise die Verantwortung für wertvolle Präsente. „Im Vorfeld führe ich zwei Telefongespräche und ermögliche ein persönliches Kennenlernen, damit sich alle Beteiligten sicher fühlen“, sagt Lindemann. Seine starke Präsenz, eine gute Auffassungsgabe und vielfältige Berufserfahrungen – unter anderem im Sicherheitsdienst – kämen ihm dabei sehr zugute. „Auch Jörg Nowag von der Agentur für Arbeit, der mit der Vermittlung der Weihnachtsmänner betraut ist, begrüßt diese engen Absprachen“, so Lindemann. Viele positive Rückmeldungen und wiederholte Engagements in den Familien bestätigen, dass er seinen Job gut macht.
Jedes Kind verdient ein Lob
Welche weiteren Fähigkeiten ein Weihnachtsmann mitbringen sollte, fragen wir ihn. „Er muss in jeder Situation die Ruhe bewahren können. Enttäuschte Erwartungen und unerfüllte Geschenkwünsche kommen vor. Auch muss der Weihnachtsmann den einen oder anderen schiefen Ton auf der Blockflöte ertragen und dazu gute Miene bewahren können. „Ganz gleich, wie holprig ein Gedicht vorgetragen wird, jedes Kind verdient für sein Bemühen ein Lob“, sagt Lindemann. „Das Leuchten in den Augen ist unbezahlbar“, erklärt er seine Motivation, die ihn Jahr für Jahr antreibt.
Die Kaffeetasse ist leer, das Gespräch neigt sich dem Ende zu. Noch einmal fährt Peter Lindemann mit seinen Fingern durch den Bart. „Am 29. Dezember muss er ab, das habe ich meiner Frau versprochen.“ Dann bleiben drei „glatte“ Monate, bis sich der Weihnachtsmann-Profi aufs Neue einen Bart stehen lässt.
Nachwuchs gesucht!
Die Weihnachtsmannvermittlung der Agentur für Arbeit gibt es seit 1975. Konnten im vergangenen Jahr noch 20 Weihnachtsmänner und ein Engel vermittelt werden, ist das Angebot in diesem Jahr mit 15 etwas kleiner. Informationen zur Jobvermittlung als Weihnachtsmann erteilt die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven.