
Das Kuchen-Drama
In seiner aktuellen Kolumne widmet sich Jean-Julien Beer Sahnestücken und harten Butterkuchen
Als ich Werder-Chef Klaus Filbry dieser Tage erzählte, für das STADTMAGAZIN eine Kolumne über den Kuchen im Weserstadion schreiben zu wollen, reagierte er ein wenig besorgt: „Jetzt sag’ mir aber bitte nicht, dass wir den schlechtesten Kuchen der Bundesliga haben!“
Ehrlich gesagt: Die Sache ist viel komplizierter. Aber man könnte immerhin sagen: Werder muss früher mal den besten Apfelkuchen der Bundesliga gehabt haben, in Sachen Konditorkunst offenbar absolute Champions League. Doch wie auf dem Rasen ist das mit dem Kuchen schon länger nicht mehr Königsklasse.
Und nun spielt es sich bei den Heimspielen immer ab, das lustige Drama in drei Akten: Denn ältere Sportjournalisten, die früher viele Jahre in den Genuss des hervorragenden Bremer Kuchens gekommen waren, laufen heute noch in der Halbzeitpause schnellen Schrittes in den Presseraum, an die Theke, wo früher der verführerische Kuchen stand. Dort müssen sie dann feststellen, dass es keinen Kuchen gibt. Und danach kehren sie zerknirscht zurück auf die Pressetribüne – um es beim nächsten Spiel wieder zu versuchen. Das gilt übrigens nicht nur für Bremer Reporter, sondern auch für ältere Kollegen, die mit dem Gastverein anreisen – und die vor vielen Jahren offensichtlich ebenfalls angefüttert wurden.
Seit der Pandemie, die im Profifußball sonst nicht viel verändert hat, gibt es den beliebten Kuchen nicht mehr. Werder erklärt das mit einem Wechsel des Catering-Anbieters. Aber: Ein einziges Mal gab es ihn noch, ausgerechnet im ersten Heimspiel nach dem Investoren-Deal, als Frank Baumann und andere Gönner 38 Millionen Euro in den SV Werder steckten. Aus glücklichen, krümelnden Mündern war an diesem Tag vielfach ein „Danke, Baumi!“ zu vernehmen.
Heute erinnert hinter der Bedientheke im Medienraum nur noch ein großflächiges Zitat von Dieter Burdenski an die leckeren Zeiten: „Im Leben gibt es nicht nur Sahnestücke, es gibt auch harte Butterkuchen!“ Fast schon gemein. Wie auch die Tatsache, dass heute statt Kuchen schlabbrige Waffelstangen ausliegen, die so wirken, als wären sie beim Freimarkt übrig geblieben. Wahre Kenner der Bremer Fußball-Gastronomie schwärmen nicht nur vom Apfelkuchen, sondern auch von den Frikadellen, die es hier mal gab. Doch seit die Bremer Fleischerei „Rasch“ geschlossen hat, gibt es auch die nicht mehr. Nicht nur auf dem Rasen ist die Champions League halt leider vorbei bei Werder.