
Da haben wir den Salat
Kolumnist Matthias Höllings widmet sich in diesem Monat persönlichen Erinnerungen an das Pausenbrot.
Beim Zeitunglesen habe ich kürzlich ernsthaft überlegt, ob das Schreiben dieser Kolumne etwas mit dem Pausenbrot zu tun haben könnte, das ich in meiner Volksschulzeit im „Alten Land“ immer mit meinem Mitschüler getauscht habe. Seines war in Zeitungs-, meines in Pergamentpapier eingewickelt. An warmen Tagen ging die Schrift dann gelegentlich schon mal auf das Brot über, und es roch lecker nach Druckerschwärze. Ich mochte diesen Geruch sehr, bin Jahre später aber nicht deshalb Offsetdrucker geworden, hatte dabei jedoch stets diesen schönen Geruch aus meiner Schulzeit in der Nase. Und jetzt schreibe ich Kolumnen, rieche gelegentlich am
STADTMAGAZIN und bekomme Hunger.
Doch für wen schreibe ich hier eigentlich? Wie viele Bremer Schülerinnen und Schüler werden meine Kolumne überhaupt noch lesen, oder besser gesagt lesen können, wenn laut Pisa-Studie jede oder jeder Fünfzehnjährige beim Lesen gerade mal Grundschulniveau aufweist? Unzweifelhaft gibt es einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Bildung, wenn man der Wissenschaft glauben darf. Eine Studie hat gezeigt, dass man mit einem vernünftigen Pausenbrot bestenfalls ein Drittel des täglichen Energiebedarfs decken kann. Doch die Kids von heute stehen nicht auf selbst geschmierte Pausenbrote, sondern mehr auf Süßigkeiten. Wissenschaftler:innen sind jedoch der Meinung, dass dieses süße Zeug mitverantwortlich für Konzentrationsstörungen und den Rückgang der Lernfähigkeit ist.
Das heißt zwar nicht, dass das Essen einer Tafel Schokolade blöd macht, aber es würde bedeuten, dass man mit Paprika, Karotten, Äpfeln und Kohlrabi schlauer wird oder bleibt. Es soll deshalb tatsächlich schon Schulen mit einer „zuckerfreien Zone“ geben. Voraussetzung ist natürlich, dass auch alle (!) Eltern über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, ihre Kinder gesund zu ernähren. Ist das nicht der Fall, haben wir den Salat, oder – und die Armutsspirale setzt sich in Gang: falsches Essen, zu viel Zucker, zu wenig Nährstoffe, Leistungs- und Konzentrationsabfall, schlechte Noten, schlechte Abschlüsse, weniger berufliche Perspektiven, weniger Verdienst, schneller an der Armutsgrenze.
Und an genau diesem Punkt gehen die Meinungen von Politik und Wissenschaft leider auseinander. Essenspauschalen werden von der Politik für Bremer Kitas und Schulen eher gekürzt als aufgestockt. Da ist etwas wirklich blöd gelaufen, und der Würfelspeck in der Bremer Speckflagge hilft da auch nicht viel weiter. Vielleicht hatte ich in meiner Schulzeit einfach nur Glück, zwischen Obstbäumen und Gewächshäusern aufgewachsen zu sein. Auf mein Pausenbrot mit Druckerschwärze lasse ich jedenfalls immer noch nichts kommen, auch wenn ich es vor dem Verzehr nicht noch extra in das STADTMAGAZIN einwickele.