Ben Becker: „Ein Bremer kehrt nach Huus“
Lesung „Apokalypse – Herz der Finsternis“
Er gilt als einer der deutschen Schauspieler, die sich nicht davor scheuen, Grenzen zu überschreiten: Ben Becker. Anlässlich seiner bevorstehenden Lesung „Apokalypse – Herz der Finsternis“ kehrt er im Januar in seine Heimatstadt Bremen zurück. Im Vorfeld gab der Vollblut-Schauspieler dem STADTMAGAZIN ein Interview und verrät darin, worüber er sich mit dem Autor Joseph Conrad, dessen Erzählung als Vorlage für Beckers neues Programm diente, gern einmal unterhalten würde. Zudem gibt er persönliche Literaturempfehlungen und erklärt, warum er lange Seriendrehs mittlerweile scheut.
Herr Becker, seit einigen Jahren sind Sie mit Stücken wie „Ich, Judas“, „Affe“ und derzeit „Apokalypse“ unterwegs. Alle Texte sind sehr komplex. Wie erarbeiten Sie sich die Werke für die Bühne?
Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal kommt das von außen, manchmal hole ich mir Hilfe von Leuten, die sich auskennen. Zum Beispiel von John von Düffel, der unter anderem Dramaturg am Deutschen Theater ist. Mit ihm arbeite ich gern zusammen. Von ihm kommt auch die Bearbeitung zu „Herz der Finsternis“.
Was darf das Publikum erwarten?
Es ist ja so, dass ich diese Abende mittlerweile allein bestreite. Angefangen habe ich mit Band und Musik. Die deutschen Songtexte habe ich geschrieben, um eine Geschichte zu erzählen. Am Ende hat mich dann nur noch ein Musiker begleitet. Jetzt stehe ich allein auf der Bühne, mich begleiten dann, wie bei einem Hörspiel, nur Geräusche.
Also sind Sie sehr involviert in die Gestaltung?
Absolut, ich liebe es auch, ein Bühnenbild zu erfinden. Bei mir kann man eigentlich immer von einer szenischen Lesung ausgehen. Eine reine Lesung im schwarzen Anzug auf der Bühne interessiert mich nicht. Ich muss immer eine kleine Gespensterbahn mitbringen, ich bin einfach theaterverliebt.
Das merkt man. In der damaligen Aufführung von „Ich, Judas“ im Bremer Dom kam das besonders zu Geltung.
Der Dom ist auch etwas ganz Besonderes, damit muss man erst einmal umgehen. Mit dem „Judas“-Stück komme ich übrigens auch wieder nach Bremen. Zur Glocke, dem Spielort für „Apokalypse“, habe ich eine alte Verbundenheit. Dort war ich schon mit Stücken wie „Der ewige Brunnen – Gedichte und Balladen“ zu Gast. Auf den Aufritt in der Glocke im Januar freue ich mich schon.
Bremen ist auch merklich stolz auf Sie.
Ja, verrückt. Ich sage immer: Ein Bremer kehrt nach Huus (lacht). Meine Zeit in Bremen ist schon lange her, das sind eher Kindheitserinnerungen. Ich habe noch Onkel und Tante in der Stadt. Wenn ich dann zu Besuch komme, stelle ich fest, dass die Häuser viel kleiner sind, als ich sie in Erinnerung habe. Ich finde es sehr schön, dass man mit offenen Armen empfangen wird und nicht vergessen wurde, dass man aus Bremen kommt. Es wird Zeit, dass ich einmal zu Grünkohl und Pinkel eingeladen werde (lacht).
Noch einmal zurück zu „Ich, Judas“: Im Bremer Publikum saß eine frührere Lehrerin von Ihnen, die Sie sogar ansprach. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich glaube das war Frau Adler. So etwas kommt vor, dass dort Menschen sitzen, die einen sehr bewegen – und das freut einen.
Und nun aktuell „Apokalypse“, basierend auf der Erzählung „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad, die 1899 veröffentlicht wurde. Was würden Sie ihm gern sagen oder von ihm wissen wollen, wenn er noch leben würde?
Ich würde ihn einfach erzählen lassen, das wäre mir genug. Jemand mit einer solchen Geschichte hat sicher viel zu berichten. Conrad wäre bestimmt jemand, mit dem man sich außerdem ganz hervorragend über die aktuelle Zeit unterhalten könnte. Er war damals bereits Kapitalismuskritiker. In der heutigen Zeit würde er erstaunt sein, was aus der Dampfmaschine geworden ist oder dem Kanonenboot. Da wäre er sicher sehr überrascht. Am Tisch mit ihm zu sitzen wäre auf jeden Fall klasse, aber irgendwie habe ich ihn sowieso immer ein bisschen bei mir.
