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Foto: Marco Meister
#Bremer Köpfe
23. August 2022

„Das Alter ist eine Chance“

Warum Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf mit dem Älterwerden keine Probleme hat

Ob als Senator für Jugend, Sport und Soziales, für Justiz und Verfassung oder auch als Bürgermeister: Henning Scherfs politischer Lebenslauf schreibt sich lang und vielfältig. 2005 trat er als Bremer Regierungschef zurück. Fragt man ihn heute nach seinem Wohlbefinden, scheint es beinahe so, als ginge es ihm besser als je zuvor – und das mit 83 Jahren. Wir trafen den 2,04-Meter-Mann in seinem Zuhause in der Bahnhofsvorstadt. Im Gespräch verriet Henning Scherf uns, warum er dem Älterwerden gelassen begegnet, welche Träume er sich noch erfüllen möchte und wie er sich seine letzten 24 Stunden im Idealfall vorstellt.

Ob als Senator für Jugend, Sport und Soziales, für Justiz und Verfassung oder auch als Bürgermeister: Henning Scherfs politischer Lebenslauf schreibt sich lang und vielfältig. 2005 trat er als Bremer Regierungschef zurück. Fragt man ihn heute nach seinem Wohlbefinden, scheint es beinahe so, als ginge es ihm besser als je zuvor – und das mit 83 Jahren. Wir trafen den 2,04-Meter-Mann in seinem Zuhause in der Bahnhofsvorstadt. Im Gespräch verriet Henning Scherf uns, warum er dem Älterwerden gelassen begegnet, welche Träume er sich noch erfüllen möchte und wie er sich seine letzten 24 Stunden im Idealfall vorstellt.

Herr Scherf, wie geht es Ihnen aktuell?

Richtig gut. Wenn es allen Leuten, die 83 Jahre alt sind, so gut ginge wie mir, dann würden vermutlich alle 83 Jahre alt werden wollen (lacht). Ich würde sagen, ich fühle mich wie 64.

Altwerden ist nichts für Feiglinge, das hat zumindest der Schauspieler Joachim Fuchsberger einmal gesagt. Bedarf es tatsächlich einer großen Portion Mut, um im voranschreitenden Alter sein Leben zu bestreiten?

Fuchsberger hat sogar ein Buch geschrieben mit dem Zitat als Titel, das mir ehrlich gesagt genauso wenig gefällt wie der Spruch selbst. Nein, alt werden hat nichts mit Tapferkeit zu tun, sondern mit Empathie. Sich in andere Schicksale reindenken zu können, hilfsbereit zu bleiben und sich solidarisch verhalten zu können, darauf kommt es an.

Davon abgesehen, wie halten Sie sich körperlich fit?

Ich achte auf mich. Ich saufe nicht, rauche nicht, verzichte auf Fleisch und trinke ausschließlich heißes Wasser, das habe ich in China gelernt. Außerdem bewege ich mich viel. Ich habe zwei Fahrräder, ein Hollandrad sowie eins mit E-Antrieb, mit dem ich regelmäßig nach Bremen-Nord, Mahndorf oder Worpswede sause. Das funktioniert für mich alles noch mühelos. Außerdem habe ich ein riesengroßes Glück mit meinem Haus. Meine Frau und ich wohnen hier seit 34 Jahren mit mehreren Leuten gemeinsam als Wohngemeinschaft und sind alle dicke Freunde. Das ist ein echter Glücksfall, wir kommen sehr gut miteinander aus, achten aufeinander und sind uns sehr nah. Ein weiterer Grund sind meine drei Kinder und elf Enkelkinder. Ich muss schon sagen, die sind einfach gelungen (lächelt). Mit einem meiner Enkel, meinem 19-jährigen Anton, bin ich kürzlich zehn Tage durch Estland getourt. Das war einfach wunderschön! Ich bin richtig beschwingt nach Hause zurückgekehrt.

Es gibt durchaus Menschen, die sich im Alter abgehängt und nicht mehr gesellschaftlich repräsentiert fühlen. Haben Sie einen Tipp, wie man dem selbst entgegenwirken kann?

Man muss sich andere suchen. Zusammen alt zu werden ist sehr viel leichter, als ganz allein zu sein und sich womöglich ausgegrenzt oder vergessen zu fühlen. Ist man mit anderen Menschen zusammen, kann man die witzigsten Geschichten erleben. Außerdem können auch alte Leute noch hilfsbereit sein und Unterstützung bieten. Diese Einsicht empfinde ich als wichtig. Je mehr Kontakte man sich im Alter erhalten und zurechtlegen kann, desto besser funktioniert es. Selbst wenn man dann Gebrechen erlebt, kann man diese besser aushalten, weil man Freunde um sich hat.

Inwieweit ist es wichtig, sich im Alter noch Ziele zu setzen?

