Zum Seitenanfang
Foto: Matthias Höllings
#Bremer Köpfe
7. Dezember 2025

„Dann wurde ich in die Nordsee geworfen“

Krimiautor Klaus-Peter Wolf im Interview über seine Rolle als DGzRS-Botschafter und seinen neuesten Krimi

Krimiautor Klaus-Peter Wolf im Interview über seine Rolle als DGzRS-Botschafter und seinen neuesten Krimi

Klaus-Peter Wolf, 1954 in Gelsenkirchen geboren, ist freier Schriftsteller und lebt mit seiner Frau, der Kinderbuchautorin Bettina Göschl, in Norden. In dieser Stadt spielt auch die Handlung der Krimis um seine fiktive Kommissarin Ann-Kathrin Klaasen. Seine Bücher wurden in 26 Sprachen übersetzt und die Fernsehverfilmungen im ZDF und auf Arte sind Quotenrenner. Für über 15 Millionen verkaufte Bücher in Deutschland, Österreich und der Schweiz verleiht ihm Media Control im November den „Premium Award“ als erfolgreichster Krimiautor 2024/25. Während eines Bremenbesuchs mit seiner Frau stellte sich der Autor im Rahmen einer Lesung in der Buchhandlung Thalia dem STADTMAGAZIN Bremen einem kleinen Verhör.

Herr Wolf, Sie sind Schirmherr für ein Hospiz und für die DGzRS. Jetzt mal der Reihe nach. Wie wurden Sie Schirmherr für den „Förderverein Stationäres Hospiz in Norden e. V.“?

Ich habe mir Hospize immer als schlimme, dunkle Orte vorgestellt, die man tunlichst meidet. An dem Tag, ich werde es nie vergessen, als mein Roman auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Liste stieg, brach am Telefon die Hölle los. Der erste Anruf kam aus einem Hospiz in Jever. Die hatten dort einen großen Fan meiner Geschichten, und der würde mich gerne persönlich kennenlernen, weil er es wohl bis zu einer meiner Lesungen nicht mehr schaffen würde. Da hieß es: jetzt oder nie, aber ich hatte Schiss und habe meine Frau gefragt, ob sie mich begleitet und ihre Gitarre mitnimmt. Sie hat im Hospiz Lieder gesungen und ich habe dem Mann und auch anderen Bewohnern aus meinen Krimis vorgelesen.

Hat das Ihre Vorstellung von Hospizen korrigiert?

Ja, denn wir haben uns dort sehr wohlgefühlt und viel gelacht. Ich habe den Herrn noch in sein Zimmer begleitet, um mit ihm zu sprechen. Er wollte alles über meine Krimi-Figuren wissen und wie die Geschichten weitergehen. Und dann sehe ich auf seiner Anrichte einen großen silbernen Sektkübel samt Flasche stehen und frage beim Verlassen des Zimmers einen Mitarbeiter, ob hier noch eine Party steige. Der antwortete: „Herr Wolf, wenn Sie hier Ihre letzten Tage verleben würden, möchten Sie dann lieber auf einen Sektkübel oder lieber auf eine Urinflasche gucken?“ Wir haben alle herzhaft gelacht, ich habe meinen Fan umarmt und dabei das System Hospiz verstanden.

Und wie kam es dann zur Schirmherrschaft?

Etwas später wurde ich gefragt, ob ich ein stationäres Haus in Norden unterstützen könne. Die suchten einen Promi, der sie und ihre Arbeit nach außen vertritt und das Thema enttabuisiert. Ich habe zugesagt, stelle seitdem bei all meinen Lesungen eine Hospiz-Box zum Spenden auf, erzähle etwas über die Hospizarbeit und nehme den Leuten so ein wenig die Angst, die ich selbst mal hatte. Es funktioniert. Wir haben schon über 100.000 Euro gesammelt.

Jetzt wurden Sie außerdem ehrenamtlicher Botschafter für die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ mit Sitz in Bremen. Wie wird man von einem mehrfachen Mörder auf Papier zum ehrenamtlichen Seenotretter?

Der Auslöser dafür liegt in meiner Kindheit. Im Alter von vier oder fünf Jahren hat mich mein Onkel Warfsmann mit in eine Kneipe genommen, um sich dort mit vier anderen Kumpels zu treffen. Ich bekam von ihm 20 Pfennig in die Hand gedrückt und hatte die Möglichkeit, mir Erdnüsse zu ziehen, eine Runde zu flippern oder das Geld in die Musik-Box zu werfen. Doch dann entdeckte ich plötzlich dieses Schiffchen von der DGzRS auf dem Tresen, bin auf den Barhocker geklettert und habe meine 20 Pfennig in den Schlitz geworfen. Ich wollte die nicht spenden und habe gewartet, dass etwas passiert. Das haben die Kumpels und mein Onkel gesehen und waren gerührt, weil ich mein ganzes Geld gespendet hatte. Von allen habe ich dann noch einmal je 20 Pfennig bekommen und kann heute sagen, dass sich spenden lohnt. Als dann die Seenotretter aus Bremen vor einiger Zeit der Meinung waren, dass ich als Autor der Ostfriesen-Krimis, der dadurch eng mit der Küste verbunden ist, der ideale Botschafter für sie wäre, habe ich sofort zugesagt.