Als Tattoo zum Beispiel.
Das auch, ich habe es schon ganz lang. Ich wollte damals ein Tattoo haben, das nicht jeder hatte. Seine Werke waren für mich immer der Inbegriff toller Abenteuerromantik und großer Literatur. Damit habe ich nichts falsch gemacht.
Große Literatur ist ein gutes Stichwort: Was lesen Sie privat und was können Sie empfehlen?
Im Moment natürlich viel von Conrad. Davon abgesehen kann ich Colum McCanns „Apeirogon“ sehr empfehlen. All seine Geschichten bereiten mir große Freude. Die Bücher verschenke ich gern. Ich beschäftige mich derzeit auch viel mit dem Kolonialismus, mit „Tim und Struppi im Kongo“ etwa, und lese alte Ausgaben von „GEO Historie“ zu diesem Thema.
Sie haben einige Kinderbücher veröffentlicht. Haben Sie vor, auch mal ein Buch für Erwachsene zu schreiben?
Ich habe früher viele Kurzgeschichten geschrieben, die bis heute unveröffentlicht blieben. Da habe ich noch volle Schubladen. Auch Songs liegen noch auf dem Computer. Es gab bisher niemanden, der das mit mir zusammen machen wollte. Vielleicht findet sich posthum ja ein Abnehmer? Einen Titel hätte ich schon: „Panzer aus Porzellan“. Aber das wollte der Verlag nicht (lacht). Deshalb halte ich mich dahingehend auch zurück, ich bleibe bei meinen kleinen, bescheidenen Möglichkeiten. die Kunst an den Mann zu bringen.
Ihre Filmprojekte suchen Sie sich sicher auch ganz genau aus?
Ja. Etwas zu drehen, das keinen künstlerischen Anspruch hat, das ist nichts für mich. Dann mache ich lieber Kunstfilme mit Albert Oehlen, die laufen dann auf Festivals. Vielleicht findet manche Kunst erst postum ihre Zielgruppe, wer weiß?
Ihre aktuellen Aufführungen bekommen sehr gute Kritiken.
Es freut mich immer, wenn zum Beispiel in der „Süddeutschen“ eine tolle Kritik steht. Ein wenig gebauchpinselt fühlt man sich da schon. Zuerst hatte ich beim Stück „Apokalypse“ Angst, dass die Leute es nicht annehmen, denn es behandelt ein hartes Thema.
Oftmals liest man „Ben Becker, die Stimme“. Synchronrollen haben Sie auch mehrfach gesprochen. Gibt es eine Figur, die Sie gern vertonen würden?
Da gibt es einige. Neulich bin ich richtig sauer geworden und dachte: Warum lassen die mich das nicht machen? Bei „Batman“, der Schauspieler Tom Hardy, das hätte perfekt gepasst. Manchmal ist diese Synchronszene eine kleine Mafia für sich. Ich hätte gern einen Schauspieler gehabt, den ich fest gesprochen hätte. Doch bisher ist es beim Tiger im „Junglebook“ geblieben.
Was kann man im kommenden Jahr von Ihnen erwarten?
Ich habe letztens die Serie „Boom Boom Bruno“ gedreht, meine Rolle ist eine Art Elefant im Porzellanladen. Zwar war alles sehr nett, aber ich habe gemerkt, dass ich damit nicht klarkomme. 50 Tage am Stück, jeden Tag zwölf Stunden drehen – das rattert man einfach nur runter. Letztens habe ich in einer Doku über Clint Eastwood gesehen, dass unter seiner Regie anders gearbeitet wird. Eastwood spricht mit den Schauspielern, dann wird die Szene ausprobiert und dann höchstens zwei Mal gedreht – und da kommt auch etwas Gutes bei heraus. Das habe ich ganz anders am Set der Serie erlebt, da klatschen junge Leute nur noch in die Hände und sind unglaublich dienstbeflissen, wollen das Pensum erfüllen.
Gibt es etwas, das Sie selbst gern schauen?
Ich gehe selten ins Kino, letztens war ich allerdings allein in „Räuber Hotzenplotz“, weil mein Freund Nicholas Ofczarek da mitspielt. Ansonsten habe ich „Yellowstone“ mit Kevin Costner verschlungen, eine klasse Serie. Es gibt also durchaus gute Dinge im Fernsehen.
Das Interview führte Max Stascheit.