Sehr wichtig. Wissen Sie, während des Urlaubs mit meinem Enkel habe ich darüber nachgedacht, warum es mir noch so gut geht. Ein Grund liegt in dem, was die Psychologen als Resilienz bezeichnen: Wenn man, gerade im Alter, Dinge in die Tat umsetzt, die man sich vorgenommen hat, wachsen einem echte Kräfte zu. Gedanken wie „Mich haben alle vergessen“, „Ich kann nichts mehr“ oder „Früher war alles besser“ sind Klagelieder, die niemanden weiterbringen. Ängste überwinden, sich ausprobieren, das sind Dinge, die mobil halten.

Worin probieren Sie sich aktuell aus?

Ich habe große Lust zu zeichnen. Auf meiner Reise mit Anton haben wir das beide sehr viel gemacht und damit richtig große Tagebücher gefüllt. Ich würde sagen, die meisten sind sogar gelungen (lacht). Singen macht mir auch großen Spaß, ich war lange Zeit Präsident des Deutschen Chorverbandes und merke, dass meine Stimme auch noch richtig präsent ist. Das sind Entdeckungen im Alter.

Sie scheinen richtig begeistert vom Alter zu sein.

Ich freue mich über jeden Alten! Mein Freund Andreas Kruse, Gerontologe und Professor in Heidelberg, forscht seit Jahren über Hundertjährige und hat wunderbare Bücher mit zauberhaften Geschichten geschrieben. Diese Menschen sind meine Vorbilder.

Ist es ein Herzenswunsch von Ihnen, 100 Jahre alt zu werden?

Meine Frau sagt, das sei maßlos. Durch die Bücher von Andreas Kruse und Begegnungen mit 100-Jährigen habe ich einfach Lust, mir vorzustellen, dass ich das schaffe.

Haben Sie Wünsche und Träume, die Sie sich noch erfüllen möchten?

Natürlich! Zunächst einmal habe ich echte Träume und träume nachts richtig gut. Das war in meiner Politikerzeit nicht so, da war ich abends so k.o., dass ich einfach ins Bett gefallen bin. Jetzt beobachte ich, dass mein Unterbewusstsein Dinge, die ich gerade erlebt habe, mit Fantasien vermischt, und so ganz neue Geschichten entstehen.

Und wie steht es um Ihre Wachträume?

Ich möchte mit meinen vielen Enkelkindern noch lange leben dürfen. Ich wurde für ein Feature im Politmagazin „Cicero“ kürzlich gefragt, wie ich mir meine letzten 24 Stunden vorstelle. Das konnte ich klar beantworten. Ich würde mit allen meinen Enkelkindern durchs Watt gemeinsam nach Neuwerk laufen, wie wir es jedes Jahr zusammen machen, beim Inselvogt Werner Fock übernachten und dann am nächsten Morgen vom Flötenspiel meines Enkels Gabriel geweckt werden. Herrlich!

Sie sind ehrenamtlich unter anderem als Schirmherr der „Deutschen Stiftung für Demenzkranke“ sowie für die „Deutsche Parkinson Vereinigung“ tätig. Warum liegen Ihnen diese Themen so am Herzen?

Ich habe mich nicht aktiv angeboten, sondern wurde gebeten. Bei der „Deutschen Stiftung für Demenzkranke“ habe ich einmal einen Vortrag gehalten in dem ich mich sehr kritisch geäußert und dafür ausgesprochen habe, Demenzkranke möglichst lange dort zu stabilisieren, wo sie zu Hause sind. Anschließend wurde ich gefragt, ob ich die Schirmherrschaft übernehmen möchte. Im Fall der „Deutschen Parkinson Vereinigung“ war das ähnlich.

Wie können Sie persönlich Betroffenen helfen?

Ich bin natürlich kein qualifizierter Mediziner, spreche mich aber klar für Selbsthilfepotenzial und Ehrenamtlichkeit aus. Auch Respekterfahrungen sind wichtig. Chronisch Kranke müssen die Erfahrung machen, dass sie in der Gesellschaft gehalten werden. Dazu kann jeder und jede einen Teil beitragen. Ich bin nicht derjenige, der einen neuen therapeutischen Ansatz bietet, sondern der Motivation für einen eigenen biografischen Schritt geben kann. Das ist im Übrigen auch meinem Interesse fürs Altwerden geschuldet.

Wie meinen Sie das?

Man kann das Alter eng fahren, indem man sich von einer Alterserscheinung nach der anderen verrückt machen lässt. Oder man geht es so an wie ich und sagt: Das Alter ist eine Chance. Man kann lernen, neues Entdecken und der Beruf quält einen nicht mehr. Man kann es langsam angehen lassen und ausschlafen.

Schlafen Sie gern aus und lang?

Oh ja. Ich kann ohne Mühe zehn Stunden schlafen und mittags dann auch nochmal zwei Stunden. Wer lange schläft, lebt länger. Ich behaupte, an diesem Spruch ist etwas dran (lacht).

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