„Auch Erwachsene dürfen kindliche Fantasien haben“
Intendant Martin G. Berger inszeniert „Der 35. Mai“ als Familienmusical im Theater am Goetheplatz
Martin G. Berger ist ein deutscher Theaterregisseur und Intendant – seine Arbeiten als Regisseur, Autor und Übersetzer führten ihn durch ganz Deutschland. Nun ist er in Bremen angekommen: Mit seiner Version von „Der 35. Mai“, einem weniger bekannten Roman Erich Kästners, bringt die Musiktheater-Sparte des Theater Bremen den Stoff als Musical heraus. Das Stück ist eine visionäre Kritik an der Zukunft, die unsere Gegenwart bereits darstellt. Auf die kleinen und großen Besucher:innen wartet ein steppendes Zirkuspferd, die abenteuerliche Südsee, eine Rittergesellschaft und eine vollautomatisierte Stadt. Musik und Liedtexte stammen unter anderem von Martin G. Berger. Im Interview sprachen wir mit ihm über die Wahl des Stücks, warum Kinder die härtesten Kritiker:innen sind und darüber, was sein Ansporn ist.
Wie kam es zur Wahl des eher unbekannten Romans von Erich Kästner als Grundlage für ein Musical?
Ich habe den Roman als Kind gelesen und vorgelesen bekommen – meine Eltern wollten mir wohl das Gesamtwerk des Autors nahebringen. Das Werk hat den typischen Kästnerschen Witz und eine Prise Gesellschaftskritik mit feinem Humor. Es begleitete mich seither. Ich finde, es ist ein tolles Zeichen, wenn Erwachsene auch Spaß daran haben. Bei meinem Weg ins Musiktheater habe ich oft daran gedacht, den Stoff auf die Bühne zu bringen. Für mich ist Musical eine Einladung an Menschen, zuzuhören und einfach ins Theater zu kommen, das hat es der Oper voraus. Ich liebe die Elemente aus Tanz und Musik, möchte Menschen zum Nachdenken anregen und das geht bei einer heiteren Form einfacher. Als ich Regisseur Frank Hilbrich und Dramaturgin Brigitte Heusinger vorschlug, aus dem Stoff ein Familienmusical zu inszenieren, waren sie sofort an Bord.
Der Roman wird als das fantasievollstes Werk Kästners bezeichnet. Wie gingen Sie bei der Inszenierung vor?
Schreiben und Inszenieren sind zwei unterschiedliche Vorgänge. Der erste Schritt vom Roman zum Theaterstück ist es, herauszufinden, an welcher Stelle gesungen wird und wo es Sinn ergibt. Was ist aus dem Buch direkt benutzbar und was muss man aus heutiger Perspektive vielleicht anders anschauen? Wir haben es ein wenig aktualisiert und in der Beschreibung ein paar Klischees rausgelassen, den drei Figuren dafür einige kleine Details hinzugegeben. In einem Roman steckt oft mehr zwischen den Zeilen, was auf der Bühne nicht immer umsetzbar ist. Ich fragte mich, wie viel man von dem fantastischen Stoff direkt zeigt und entschied mich dafür, beim Bühnenbild viel der eigenen Fantasie zu überlassen. Auch Erwachsene dürfen kindliche Fantasien haben und Kinder sich erwachsenen Themen widmen. Auch wenn es abgedroschen klingt, aber es stimmt: Es ist ein Abend für die ganze Familie.
Die Musik im Stück wurde von Ihnen verfasst. Wie lief der Kreativprozess ab?
Ich habe nie etwas skizziert, es war einfach da und kam aus mir heraus, was nicht immer so ist. Das lag auch am Prozess, da ich lange Zeit zuvor darüber nachdachte. Wichtig finde ich einen „I Want“-Song, also ein Musikstück, das zeigt, was der Charakter möchte oder erreichen will, sozusagen das Ziel des Charakters. Bestimmte Arten von Songs haben sich im Musical über die Zeit bewährt. Figuren singen, wenn sie etwas nicht mit Worten ausdrücken können, also ihre Gedanken teilen, die nicht als Worte greifbar sind.
Sind Kinder die härteren Kritiker:innen?
Kinder sind gnadenlos (lacht). Wenn es ihnen nicht gefällt, dann gefällt es ihnen nicht, das kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Wir müssen es schaffen, den Spaß, den wir auf der Bühne haben, auch auf andere zu übertragen, vor allem, wenn die Themen des Stücks seit 1930 bis heute noch gelten. Das Publikum kann mit vielen Gedanken aus dem Theater gehen oder sich einfach nur entspannt zurücklehnen.
Ihre letzte Inszenierung wurde zwölf Mal für den „Deutschen Musical Theater Preis“ nominiert, insgesamt gibt es 16 Kategorien. Was macht das mit Ihnen?
Das war eine riesige Freude, solch eine Anerkennung zu erhalten. Das Schöne am Theater ist es, dass wir es für das Hier und Jetzt machen, das ist der Ansporn weiterzumachen, eine dauerhafte Aufgabe, der Motor für die Zukunft. Preise sind für mich eine Motivation dranzubleiben (lacht).
Das Interview führte Max Stascheit.
Premiere am Sonntag, 20. Oktober, 18 Uhr, Theater am Goetheplatz