
Beim Bund mit Udo Jürgens
Unser Kolumnist Dirk Böhling erinnert sich an seine Bundeswehr-Grundausbildung auf Sylt.
Nach einer nicht enden wollenden Schulzeit samt Abschlusspaukerei sowie einer wirklich anstrengenden Partyphase und schließlich eher wenig erholsamen Sommerferien hätte man wirklich eine Zeit der Ruhe und Rekonvaleszenz gebrauchen können. Aber nein! Stattdessen durften sich die meisten von uns Jungs die Haarpracht abschneiden und in seltsame Klamotten zwängen lassen, die schon andere vor uns getragen hatten. Wir bekamen Kopfbedeckungen aus Metall, Schnürstiefel und einen Schlafsack in die Hand gedrückt und wurden permanent angeschrien, was wir wo als Nächstens wie zu tun hatten. Wir wohnten in einer kargen Stube mit einem schlichten Tisch, harten Stühlen und hohen Schränken und schliefen in mehrstöckigen Betten, die wir auch noch selber machen mussten.
Als ob das nicht schon alles schlimm genug wäre, lernten wir auch noch Dinge, von denen wir vorher nicht mal gewusst hatten, dass es sie gab. Echte Gewehre säubern zum Beispiel, Wäsche zusammenlegen und mitten in der Nacht mit Rucksäcken und viel zu warm angezogen durch die Gegend laufen. Das Wort, das alles umschrieb, hieß Grundausbildung. Die dauerte drei Monate und machte ungefähr so viel Spaß wie die Wurzelbehandlung zahnmedizinischer Berufsanfänger. Dieser schloss sich in der Regel noch ein Jahr der sogenannten Bundeswehrzeit an, die dann meistens etwas entspannter ablief und wenn alles gut ging nach genau 15 Monaten Lebenszeit endete.
In der Nachbetrachtung meiner Zeit beim Bund kann ich sagen, dass ich ausgesprochen gut dabei weggekommen bin und weder besonderen Schikanen von sadistischen Unteroffizieren, noch übermäßigen körperlichen Anforderungen oder sonstigen unnötigen Erziehungsmaßnahmen aus der Abteilung „Das hat noch niemandem geschadet“ ausgesetzt war – im Gegenteil.
Erstens fand meine Grundausbildung auf der schönen Insel Sylt statt – in einer Kaserne, in der auch die Köche der Marine ausgebildet wurden, die uns deshalb auch besonders gut bekochten. Zweitens wurde ich gleich am dritten Tag Mitglied im Seemannschor der Marineversorgungsschule und sang mich schnell in die erste Reihe. Dies hatte wiederum zur Folge, dass ich die Shantys und Seemannslieder teilweise als Solist präsentieren durfte und somit bedauerlicherweise nicht an Gewaltmärschen, Schießübungen oder lustigen Zeltlagern teilnehmen konnte. Ich wurde nämlich für Auftritte, Tourneen und Studioaufnahmen davon freigestellt. Das Schönste daran war übrigens, dass ich mich schnell mit dem Pianisten unserer – Verzeihung – Truppe angefreundet hatte und mit ihm und einigen anderen sangesfreudigen Choristen zusammen nach jedem Auftritt bis in den frühen Morgen Lieder von Udo Jürgens am Klavier sang.
Es war für die umstehenden Zivilisten sicherlich leicht befremdlich zu erleben, wie sechs junge Männer lauthals „Aber bitte mit Sahne“, „Ein ehrenwertes Haus“ und „Zeig mir den Platz an der Sonne“ intonierten, aber immerhin kann ich heute auf die Frage, ob ich gedient hätte, guten Gewissens antworten: „Jawoll, und zwar aus voller Kehle!“
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