Was haben Sie seitdem erlebt?

Ich habe mir gewünscht, auch einmal von denen aus hoher See gerettet zu werden – und dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Das war eine scharfe Nummer. Ich bekam eine spezielle Rettungsweste an, mit der man im Wasser automatisch auf den Rücken gedreht wird, und dann wurde ich in die Nordsee geworfen. Blöd war nur, dass wir bei meiner Übung den 20. Januar hatten und das Wasser saukalt war. Mein nächstes Buch heißt „Ostfriesen-Erbe“ (erscheint am 28. Januar 2026, Anm. d. Red.). Klar, dass ich diese Erfahrung in meinem 20. Krimi nutze und dann ausnahmsweise einmal weiß, wovon ich rede.

Seit Sie in Ostfriesland leben, gibt es in Ihren Geschichten Mord und Totschlag, allerdings mit hoher Aufklärungsrate. Bestehen direkte Kontakte zur Polizei in Aurich, Emden, Leer und Norden?

Der ehemalige Polizeichef von Ostfriesland, Hans-Jürgen Bremer, hat sich mal als mein Fan der ersten Stunde geoutet und mir seitdem oft geholfen. Zum Beispiel, wenn ich mir nachts um 23 Uhr die Frage stelle: Wo genau klingelt es, wenn jetzt auf der Insel Borkum jemand die 112 wählt? In Borkum ja wohl kaum. In so einem Fall schicke ich schnell eine Mail an Herrn Bremer und zehn Minuten später habe ich die Antwort. So etwas nenne ich einen kurzen Dienstweg. Auch bei den Verfilmungen meiner Krimis für das Fernsehen war er häufig vor Ort und hat das Team beraten.

Wären Sie im Ernstfall ein guter Zeuge?

Ich glaube generell nicht an die gute Zeugenschaft, denn vielfach sieht oder hört man genau das, was man sehen und hören möchte. Die Autorin Anaïs Nin hat einmal einen wunderschönen Satz in ihren Tagebüchern geschrieben: „Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, wir sehen sie, wie wir sind.“ Ich glaube, da ist etwas dran.

In Ihren Krimis tauchen Schlagworte wie Killer, Blut, Grab, Angst, Wut, Tod, Zorn und Hass auf …

Das sind keine Schlagworte, sondern zutiefst archaische Worte, die etwas in uns auslösen.

Ist es ein persönliches Bedürfnis, diese Themen zu bearbeiten?

Ja, denn in meiner Kindheit ist alles, wirklich alles schiefgegangen. Ich wette, Sie möchten Ihre Kindheit nicht mit meiner tauschen. Dass ich nicht zum Mörder geworden bin, verdanken wir einigen glücklichen Umständen und der Tatsache, dass ich schreibe. Wenn ich diesen Ausweg nicht gefunden hätte, um damit fertig zu werden, würde ich jetzt im Knast sitzen.

Sie verwenden in Ihren Geschichten reale Personen. Was mussten diese dafür tun, um bis jetzt in Ihren Erzählungen überlebt zu haben? Sollte jemand von denen sterben, sind doch automatisch Sie verantwortlich, oder?

Also im aktuellen Weihnachtsmann-Killer Teil 3 (erschienen am 24.09.2025, Anm. d. Red.) wird zum Beispiel auf meinen Freund Jörg Tapper geschossen. Da habe ich vorher seine Frau gefragt, ob das in Ordnung sei und sie hat gefragt: „Überlebt er denn?“ Als ich das zugesichert habe, meinte sie: „Dann mach das ruhig.“ Ich muss meine echten Protagonistinnen und Protagonisten natürlich bei Laune halten, damit sie überleben. Und ihre Veränderungen im Alltag machen sie dann auch in meinen Geschichten mit. Sollte tatsächlich mal jemand sterben, würde ich es auch so schreiben, wie er oder sie tatsächlich gestorben ist.

Ihr neuester Krimi „Der Weihnachtsmannkiller 3“ ist im September erschienen. Worauf können Ihre Fans sich freuen?

Wir und alle Leserinnen und Leser haben ja geglaubt, dass der „Weihnachtsmann-Killer“ bei einem Schiffsunglück in der Nordsee ums Leben gekommen ist. Das war jedoch ein Irrtum. Er kommt nach Norden zurück und hat noch eine Rechnung offen. In die Türchen seines Adventskalenders klebt er Bilder seiner bisherigen Opfer hinein – und Türchen 24 hat er für Kommissarin Ann-Katrin Klaasen reserviert …

Weitere Beiträge